Die Nachhilfestunde 90: Abstand

Die Kopfschmerzen, mit denen Mark am nächsten Morgen erwachte zeugten von einer langen Nacht. Müde lag er noch einige Augenblicke da und versuchte, den gestrigen Tag zu rekapitulieren. Der Streit mit Peggy war nach wie vor präsent. Wieso gerieten sie in der letzten Zeit so oft aneinander? War es wirklich so schwer, Kompromisse zu finden, oder die Position des anderen zu verstehen? Er sah neben sich, Peggys Bettseite war leer und schien fast unberührt. Aber sie war doch gestern Abend hier gewesen, oder? Hatte sie ihm nicht noch das Hemd ausgezogen? Oder war er das selbst? Mark fuhr sich durch das Gesicht und richtete sich auf. Er tastete nach der Wasserflasche, die neben dem Bett stand und seufzte enttäuscht: leer! Natürlich!
Langsam schlurfte er aus dem Schlafzimmer Richtung Küche und war beinah erleichtert, als er Peggy erblickte. Sie war hier! Ein wenig blass zwar und wohl auch müde, aber sie war da! Sie saß noch im Nachtzeug und mit den Plüschpantoffeln an den Füßen da und schaute nur kurz auf, als er den Raum betrat, dann löffelte sie weiter ihr Müsli. Anscheinend hatte sie keine große Lust zu reden, denn sie wirkte ziemlich verschlossen. Mark setzte sich und atmete tief durch. >>Gut geschlafen?<< fragte er und bildete sich ein, die Blässe auf ihren Wangen würde noch einmal zunehmen. >>Geht so. << antwortete sie. >>Und du?<< - >>Ganz gut, glaube ich. <<
Er beugte sich vor und versuchte, ihr ins Gesicht zu sehen. Sie sah wirklich nicht gut aus. >>Hast du geweint?<<
Beim Klang seiner erschrockenen, beinah besorgten Stimme blieb Peggy die Luft weg. Seitdem sie die verräterischen Spuren gestern Nacht entdeckt hatte, war es ohnehin schwer zu atmen. Ja, sie hatte geweint. Und deswegen auch ziemlich bescheiden geschlafen, aber das wollte sie ihm nicht direkt auf die Nase binden. >>Wie war’s gestern mit Sascha?<< lenkte sie schnell ab und es klappte. Mark lehnte sich zurück und versuchte, sich zu erinnern. Allzu viel wusste er nicht mehr, da würde Sascha sicher mehr erzählen können, denn er war bei zwei Bier geblieben, im Gegensatz zu ihm!
>>War okay. Auf jeden Fall ein langer Abend!<< - >>Und wo ward ihr?<< - >>Überall und nirgends. Am Schluss in einem recht drittklassigen Club. << Peggy musste sich zusammenreißen, um nicht ihr gesamtes Frühstück wieder hochzuholen! Sie konnte sich bildhaft vorstellen, was das für ein Club war und auch was für Damen dort ihr Parfum und ihren Lippenstift auf die Oberhemden vergebener Männer verteilten! Mark hingegen schien sich an keine Details erinnern zu können, oder zu wollen. Aber sie durfte nicht weiter darüber nachdenken!
>>Hast du kein Praktikum heute?<< fragte Mark in die Stille hinein. >>Am Nachmittag erst. << antwortete sie matt. >>Aber du solltest dich ranhalten, um pünktlich zu sein. <<
Mark sah auf die Uhr, es war viertel vor 8. Mist! Hektisch stand er auf und lief aus der Küche, kam jedoch nach wenigen Sekunden noch einmal zurück. >>Lass uns reden. Heute Abend, ja? << - >>Ja, das sollten wir wohl. << Peggys tiefer trauriger Blick ging ihm mitten ins Herz! Offenbar hatte sie die Auseinandersetzung mehr mitgenommen als gedacht. Es fiel ihm schwer, sie zurückzulassen, andererseits waren die Unstimmigkeiten zwischen ihnen nach wie vor nicht gelöst ... und außerdem musste er wirklich los!
Peggy hörte wenig später die Tür ins Schloss fallen und atmete tief durch. Sie schob ihre Schale mit dem kaum angerührten Müsli von sich, dann legte sie die Hände vor dem Mund zusammen und starrte blind vor sich hin. Hatte Mark sie wirklich mit irgendeinem billigen Flittchen in irgendeiner billigen Bar betrogen? Und das in ihrer Verlobung? Die Vorstellung war so absurd und die Zeichen gleichzeitig so eindeutig! Das durfte alles nicht wahr sein! Wie sollte sie jemals die Wahrheit herausfinden? Da kam ihr plötzlich eine Idee. Sie wusste, wie sie mehr herausbekommen könnte. Mark war schließlich nicht alleine unterwegs gewesen.

 

Genüsslich streckte Annika sich in ihrem Bett aus und warf einen liebevollen Blick auf den schlafenden Sascha neben sich. Er hatte sie gestern Abend unerwartet aufgesucht und war geblieben! Die ganze Nacht. Eine ganze wunderbare, leidenschaftliche Nacht lang! Annika streichelte ihm vorsichtig über den Rücken, doch er schlief so fest, dass er keine Notiz davon nahm. Vielleicht sollte sie sich auch einfach nochmal an ihn kuscheln und die Augen zumachen. Immerhin hatte sie heute ihren freien Tag und somit alle Zeit der Welt. Oder aber, sie könnte ein richtig schönes Frühstück zaubern. Mit Brötchen, Spiegeleiern, Pancakes… wo war denn der Zettel mit ihrem Lieblings-Pancakerezept? Als ihr über diese Überlegungen schon fast wieder die Augen zugefallen waren, vernahm sie Saschas Handyklingeln und sah sich um. Das kam vom Boden, oder? Mühsam rappelte sie sich auf und angelte sein Handy aus der Hosentasche seiner Jeans, die vor dem Bett lag. Sie wollte es eigentlich klingeln lassen, doch als sie Peggys Nummer sah, entschied sie sich anders.
>>Hallo?<< meldete sie sich verschlafen und zuckte ein wenig zusammen, als ihr Peggys aufgeregt laute Stimme entgegen schallte.
>>Annika, bist du das? Wo ist Sascha? Ich muss ihn dringend sprechen. << - >>Sascha liegt neben mir und schläft. << erklärte Annika leise und schlich sich aus dem Zimmer, um ihn nicht zu wecken. >>Was ist denn los?<< - >>Nichts…<< Ihre Stimme brach und Annika hörte ihr leises Schluchzen. Sie ließ nicht locker. >>Peggy, was ist passiert?<< - >>Mark hat mich betrogen!<<
Es war, als würde ein Blitz durch sie hindurchfahren, als würde die Welt zusammenstürzen, sich der Boden auftun und sie mitreißen! Annika blieb wie vom Donner gerührt mitten in ihrer Wohnung stehen. Sie musste sich verhört haben. >>Was hast du gesagt?<< - >>Ich kann darüber jetzt nicht reden. Wenn Sascha aufwacht, dann sag ihm, dass er mich unbedingt anrufen soll!<< - >>Warte Mal. Was meinst du damit, dass Mark…?<< Doch da war die Leitung schon tot und Annika starrte fassungslos auf das Display. Mark hatte Peggy betrogen? Nein! Niemals! Nie! Nicht in eintausend einhundert Jahren! Wie kam Peggy nur auf so etwas? Und was hatte Sascha mit der Sache zutun?
Annika wurde heiß. Er war doch mit Mark zusammen gewesen. Vielleicht hatte es die beiden in irgendeinen Club verschlagen. Vielleicht war Mark betrunken gewesen und er hatte auch Sascha zu irgendwelchen Dummheiten angestiftet. Sie schluckte. Was, wenn da doch etwas dran und Peggy nicht die Einzige war? Sie blickte ihr Spiegelbild an, dessen ängstliche Augen zu ihr zurückschauten. Doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie durfte sich nicht verrückt machen und sich nicht von Peggys Hirngespinsten anstecken lassen. Es gab ganz sicher für alles eine plausible Erklärung. Aber nun war es höchste Zeit, Sascha aufzuwecken!
Sie ging ins Schlafzimmer zurück, in dem Sascha bereits erwacht dalag und einladend die Arme nach ihr ausstreckte. >>Ich dachte schon, du wärst getürmt. << - >>Aus meiner eigenen Wohnung? Vergiss es. << lächelte Annika und legte sich zu ihm, das Handy noch in der Hand, wie Sascha bemerkte und stutzig wurde. >>Was willst du denn damit?<< - >>Peggy hat mich gerade angerufen. Oder vielmehr dich. Und sie wollte dich ganz dringend sprechen. << Annika richtete sich wieder ein Stück auf und sah Sascha prüfend an. >>Ich glaube, es geht um Mark. Und um gestern Abend. << Saschas Augen wurden dunkel und er setzte sich ebenfalls im Bett auf. Gestern Abend, gestern Nacht …
>>Peggy hat ganz komische Sachen erzählt. << fuhr sie fort. >>Und sie glaubt, dass Mark sie … ich kann das nicht mal aussprechen! Sascha, was war das
los? << Doch Sascha blickte nur mit betretenem Gesicht zu ihr zurück. Ein Ausdruck, der Annika die Schweißperlen auf die Stirn trieb! Langsam schüttelte sie den Kopf, in dem sich vor lauter Furcht vor dem, was noch kommen würde schon alles drehte!

 

Unterdessen wartete Peggy zuhause beinah sehnsüchtig auf eine erlösende Nachricht von Sascha! Sie konnte nur hoffen, dass Annika die Dringlichkeit ihres Anliegens bewusst geworden war. Nicht umsonst hatte sie das ausgesprochen, was so unendlich schmerzhaft über ihre Lippen gekommen war … und nun saß sie hier und fand keine Ruhe! Auch ihrem Praktikum hatte sie für heute abgesagt. Sie fühlte sich einfach so furchtbar, dass sie es vor Dr. Timmermann nicht würde überspielen können! Die einzige Ablenkung war das Abholen von Emelie gewesen, die nun vergnügt durch das Wohnzimmer tapste und vor sich hin brabbelte. Ihr Anblick entlockte Peggy ein dünnes Lächeln. Dieses kleine arglose Geschöpf! So sorgenfrei und unbeschwert würde sie auch gerne nochmal sein!
Für Emelie war die Welt noch ein einziges buntes Abenteuer, ohne Sorgen, ohne Probleme! Gerade so, wie sich eine Kindheit anfühlen sollte! Sie hatte keine Ahnung von Leid, oder Schmerz. Enttäuschungen und endlose Gedanken waren ihr fremd. Beneidenswert! Aber früher oder später würde auch sie diese Erfahrungen machen müssen und es brach Peggy schon jetzt das Herz. Doch das war nun mal das Leben!
>>Wann kommt Papa?<< fragte Emelie in ihrer quietischig-mädchenhaften Stimme. Mark behauptete manchmal, sie würde sich anhören wie Minnie Maus … Peggy schluckte und versuchte, sich ihre trübe Stimmung vor ihrer Tochter nicht anmerken zu lassen. >>In ein paar Stunden. << - >>Und was machen wir dann?<< - >>Ich weiß nicht. Was möchtest du denn machen?<< - >>Spielen! Im Garten! << Emelie deutete auf die Fenster, hinter denen ein leicht blauer Himmel zu erkennen war. Dann robbte sie dicht an sie heran und sah mit großen Kulleraugen von unten zu ihr hinauf >>Bist du traurig, Mama?<< 
Peggy spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog! Wie hatte sie nur denken können, ihre Emotionalität vor diesem Sensibelchen verbergen zu können! Zärtlich hob sie ihre Tochter auf den Schoß und kämpfte mit den Tränen. >>Nein, alles gut. Ich bin nur ein bisschen durcheinander. << - >>Was ist das, durcheinander?<< Peggy schniefte und musste trotz allem ein wenig lachen, während sie nach einer passenden und kindgerechten Erklärung suchte.
>>So wie dein Zimmer manchmal aussieht. Wenn nichts da ist, wo es sein soll und man in einem riesigen Chaos steht und keine Ahnung hat, wie das je wieder gut werden soll. << Sie schluckte abermals, als sie sich ihre eigenen Worte selbst noch einmal bewusst machte. Ja, das beschrieb ihren momentanen Zustand leider sehr gut. Nichts war so, wie es sein sollte, alles war durcheinandergeraten. Und ob und wann und wie sich das alles wieder klären würde, wusste sie nicht. Emelie nickte ein wenig, den Vergleich mit ihrem Kinderzimmer hatte sie wohl begriffen.
>>Soll ich aufräumen helfen?<< fragte sie ganz unbefangen und nun kullerte doch eine Träne über Peggys Wange. Wenn aufräumen so einfach wäre! >>Nein. << erwiderte sie. >>Das muss ich alleine machen. <<
Da klingelte endlich ihr Handy! Sascha! So behutsam wie möglich setzte Peggy Emelie wieder auf dem Boden ab und riss das Handy an sich. Sie musste sich konzentrieren, auf jedes einzelne Wort, was nun folgen würde.
>>Peggy, hi. Du wolltest mich sprechen?<< - >>Ja, allerdings. << erwiderte Peggy mit dünner Stimme. >>Gestern Abend … was ist da passiert? Hat Mark irgendwas gemacht, was…  << Saschas tiefes Seufzen ließ sie einer Ohnmacht nahe werden! >>Ich finde, das muss er dir selber sagen. << - >>Was soll das heißen?<< rief sie. >>Hat er, oder hat er nicht?<< - >>Nein, hat er nicht…<< - >>Aber?<< Peggy wurde beinah rasend vor Ungeduld! Wieso machte Sascha so ein Geheimnis daraus? Wollte er sie schützen? Oder wollte er Mark nicht reinreißen? Auf welche Seite stand er eigentlich? Oder hing er selber mit drin und war im Grunde keinen Deut besser? >>Frag ihn, okay?<< bat er eindringlich. >>Aber bitte beruhig dich. Es ist wirklich nichts schlimmes passiert. <<
Peggy schloss die Augen. Nichts schlimmes? Also war etwas passiert?! Oder nicht? Sie war kein bisschen schlauer geworden, im Gegenteil! Der Wirbelsturm in ihr war nur noch größer geworden. Es war kaum auszuhalten.
Resigniert warf sie wenig später das Handy auf die Couch und ließ sich erschöpft daneben auf den Boden sinken. Sie zog die Knie an ihren Körper heran, um sich gegen das eiskalte Gefühl in ihr zu wappnen. Emelie war zum Glück inzwischen in ihrem Zimmer verschwunden, denn nun konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie weinte. Lautlos. Und allein.

 

Mark hatte den Schultag einigermaßen glimpflich überstanden. Heute Morgen war er noch rechtzeitig gekommen, hatte Glück, dass seine Klasse für ihre Verhältnisse friedlich war und auch, dass er schon um 14 Uhr Feierabend hatte. Er wollte schnellstens nach Hause und mit Peggy sprechen, denn mehr und mehr beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Er war sich nicht mehr sicher, ob ihre melancholische Stimmung von vorhin nur an ihrem Disput lag, oder ob da nicht doch noch etwas anderes hinter steckte. Das musste geklärt werden, dringend! Während er sich auf den Weg zum Parkplatz machte, versuchte er nun schon zum wiederholten Male, sie anzurufen, doch sie war nicht zu erreichen. Wieso auch immer. Leise fluchend stieg er in sein Auto und startete schon den Motor, als er eine Nachricht von Sascha bekam. Doch die konnte warten! Auf dem schnellsten Wege fuhr er nach Hause, überquerte fast zweimal eine rote Ampel und ärgerte sich über die, seiner Ansicht nach viel zu langsam fahrenden Autos vor ihm. Es war wie immer: wenn man es wirklich eilig hatte, schien sich alles andere gegen einen zu verschwören! Endlich war er angekommen und betrat schnellen Schrittes die Wohnung. Er rief nach Peggy, bekam aber keine Antwort. Nur Emelie kam ihm freudestrahlend entgegen gelaufen! Mark lächelte. Der bislang einzige Lichtblick des Tages!
>>Wo ist Mama?<< fragte er nach einer ausgiebigen Begrüßung. Emelie deutete mit dem Kopf Richtung Wohnzimmer. >>Da. Mit Sasa. << Sascha. Dieser Name machte ihr nach wie vor noch Schwierigkeiten. Ein wenig zögerlich betrat Mark also das Wohnzimmer. Dort fand er Peggy in Tränen aufgelöst und neben ihr Sascha, der hilflos zu ihm aufsah und gleichzeitig sehr erleichtert schien, dass er da war.
>>Was ist denn hier los?<< fragte Mark bestürzt, Peggy sprang auf und sah ihn an. >>Das fragst du noch?<< flüsterte sie. >>Ernsthaft? Wie weh willst du mir denn noch tun?<< - >>Peggy, bitte! Ich hab dir doch erklärt, was passiert ist. << versuchte Sascha sie zu beruhigen, doch daran war nicht zu denken. Mark sah irritiert zwischen den beiden hin und her, er hatte keine Ahnung, was er erwidern sollte. Da zog Peggy plötzlich ein Hemd hervor. Sein Hemd. Das Hemd, das er gestern getragen hatte. Sie hielt es eine Armeslänge von sich gestreckt, in einer bestimmten Position, sodass Mark die Lippenstiftspuren überhaupt nicht übersehen konnte! Zitternd schloss er die Augen, als ihm plötzlich wieder alles gewahr wurde! Darum ging es also! Das war die Sache, um die sich das ganze Drama drehte! Scheiße!
>>Wer war sie?<< fragte Peggy mit nun eigenartig gefasster Stimme. >>Mit wem hast du mich betrogen?<< Mark starrte sie an. >>Ich hab dich nicht betrogen,
Peggy! << Doch Peggy sah ihn nur mit diesem verletzten und abgrundtief traurigem Blick an und wich einen Schritt zurück. Nicht mal jetzt hatte er den Mut, es zuzugeben. Hilfesuchend sah Mark zu Sascha, der stand betreten da und wusste nicht, ob seine Anwesenheit in dieser Situation überhaupt richtig war. >>Ich hab ihr schon gesagt, dass sie ich irrt. << - >>Weil du deinen eigenen Arsch retten und Annika genauso belügen willst!<< schleuderte Peggy ihm entgegen. Für sie war die Sache klar! Mark und Sascha deckten sich gegenseitig und hatten anscheinend keinerlei Skrupel, ihre Masche durchzuziehen. Sie schüttelte fassungslos den Kopf, das war alles zu viel! Aufgelöst wollte sie aus dem Zimmer stürmen, doch Mark hielt sie auf, hielt sie fest, er konnte sie nicht gehen lassen. Nicht jetzt, nicht so! Peggy wehrte sich gegen seinen Griff, aber er war stärker.
>>Peggy, beruhig dich! Sieh mich an!<< beschwor er sie und es klappte: Peggys Augen blieben an seinen hängen, ihre Lippen zitterten. Sie sah schrecklich aus! Mark mochte sich gar nicht vorstellen, was gerade in ihr vorging. >>Ich habe dich nicht betrogen!<< wiederholte er so ruhig wie möglich. >>Das ist die Wahrheit! << Peggy sagte nichts, in ihrem Kopf drehte sich alles und ihr Magen rebellierte! Sie spürte, wie sich Marks Hände an ihren Armen langsam lockerten und sie blieb vor ihm stehen. Das sollte die Wahrheit sein? Und was war mit dem Hemd? Dem Parfum, dem Lippenstift und Saschas kryptischen Andeutungen? >>Ich erzähl dir, was passiert ist. << sagte Sascha vorsichtig. >>Aber du musst ruhig bleiben und uns glauben. << Peggy sah ihn an. Ratlos. Kraftlos. Hatte sie eine Wahl? Langsam ließ sie sich auf das Sofa sinken.
>>Okay. << lenkte sie ein und sah Mark an. >>Aber ich will es von dir hören.<<  Und mit zögernder Stimme begann Mark zu erzählen: dass Sascha und er gestern um die Häuser gezogen waren. Dass er ziemlich sauer gewesen war und er den Streit mit ihr einfach vergessen wollte. Sie hatten die Bistros und Bars abgeklappert und waren spät am Abend in einem Club am Rande der Innenstadt gelandet, der erst vor wenigen Wochen eröffnet worden war. >>War das ein Bordell?<< fragte Peggy geradeheraus, doch sowohl Mark, als auch Sascha sahen sie beinah erschrocken an. >>Nein! Wie kommst du darauf?<< - >>So billig wie dein Hemd riecht und so nuttenrot, wie die Farbspur aussieht, kann man schon mal an so etwas denken. << erklärte Peggy bitter. Mark senkte den Kopf. Ja, der schwierigste Teil stand ihm noch bevor. >>Wir haben da zwei Frau kennengelernt. << übernahm Sascha den Anfang. >>Ja, wir haben was zusammen getrunken und ja, wir haben vielleicht etwas mehr mit denen geplaudert, als wir hätten sollen. << Peggy wurde speiübel! Auch noch zwei! Also war Sascha doch kein Unschuldslamm … arme Annika!
>>Es war eindeutig, dass die an mir überhaupt kein Interesse hatten. << fuhr Sascha fort. >>Die waren scharf auf
Mark. << Er sah ihn vorsichtig an, wollte ihm nicht vorgreifen, wusste aber auch nicht, ob Mark sich überhaupt überwinden konnte, weiterzuerzählen. Doch er tat es.
>>Die beiden haben sich an mich rangeschmissen. Daher das Parfum und der Lippenstiftrest. << sagte er und sah Peggys Augen glänzen. Er konnte sich vorstellen, wie weh ihr das gerade tat, aber es musste sein, um ihr die ganze Wahrheit glaubhaft zu machen. >>Ich hab nichts mit ihnen gehabt! Die waren ziemlich penetrant, aber ich schwöre dir, dass nichts passiert ist!<< - >>Als wir gemerkt haben, dass die immer aufdringlicher wurden sind wir gegangen!<< beteuerte auch Sascha. >>Mehr war da nicht!<<
Stille. Schweigen. Minutenlang! Minuten, die sich für alle anfühlten, wie Stunden oder Jahre. Peggy hatte ängstlich, aber so gefasst wie möglich zugehört und sich gezwungen, alle Gefühlsregungen in sich zu unterdrücken. >>Ich hab Mark Zuhause abgesetzt und bin weitergefahren. Zu Annika. << beendete Sascha den Bericht. >>Den Rest kennst du. << -
>>Und wieso hast du mir das nicht erzählt?<< fragte Peggy an Mark gewandt. >>Ich meine, wenn ich dein Hemd nicht gesehen hätte, hätte ich all das wohl nie erfahren. << - >>Heute Morgen wusste ich selber kaum noch was von alldem. << gestand Mark. >>Aber im Laufe des Tages wurde mir klar, dass dich irgendwas wegen gestern Abend beschäftigt. Und als du mir eben dieses verfluchte Hemd präsentiert hast, war alles wieder da!<<
Peggy blickte schweigend zu ihm zurück und fühlte sich leerer denn je! Was sollte sie jetzt sagen, oder tun? Wem sollte sie glauben, oder nicht glauben? War das alles wirklich nur ein Missverständnis gewesen? Hatte sie in ihrer Angst mehr hineininterpretiert, als es letztendlich gab? Sascha stand leise auf und wandte sich zum Gehen. >>Ich lasse euch mal
allein. << murmelte er und weder Mark noch Peggy hielten ihn zurück.
Langsam setzte sich Mark neben sie auf das Sofa. >>Wie kannst du sowas von mir denken?<< flüsterte er, als sie unter sich waren, Peggy hob den Blick. Machte er ihr jetzt auch noch Vorwürfe?
>>Die Anzeichen waren leider mehr als deutlich. << erwiderte sie. >>Und dass du dich mit irgendwelchen Girls volllaufen lässt, anstatt her zu kommen und mit mir zu reden ist auch nicht gerade eine Glanzleistung!<< Mark schluckte, da hatte sie recht! Dem hatte er tatsächlich nichts entgegenzusetzen! Es wäre wirklich klüger gewesen, früher nach Hause zu kommen. Vielleicht hätten sie dann noch mehr retten können. Trotzdem war er froh, dass die Karten jetzt auf dem Tisch lagen. Die Frage war nur, was sie daraus machten. 
>>Und jetzt?<< fragte er, Peggy zuckte die Schultern. >>Nichts und jetzt. Ich kann nicht mehr. Für heute reicht’s!<< erwiderte sie schwach und es stimmte. Sie spürte wie müde und ermattet sie von alldem war! Die letzten Stunden hatten sie wahrlich Nerven gekostet. Er versuchte vorsichtig ihre Hand zu berühren, doch Peggy zog sie zurück.
>>Ich kann das nicht. Ich kann nicht einfach so weitermachen. << - >>Was soll das heißen?<< Mark sah sie alarmiert an, das klang gar nicht gut! Wieso sagte sie das? Was meinte sie damit? Peggy seufzte und rieb sich die Stirn, hinter der sich schon bedrohlich pochende Kopfschmerzen bemerkbar machten. Doch diesen letzten Kraftakt musste sie noch schaffen. >>Wieso betrinkst du dich mit wildfremden Frauen? Und wieso traue ich dir zu, dass du vor unserer Hochzeit mit einer anderen schläfst? Wieso streiten wir uns so oft? Was passiert da zwischen uns?<<  Ihre Stimme war leise und doch eindringlich genug, dass Mark sie ganz genau hörte, aber dennoch nicht verstand, was sie sagen wollte. Und er wusste auch keine Antwort auf all diese Fragen.
>>Ich glaube, wir sollten einfach mal nachdenken. << sagte sie. >>Jeder für sich. Ohne den anderen. << - >>Nein!<< entgegnete Mark sofort. >>Ich liebe dich, Peggy! Ich muss und will darüber nicht nachdenken. << - >>Aber vielleicht hilft es. << - >>Wobei?<< Doch Peggy zuckte nur unsicher die Schultern. Wobei, das wusste sie selbst nicht. Aber sie spürte, dass sie Abstand brauchte, auch wenn es wehtun würde.