Die Nachhilfestunde 42: Heimwärts

>>Glaubst du, es bringt was, wenn du alle 5 Sekunden auf dein Handy guckst?<< murmelte Frank Steinkamp und bedachte seine Frau mit einem unwilligen Blick. Er lag neben ihr im Schlafzimmer auf dem großzügigen Bett und versuchte vergeblich, wieder einzuschlafen, nachdem das Leuchten des Displays die Dunkelheit immer wieder durchbrach. Die digitale Anzeige seines Weckers verriet ihm, dass es kurz nach 5 Uhr morgens war. Und seit dem Mark angerufen hatte, hatte seine Frau das Handy keine Sekunde mehr aus der Hand gelegt und prüfte es nun andauernd auf Nachrichten.
Natascha seufzte, drehte sich zum hundertsten Mal vom Bauch auf den Rücken und starrte an die Decke. Sie konnte an nichts anderes denken, als an Peggy. An ihre Tochter, die in dieser Nacht selber Mutter wurde! Und sie verstand nicht, wie ihr Mann da noch so gelassen bleiben konnte.
>>Ob das Baby schon da ist?<< überlegte sie halblaut, Frank zuckte die Schultern. >>Und wie es ihr wohl geht? Hoffentlich übersteht sie alles gut. Mark klang ganz schön nervös vorhin. << - >>Natascha, sie werden sich melden, wenn es etwas Neues gibt. << antwortete Frank gereizt. >>Und Marks Nervosität ist in diesem Fall wirklich nichts Außergewöhnliches. Bitte mach dir nicht so viele Gedanken, es wird schon alles gut gehen. << fügte er ein wenig versöhnlicher hinzu und nahm die Hand seiner Frau, die vor Aufregung ganz klamm geworden war. Natascha atmete tief durch und nickte. Sie wusste, dass er recht hatte. Und sie wusste auch, dass Mark versprochen hatte, sofort anzurufen, wenn alles überstanden war. Dennoch: das Warten und die Ungewissheit machten sie wahnsinnig.
>>Erinnerst du dich noch, wie Peggy geboren wurde?<< lächelte sie wehmütig und sah Frank durch das Dunkel an. Er erwiderte ihr Lächeln. >>Wie könnte ich das vergessen? Das waren die nervenaufreibendsten Stunden meines Lebens! Und gleichzeitig auch die schönsten! Peggy war das hübscheste Baby, das es geben konnte! Ich erinnere mich noch genau!<< - >>Als wäre es gestern gewesen...<< murmelte Natascha und schluckte. >>Und jetzt werden wir schon Großeltern. Das ist doch verrückt. << - >>Ja. Das ist es in der Tat. << erwiderte Frank und verkniff sich seine Meinung, dass Peggy gut und gerne noch ein paar Jahre hätte warten können. Immerhin hatte sie gerade mal das Studium aufgenommen. Aber nun gab es sowieso kein Zurück mehr. Das Baby war unterwegs. Als er sich dieser Tatsache bewusst wurde, konnte er einen kleinen Hauch der aufgeregten Vorfreude nun doch nicht mehr leugnen. Wie es wohl aussehen würde...?
In diesem Moment unterbrach das Handyklingeln die nachdenkliche Stille. Sofort schreckte Natascha hoch und nahm den Anruf entgegen.
>>Mark! Endlich! Wir warten schon eine Ewigkeit, dass du ... es ist
da? << rief sie nach kurzem Lauschen und schlug sich die Hand vor den Mund. >>Es ist wirklich da? Oh Mark, wie wundervoll! Und Peggy, geht's ihr gut? .... Oh Gott sei Dank! << Frank konnte die Steine, die seiner Frau gerade vom Herzen fielen, förmlich hören.

>>Können wir kommen? << fragte sie aufgeregt und lauschte wieder. >>Na gut, aber nachher sind wir dann sofort bei euch....gib Peggy einen Kuss,ja? Einen vorsichtigen Kuss. << fügte sie lächelnd hinzu und beendete wenig später das Gespräch. Sie wischte sich die Tränen von der Wange, atmete tief durch und schaute ihren Mann glücklich an. >>Um 04:15 ist die Kleine geboren. Gesund und munter und wunderschön, hat Mark gesagt. << - >>Gut...das ist gut. << antwortete Frank ein wenig unsicher. >>Was ist mit Peggy?<< - >>Die Geburt hat sie sehr mitgenommen, aber es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Sie und das Baby müssen noch ein bis zwei Stunden im Kreißsaal bleiben, bevor sie auf die normale Station können. Mark meinte daher, es wäre besser, wir würden erst im Laufe des Vormittags kommen. << Frank nickte langsam und kämpfte mit sich. Er war sich nicht sicher, ob dieser Besuch eine gute Idee war, denn auch wenn er erleichtert war, dass nun alles überstanden war, war er nach wie vor der Ansicht, dass die Geburt des Kindes viel zu viele Schwierigkeiten mit sich bringen würde.
>>Fahr alleine. << sagte er nach kurzem Zögern, seine Frau stutze. >>Wie bitte?<< - >>Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn wir gleich zu zweit anrücken würden. Peggy braucht noch Ruhe und das Baby auch. Außerdem bist du sicher mehr darauf erpicht, es heute schon zu sehen. Ich kann damit noch warten. << Natascha blickte ihn stumm an. War er etwa noch immer gegen das Baby? Zweifelte er noch immer an Mark, oder an Peggy, oder an ihrer Beziehung? Und würde es Sinn machen, einen weiteren Versuch zu starten, ihm vom Gegenteil zu überzeugen? Jetzt?
>>In Ordnung. << antwortete sie leise. >>Aber Peggy würde sich sicher freuen, wenn du kommst. << Frank erwiderte ihren eindringlichen Blick und gab ihr keine Antwort.


>>So, jetzt könnt ihr erstmal ankommen. << sagte Hanna, als sie Peggys Bett aus dem Kreißsaal hinaus in ein normales Zimmer der Neugeborenen-Station geschoben hatte. Peggy hatte es noch gar nicht richtig gesehen, denn als sie gestern ins Krankenhaus gekommen waren, hatte sie keinen Blick dafür gehabt.
Da hatte sie nur an die Schmerzen denken können und an das, was auf sie zukommen würde. Aber jetzt war alles vergessen! Jetzt hätte sie die ganze Welt umarmen können, so glücklich war sie!
>>Möchtest du frühstücken? << fragte Hanna und blickte lächelnd auf Peggy herab, die müde aussah, aber dennoch das Freudestrahlen einer frischgebackenen Mama in den Augen hatte. Dieses Phänomen konnte sie immer wieder beobachten und immer wieder faszinierte es sie aufs Neue.
Peggy schüttelte den Kopf. >>Später vielleicht. << Sie schaute nach unten. Auf ihrer Brust lag das kleine, warme, schlafende Wesen, das sie ab heute wie ihren Augapfel hüten würde. Ihr Kind! Hanna nickte und sah dann fragen zu Mark, der sich neben das Bett gesetzt hatte. >>Ne Tasse Kaffee wäre super. << sagte er. >>Bekommst
du. << lachte Hanna und verließ dann leise den Raum.

Mark atmete tief durch, dann rückte er den Stuhl näher an das Bett heran, legte einen Arm um Peggy und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. >>Den soll ich dir von deiner Mutter geben. << sagte er und Peggy musste lachen. >>Hast du mir ihr gesprochen. << - >>Ja, vorhin, als du geschlafen hast. Aber nur kurz. Sie und dein Vater kommen nachher vorbei. << - >>Schön. << lächelte sie und schaute dann wieder auf ihr Baby in ihren Armen. Mark folgte ihrem Blick und musste ebenfalls lächeln. Ganz automatisch. Nie hätte er gedacht, dass es so werden würde: so schön, so emotional, so unwirklich. Jetzt fiel die Anspannung von ihm ab und er spürte, wie müde er war! Umso dankbarer war er, als Hanna wenig später den Kaffee ins Zimmer brachte. >>Und du willst wirklich nichts?<< fragte er Peggy, sie verneinte. >>Im Moment habe ich alles, was ich brauche. << Mark lächelte sie liebevoll an. Er musste sich sehr zusammenreißen, um vor Erleichterung und Glück nicht einfach zu weinen.
In diesem Moment klopfte es zaghaft und die Tür wurde geöffnet. Natascha trat leise an das Bett heran und Mark erhob sich. >>Hallo Natascha, schön Sie zu sehen. << - >>Guten Morgen. << Sie schaute zu ihrer Tochter, die sich ein wenig mühsam im Bett aufsetzte. Dann fiel ihr Blick auf das Baby in ihrem Arm und augenblicklich ging ihr das Herz auf! >>Ist sie das?<< fragte sie aufgeregt, Peggy nickte. >>Das ist sie. << Natascha trat näher und setzte sich vorsichtig auf das Bett. Sie zog das Handtuch, in das das Kleine eingehüllt war, ein wenig zur Seite und erblickte den winzigen Kopf, dessen Augen fest geschlossen waren. Sie schluckte, versuchte, die richtigen Worte zu finden, doch es gelang ihr nicht. Peggy bemerkte die emotionale Reaktion ihrer Mutter und lächelte. >>Willst du sie mal halten?<< Natascha schaute sie erfreut und gleichzeitig unsicher an. >>Darf ich?<< - >>Natürlich. << Peggy setzte sich noch ein Stück weiter auf und legte ihrer Mutter das Baby in den Arm. Nun brachen bei Natascha tatsächlich die Dämme und die Tränen lösten sich aus ihren Wimpern. Es war unglaublich, das kleine Wesen zu spüren! >>Sie sieht genauso aus, wie du, Peggy. << - >>Och Mama, fang nicht davon an. << erwiderte Peggy, doch ihre Mutter ließ sich nicht aufhalten. >>Du hast auch so wunderschön ausgesehen! Du hattest genau dieselbe zarte Haut, dieselben hellen Härchen auf dem Kopf…wie heißt sie denn überhaupt?<< - >>Emelie-Sophie. << antwortete Mark, sie nickte. >>Sehr schön! Gefällt mir. << Da regte sich die Kleine plötzlich und streckte, noch ein wenig unkoordiniert die Ärmchen in die Luft. Natascha beugte sich vor, um sie Peggy zurück auf die Brust zu legen, doch diese schüttelte den Kopf. >>Ich glaube, sie will mal zum Papa.
zu wollen. D
er hat sie erst ganz kurz im Arm gehabt, vorhin. << Mark lächelte und nahm seine Tochter nur allzu gerne zu sich. Natascha schaute ihm zu, wie liebevoll er die Kleine hielt und erneut wurde ihr warm ums Herz! >>Wie war die Geburt?<< fragte sie schließlich und Peggy seufzte. >>Lang! Zwischendurch habe ich echt gedacht, das geht niemals vorbei. Aber Hanna war super und hat mir sehr gut geholfen. Und jetzt ist das eh alles vergessen. << Sie schaute zu Mark und ihrem Baby und spürte, dass sie alles, wirklich alles für dieses Wesen tun würde! Wenn jemand von ihr verlangen würde, erneut die ganze Nacht in den Wehen zu liegen und erneut stundenlang Schmerzen zu haben, sie würde es ohne mit der Wimper zu zucken tun, wenn es dabei um ihr Kind ginge!
>>Wo ist denn Papa?<< wollte Peggy wissen, Natascha senkte kurz den Blick und knetete ihre Finger. >>Der wollte nicht mitkommen. Er war der Ansicht, dass das vielleicht zu viel für dich, für euch sein könnte. << - >>Verstehe. << erwiderte Peggy und hoffte, dass man ihr die Enttäuschung nicht allzu sehr ansah, aber Natascha kannte ihre Tochter besser. Sie wusste, dass es ihr sehr wohl etwas ausmachte, dass ihr Vater die ersten Stunden im Leben seiner Enkelin nicht miterlebte. >>Aber er wird sicher noch vorbeischauen. << fügte sie daher rasch hinzu und Peggy lächelte. >>Ja, bestimmt. <<


Peggys Mutter blieb den Vormittag über bei ihnen erlebte so auch Emelies kräftiges Schreien mit, als sie Hunger bekam. Auch das, so erzählte sie, war bei Peggy früher nicht anders gewesen. >>Durch und durch deine Tochter.<< hatte sie gesagt und Peggy musste lachen. >>Naja, ich hoffe, dass sie auch ein paar Eigenschaften von Mark hat. <<
Jetzt waren sie alleine und genossen die Zeit mit ihrem Baby. Hanna hatte mittlerweile ein zweites Bett in das großzügige Zimmer geschoben, sodass Mark die Möglichkeit hatte, zu übernachten, die er natürlich dankend annahm.
>>Bist du sicher?<< fragte Peggy. >>Die Kleine wacht bestimmt alle paar Stunde auf. << - >>Eben. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mir das entgehen lasse. Ich freue mich immer, wenn ich unsere Tochter
höre. << - >>Du wirst nochmal sehr froh sein, wenn du sie mal nicht hörst. << war sich Peggy sicher und küsste ihn flüchtig auf den Mund. Dann griff sie nach ihrem Handy, das neben ihr auf dem Nachttisch lag. >>Ich hab Annika noch gar nicht geschrieben. << fiel ihr ein und sie tippte eine kurze SMS. Zum telefonieren war sie zu faul.


*die Welt hat eine neue Prinzessin. gesund und zuckersüß!
bin überglücklich. : )) *

>>Weiß Sascha Bescheid?<< fragte sie, Mark nickte. Er hatte sich auf das Bett gelegt, das neben ihrem stand. Zwischen ihnen stand das kleine Kinderbett.
>>Er kommt morgen vorbei, heute muss er länger arbeiten. Aber er gratuliert uns schon mal ganz herzlich!<< - >>Danke. Er sollte die Ruhe im Haus genießen, solange es noch geht. << grinste Peggy und dachte daran, wie aufregend, spannend und gleichzeitig unruhig die kommenden Monate werden würden. >>Apropos. << Mark richtete sich noch einmal auf. >>Ist es okay für dich, wenn ich kurz nach Hause fahre? Ich würde gerne schnell unter die Dusche springen und ein paar Sachen für heute Nacht holen. << - >>Klar, mach das. Und sei so lieb und bring mir meinen Jogginganzug und ein paar T-Shirts mit. Und das Ladekabel für mein Handy, ganz wichtig!<< - >>Überlebenswichtig. << erwiderte Mark grinsend, erhob sich und zog seine Schuhe an, die er eben achtlos abgestreift hatte. Dann beugte er sich zu Peggy hinunter und küsste sie, bevor seine Lippen vorsichtig Emelies Kopf berührten. >>Bis später. Ich liebe euch. << Peggy spürte, wie ihr warm ums Herz wurde. War mehr Glück überhaupt denkbar?


In den nächsten Tagen erholte sich Peggy rasch von den Strapazen der Geburt. Hanna, alle Schwestern und auch die Ärzte der Station kümmerten sich prächtig um sie und lasen ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Peggy hatte gar nicht gewusst, dass man als junge Mutter so verwöhnt wurde. Beinahe jede Stunde kam jemand zu ihr, um sie nach ihrem Befinden oder etwaigen Wünschen zu fragen, und sie genoss es in vollen Zügen! So oft es ging, hatte sie Emelie bei sich und am liebsten hätte sie sie keine Sekunde mehr hergegeben. Nur bei Mark machte sie eine Ausnahme, denn sie liebte das Bild von ihm und der Kleinen, wie er sie im Zimmer umher trug, mit ihr spielte, oder sie liebevoll versorgte. Nie würde sie sich daran sattsehen können!
Auch jetzt saß er neben ihr auf dem Bett, Emelie in den Armen, und sie plauderten mit Annika, die heute zu Besuch gekommen war. Endlich! Peggy hatte es gar nicht abwarten können, ihr das Baby zu zeigen. Auch wenn sie ein wenig müde war, denn vorhin war Hanna bei ihr gewesen und hatte die Stillberatung mit ihr gemacht, was einerseits wunderschön, aber, wie Peggy feststellen musste, auch ziemlich anstrengend war, denn Emelie hatte schon jetzt einen gesunden Appetit!
Annika war sofort hin und weg von der Kleinen! Minutenlang hatte sie dagestanden und sie einfach nur angesehen. Und auch jetzt hing ihr Blick wie gebannt an ihr. >>Unglaublich! Wie kann ein so kleines Wesen so schön sein?<< - >>Sie ist das schönste Kind in der Klinik!<< war Mark überzeugt und Peggy schüttelte amüsiert den Kopf. >>Das stimmt wirklich! << beharrte Mark. >>Das Schönste und das Süßeste. Ganz die Mama. << Peggy schaute ihn gerührt an und bedankte sich mit einem sanften Kuss. Annika seufzte. >>Schaut euch an! Das perfekte Paar! Und jetzt habt ihr auch noch so einen Schatz bekommen. << Dann schaute sie Mark an und biss sich aufgeregt auf die Lippe, als sie knapp auf das Baby deutete. Einmal! Nur einmal wollte auch sie die Kleine im Arm haben! >>Darf ich mal?<< Mark nickte, wenn auch ein wenig zögerlich und beugte sich vor, um ihr Emelie zu geben. >>Aber pass auf, ja? Das ist das Kostbarste, was Peggy und ich besitzen!<< Vorsichtig nahm Annika sie entgegen und seufzte erneut, dieses Mal vor lauter Rührung über das kleine Wunder. >>Steht dir. << stellte Peggy in dem Moment fest und schaute sie anerkennend an. >>Ja, muss ich auch sagen. << pflichtete Mark ihr grinsend bei und Annika lächelte unsicher. Sie blickte auf Emelie herab, spürte ihr Herz schneller schlagen und sie spürte den innigen Wunsch in sich, selber irgendwann Mutter zu werden. >>Das habt ihr echt gut hinbekommen! Ich würde sie am liebsten nie wieder loslassen. << - >>Also dagegen hätte ich dann doch etwas
einzuwenden. << warf Mark ein und Peggy musste lachen. >>Ja, ich auch! Aber du kannst sie jederzeit besuchen, wenn wir wieder Zuhause sind. << - >>Wann wirst du denn entlassen?<< - >>Ich hoffe, dass es Freitag klappt. Da kommt der Kinderarzt, macht die U2-Untersuchung und wenn dann alles gut ist, dürfen wir gehen. <<



Als am Freitagmorgen der Kinderarzt zur Untersuchung in das Zimmer kam, waren Peggy und Mark ganz kribbelig vor Aufregung, denn beide hofften inständig, dass sie heute endlich nach Hause durften. Dr. Schmidt, ein externer Arzt, der regelmäßig die U2-Untersuchungen vornahm, war zwar nett, aber auch etwas kühl, wie Peggy feststellte. Sie schätze ihn auf Mitte 50, seine Haare waren von unübersehbaren grauen Strähnen durchzogen und die Brille, die er auf der Nase trug, schien jeden Moment herunterfallen
fing sie jedoch mit routinierten Griffen wieder auf. Er wirkte höchst professionell, trotzdem konnte Peggy kaum hinsehen und auch Mark wurde immer wieder leichenblass.
Hanna, die der Untersuchung beiwohnte, bemerkte ihre Reaktionen und grinste. >>Er weiß, was er tut. << versicherte sie den beiden leise, während Dr. Schmidt Emelie ein weiteres Mal herumdrehte und den kleinen Kopf begutachtete. >>Bist du sicher?<< fragte Mark und wippte ungeduldig und nervös auf den Zehenspitzen. Er konnte es überhaupt nicht gut haben, dass jemand anderes, ein Fremder Hand an seiner Tochter anlegte, aber Hanna schaute ihn beruhigend an. >>Ganz sicher. Das sieht vielleicht alles etwas grob aus, aber Dr. Schmidt kennt sich aus. Er tut eurer kleinen Maus nicht weh, versprochen. << Peggy wartete angespannt und mit klopfendem Herzen und sehnte das Ende herbei. Endlich legte Dr. Schmidt sie wieder auf dem weichen und vorgewärmten Handtuch der Wickelkommode ab und nickte. >>Herzlichen Glückwunsch, Ihre Tochter ist kerngesund! Und ganz bezaubernd, nebenbei gesagt. Hanna gibt ihr gleich noch die Vitamin K-Tropfen, reine Routine. Von meiner Seite aus, dürfen Sie dann heute nach Hause. << Sowohl Peggy, als auch Mark atmeten auf und bedankten sich erleichtert.

Emelie selbst schien der ganze Rummel tatsächlich nichts ausgemacht zu haben. Sie hatte alles ruhig und beinahe widerstandlos mit sich geschehen lassen. Nur gegen die Gabe des Vitaminpräparats, das über eine kleine Spritze in den winzigen Mund gegeben wurde, wehrte sie sich mit leisem Quengeln. >>Das hat kein Baby gerne. << lächelte Hanna und verwarf die kleine Plastikspritze anschließend in den Mülleimer. >>So, dann mache ich mal schnell deine Papiere fertig, das dauert nicht lange. Mark, du kannst direkt mitkommen und sie dann abholen. << - >>Super!<< Mark strahlte sie förmlich an und konnte es gar nicht abwarten, bis Peggy und er endlich wieder Zuhause waren und Emelie ihr rosa Mädchen-Zimmer beziehen konnte, das er und Sascha so gewissenhaft fertig gemacht hatten.
Er folgte Hanna, während Peggy die Sachen zusammensuchte und in die große Tasche packte. Einen Augenblick lang hielt sie inne und dachte daran zurück, wie sie vor wenigen Wochen dieselbe Tasche gepackt hatte. Damit alles bereit sein würde, für den Moment, an dem es losgehen und sie zur Geburt ins Krankenhaus fahren würde. Und irgendwie fasste sie es gerade nicht, dass am Ende alles doch so schnell gegangen war.
Vorsichtig nahm sie schließlich die Baby-Tragetasche an sich und prüfte noch einmal, ob Emelie auch gut zugedeckt war. Diese schlief tief und fest und würde ihren ersten Ausflug nach draußen gar nicht mitbekommen.
Peggy schaute sich noch einmal im Zimmer um, bevor sie die Tür zuzog und auf den Stationsflur hinaus trat. An den Wänden hingen Bilderrahmen mit vielen Fotocollagen der Babys, die hier das Licht der Welt erblickt hatten. Auch sie und Mark hatten Emelie fotografieren lassen, damit sich bald auch ihre Tochter in die Vielzahl der Bilder einreihen konnte. Mark wartete bereits vor dem Stationszimmer auf sie und unterhielt sich mit Hanna. Sofort nahm Mark ihr die Reisetasche aus der Hand. >>Du sollst noch nicht so schwer heben!<< sagte er eindringlich und Peggy nickte amüsiert. Auch Hanna lächelte. >>Na, da passt aber jemand auf. << - >>Muss ich ja auch. << erwiderte Mark zwinkernd und gab Peggy einen Kuss. Dann zog er Hanna in eine knappe Umarmung. >>Danke für alles, Hanna! Du warst echt
spitze. << - >>Nichts zu danken. << antwortete diese ein wenig überrascht und auch Peggy drückte sie an sich. >>Vielen Dank. Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. << Sie schluckte und kämpfte gegen die Tränen an. Es stimmte, Hanna war als Hebamme einfach wunderbar gewesen.

>>Gern geschehen! Viel Glück euch beiden. Und wenn etwas sein sollte, meine Nummer habt ihr ja. << sagte Hanna und warf einen liebevollen Blick auf Emelie. >>Mach’s gut, Prinzessin. Du bist mir echt ans Herz gewachsen. << - >>Komm uns mal besuchen. << schlug Peggy vor und Hanna nickte. >>Gerne!<<
Schließlich wandten sie und Mark sich zum gehen und verließen die Station. Überglücklich schauten sie auf ihr kleines Wunder, während sie auf den Fahrstuhl warteten. >>Jetzt geht’s nach Hause, meine Süße. << flüsterte Peggy und strich über die kleinen rosigen Wangen. Mark gab Peggy einen innigen Kuss auf den Mund. >>Danke Peggy!<< Sie sah ihn überrascht an. >>Wofür denn?<< - >>Für Emelie! Danke, dass du mir diesen Schatz geschenkt hast!<<