Die Nachhilfestunde 92: cold as ice

Die Morgendämmerung kündigte bereits den nächsten Tag an, als Peggy sich leise angezogen und die restlichen Utensilien in ihrer Tasche verstaut hatte. Nun stand sie in der Küche und trank den letzten Schluck ihres Kaffees im Stehen. Es war kurz nach 6, sie und Natascha wollten sich in einer Stunde am Flughafen treffen, um genug Zeit zu haben und alle Check In Schritte in Ruhe durchlaufen zu können. Sie stellte ihre Tasse in die Spüle und warf einen letzten Blick in das Kinderzimmer. Emelie schlief mit offenem Mund, ihr Stofftier fest umklammert. Die Augenlider flogen hin und her, sicher träumte sie gerade ein aufregendes Abendteuer! Peggy sah sie wehmütig an, hauchte ihr einen Kuss zu und riss sich dann los. Niemals hätte sie gedacht, dass es ihr so schwerfallen würde, sie zurückzulassen!
Leise schloss sie die Tür und erschrak, als sie sich umdrehte. Mark stand im Flur und sah sie mit ausdruckloser Mine an. >>Ich dachte, du schläfst noch. << murmelte Peggy. Das hatte sie jedenfalls gehofft, um einen allzu schmerzlichen Abschied zu vermeiden.
Mark schüttelte den Kopf. >>Ich bin hellwach. Schon seit Stunden. << - >>Ich hab auch nicht so gut geschlafen. << gestand Peggy und schlüpfte in ihre Schuhe. >>Wolltest du dich einfach davon schleichen?<< hörte sie ihn fragen, doch sie biss die Zähne zusammen und ging nicht darauf ein. Stattdessen versuchte sie mit aller Macht, Marks Blick zu ignorieren, den sie auf ihrer Haut spüren konnte wie einen brennenden Pfeil und dem es fast unmöglich war, auszuweichen! Sie griff nach ihrer Jacke und der Reisetasche, die neben ihr auf dem Boden stand. Dann hob sie erneut die Augen und sah Mark an. Ihre Blicke trafen sich, bohrten sich ineinander und jeder wartete auf ein Wort des anderen. >>Meldest du dich?<< bat Mark nach einer gefühlten Ewigkeit und Peggy nickte. >>Wenn ich gelandet bin, ja. << Erneutes Anstarren, erneutes Schweigen. Es war unerträglich! Peggy spürte ihr Herz rasen, spürte wie sich ihr Magen zusammenzog und ihre Beine bleischwer wurden! Sie musste los. Sie musste gehen, jetzt! Langsam ging sie an Mark vorbei, trat auf die Tür zu, als sie plötzlich eine Hand auf ihrem Arm spürte. Seine Hand, die sie festhielt und aufhielt. Es war eine winzige Berührung, aber sie brannte wie Feuer. Peggy drehte sich zu ihm und sah ihn an. Wie in Zeitlupe schüttelte er den Kopf.
>>Geh nicht!<< flüsterte er inständig, als hinge sein Leben davon ab. Peggy blickte auf seine Hand, die nach wie vor auf ihrem Arm lag, und dann zurück in sein Gesicht. Sie schloss die Augen, sein flehender Blick ging ihr durch und durch.
>>Mark, bitte…<< hauchte sie in der Hoffnung, er würde sie loslassen. Doch das geschah nicht. Stattdessen trat er noch näher an sie heran und streichelte über ihre Wange. Jeden Moment würde ihr Herz in tausend Teile springen, da war Peggy sich sicher! Es war gefühlte Ewigkeiten her, seitdem er sie zuletzt so zärtlich berührt hatte.
>>Ich kann dich nicht einfach so weg lassen. << hörte sie ihn sagen, dann hob er vorsichtig ihr Kinn an und im nächsten Moment spürte sie schon seine Lippen auf ihrem Mund, die sie so sanft küssten, als würden sie sich gerade zum ersten Mal begegnen! Peggy hörte ihr Handy in ihrer Tasche vibrieren. Sicher ihre Mutter, die schon auf ihre Ankunft wartete. Es wurde Zeit zu gehen, das wusste sie. Doch Kopf und Herz lieferten sich gerade einen erbitterten Kampf, dessen Ausgang völlig ungewiss schien.

 

Den Blick verklärt, die Hände ineinander verschlungen lagen sie da und schauten einander an. Mark spürte Peggys kalte Füße, die sich unter seine Beine schoben und musste lächeln. Das tat sie immer! Und irgendwie war es wohltuend, diese Normalität zu merken. Sie war hier, bei ihm. Sie war tatsächlich geblieben! Und alle Anspannung und alle Emotionen hatten sich in der letzten Stunde entladen. Es war unfassbar schön gewesen!
>>Eigentlich sollte ich jetzt im Flieger sitzen. << sagte Peggy leise, die Augen noch immer tief in seinen versunken. Langsam strich Mark ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
>>Du bist hier. << erwiderte er, sie nickte. >>Bereust du es?<< Peggy atmete tief durch. Der Sturm in ihr war endlich zum Erliegen gekommen. Endlich, seit Tagen spürte sie wieder so etwas wie Ruhe in sich, das Getrieben sein war verschwunden.
>>Nein. << sagte sie wahrheitsgemäß. Nein, sie bereute es nicht. Es war richtig gewesen, zu bleiben.
>>Denkst du, zwischen uns geht wirklich etwas kaputt?<< fragte Mark plötzlich und Peggy blinzelte unsicher. Momentan war sie noch so berauscht von ihren Gefühlen, dass es schwer war, in sich hineinzuhören. >>Ich weiß es nicht. << antwortete sie und konnte sehen, wie Mark sich anspannte. Das war offenbar nicht das, was er hatte hören wollen, aber es war die Wahrheit. Er wandte sich ein wenig von ihr ab und richtete seinen Blick zur Decke. >>Ich muss dich was fragen. << sagte Mark nach einer Weile und drehte seinen Kopf wieder zu ihr. >>Und du musst wirklich ehrlich antworten. << Peggy schluckte und wartete ein wenig ängstlich ab, was nun folgen würde. >>Willst du mich überhaupt noch heiraten?<<
Sie riss die Augen auf, als der Sturm in ihr augenblicklich wieder ausbrach! Sie hatte mit vielem gerechnet, aber damit nicht, und es brachte sie vollkommen aus dem Konzept.
Mark erwiderte ihren Blick mit scheinbarer Ruhe und wartete auf ihre Antwort. Ein wenig hilflos sah Peggy ihn an und suchte nach den richtigen Worten, die ihm irgendwie begreiflich machen konnten, was in ihr vorging. Da erschien plötzlich ein kleiner Schatten im Türrahmen und eine verschlafen blinzelnde Emelie stand vor ihnen. Die Haare wirr, ihren kleinen Plüschaffen fest in der linken Hand und barfuß tapste sie heran und zog sich am Bett hoch. Wie selbstverständlich kletterte sie hinein und vergrub sich unter der für sie viel zu großen Bettdecke. Peggy konnte nicht anders, sie musste automatisch grinsen und auch Mark erging es nicht anders. Wie so oft hatte die Kleine eine sehr angespannte Situation einfach so in Luft aufgelöst! Liebevoll schaute Peggy auf ihre Tochter herab, die schon wieder eingeschlafen zu sein schien, und dann zurück zu Mark. Sie legten sie sich wieder hin, betrachteten ihr schlafendes Bündel und wussten beide, dass es doch im Grunde nur das war, was sie wollten!

 

 

 

Wenige Stunden später saßen Peggy und Mark am Frühstückstisch. Emelie schlief weiterhin tief und fest und da es Wochenende war und keine alltäglichen Verpflichtungen warteten, durfte sie das auch getrost tun. Sie plauderten ein wenig. Ein klassischer Smaltalk und wussten dabei beide, dass sie um das unvermeidbare Thema herumschlichen, wie ein Kind um den Weihnachtsbaum. Aber irgendwie schien keiner von ihnen Kraft dafür aufbringen zu können, jedenfalls nicht in dem Moment. Auch wenn es so wichtig war!
>>Hast du heute was vor?<< fragte Mark, Peggy schüttelte den Kopf. >>Eigentlich wäre ich ja gar nicht hier. << antwortete sie und sah wie er den Blick senkte. Die Tatsache, dass sie vorhin wirklich um ein Haar gegangen wäre schien ihm noch immer mächtig zuzusetzen.
>>Was ist mit dir?<< griff sie die Frage auf. >>Hast du Pläne?<< - >>Nicht wirklich. << Mark stand auf und räumte sein Geschirr in die Spülmaschine. Peggy schluckte und schloss für einen Moment die Augen. Es half nichts, sie mussten noch einmal über alles sprechen! Gerade als sie Luft geholt hatte, klingelte es an der Haustür und sie sah ihn irritiert an. >>Erwartest du jemanden?<< - >>Nein. Du?<< Er verließ die Küche und Peggy sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Diese seltsame angespannte Stimmung war nach wie vor da, und solange sie sich nicht ausgesprochen hatten, würde das wohl auch so bleiben. Sie umklammerte ihre Tasse und nippte langsam an dem Kaffee, während sie eine fremdartig klingende Stimme aus dem Flur vernahm und dann Mark, der auch anders klang, als sonst. Peggy seufzte. Zurzeit war wohl nichts mehr normal!
In diesem Moment betrat eine Frau die Küche und sah sich mit einem schmallippigen Lächeln um.
>>Hübsch. Sehr hübsch! Wenn auch etwas chaotisch … << - >>Mutter, ich bitte dich. Wir sind noch am Frühstücken! <<
Peggy verschluckte sich beinah an ihrem Getränk und blickte dann wie vom Donner gerührt zwischen Mark und der Dame hin und her. Hatte sie richtig gehört? Diese Frau, die einfach so in ihre Küche spaziert war, war seine Mutter?
Reflexartig stand sie auf, bereute es jedoch sofort wieder, als sie der leicht pikierte Blick traf. Sie trug nichts weiter als ihre knappe Shorts und ein Spaghetti-Top, das für die Augen einer künftigen Schwiegermutter definitiv zu viel preis gab! Nervös strich sie ihre Haare zur Seite, doch ihr Gegenüber lächelte nach wie vor.
>>Sie müssen Peggy sein. Ich habe schon so viel von Ihnen gehört, schade,
dass wir uns erst jetzt kennenlernen. Ariane Winter. <<
Stumm vor Überraschung erwiderte Peggy den Handschlag, der ihr eine Spur zu kräftig vorkam. Sie musterte Ariane rasch. Sie war eine Frau mittleren Alters, vielleicht um die 50, von schmaler Statur und einen ganzen Kopf kleiner als Mark. Das ehemals wohl beeindruckende Schwarz ihrer Haare verblasste zusehends in ein helles grau, das ihre ebenfalls gräulich schimmerten Augen unterstrich. Alles in allem sah sie eigentlich ganz normal aus. Peggy blickte zu Mark und gab sich Mühe, ihre Stimme nicht allzu scharf klingen zu lassen.
>>Du hast gar nicht erwähnt, dass deine Mutter zu Besuch kommt. << - >>Das wusste ich selber nicht, aber für Spontanität war sie schon immer
bekannt. << erklärte Mark. Es stimmte, er hatte nicht die leiseste Ahnung, dass es seiner Mutter ausgerechnet heute einfallen würde, herzukommen! Und er konnte nur beten, dass sie nicht allzu lange bleiben würde!
Ariane drehte sich zu ihm um und schüttelte tadelnd den Kopf. >>Meinen Sohn werde ich ja wohl noch besuchen dürfen! Immerhin hast du mich noch nie eingeladen, deine Schwester ist bei Weitem gastfreundlicher! << Mark zog es vor nichts zu erwidern und so entstand eine beinah unangenehme Stille, die Peggy für einen schnellen Rückzug nutzte.
>>Ich geh mich schnell umziehen und nach Emelie gucken. << - >>Emelie! Wie geht es meiner Kleinen?<< rief Ariane freudig und klatschte in die Hände. >>Auch sie habe ich ja nur auf Fotos gesehen. Ich muss sie unbedingt anschauen!<< - >>Sie schläft noch. << hielt Mark seine Mutter auf, die schon losstürmen wollte. >>Komm, setz dich und trink einen Kaffee. Sie wird sicher bald aufwachen. << Ariane gab nach und hatte schon auf Peggys Stuhl Platz genommen, die einen schnellen und überforderten Blick mit Mark tauschte, ehe sie ins Schlafzimmer huschte. Während sie ein wenig hilflos in ihren Kleiderschrank starrte, vibrierte Marks Handy auf dem Nachttisch. Sie überlegte kurz und ging dann ran. Es war Sascha, der reichlich verwundert war, Peggy an der Strippe zu haben. >>Ich dachte, du wärest schon weg. << - >>Das war der Plan, ja. << - >>Und daraus ist nichts geworden?<< - >>Ist ne längere Geschichte. << sagte Peggy ein wenig gereizt.  >>Gibt’s was wichtiges?<< - >>Ich wollte Mark eigentlich fragen, ob er zum Klettern mitkommt. << - >>Dürfte schwierig werden. Seine Mutter ist gerade bei uns eingefallen. << Nach diesen Worten schlug Peggy ein tiefes Schweigen entgegen, sodass sie stirnrunzelnd die Verbindung überprüfte, dann jedoch wieder Saschas Stimme vernahm.
>>Ariane? Die ist da?<< - >>Ja.
Spontan. << - >>Oh mein Gott, danke für den Hinweis. Mich seht ihr heute nicht mehr!<< - >>Was meinst du damit?<< fragte Peggy irritiert und zog eine Jeans und ein unauffälliges T-Shirt hervor. Sascha schnaubte. >>Der alten Schreckschraube will ich nicht begegnen. Viel Spaß!<< Peggy blickte missmutig in den großen Spiegelschrank. Das klang ja großartig! Nachdem sie das Gespräch mit Sascha beendet hatte warf sie das Handy auf das Bett und zog sich um. Ihr wurde bewusst, dass sie Marks Mutter tatsächlich noch nie kennengelernt hatte. Nicht mal Bilder hatte sie gesehen, und das obwohl Mark und sie schon so lange zusammen waren! Ein paar Mal hatte er von ihr gesprochen und das klang dann nicht gerade nach einer herzlichen Beziehung, also hatte Peggy auch nie weiter nachgebohrt. Sie wusste nur, dass sie irgendwo in Süddeutschland lebte und der Kontakt recht dürftig ausfiel. Peggy warf ihre Haare nach vorne und bürstete sie rasch durch. Dann richtete sie sich wieder auf und betrachtete sich abermals im Spiegel. Ja, das war schon tauglicher als dieses knappe Outfit von vorhin! Sie fuhr sich über die Lippen und spürte ihr Herz klopfen. Schreckschraube, hatte Sascha gesagt. Das machte ihr nicht gerade viel Mut, doch sie lächelte sich selbst entgegen und versuchte, ihren Optimismus hervorzulocken!
Zurück in der Küche bot sich ihr ein fast unverändertes Bild. Ariane saß am Küchentisch, plauderte unentwegt auf Mark ein, der ein wenig abgewandt an der Kaffeemaschine hantierte und nur mit halbem Ohr zuzuhören schien. Er wirkte beinah erleichtert, als Peggy wieder zu ihnen stieß.
>>Emelie schläft immernoch. << erklärte Peggy in die Runde und setzte sich Ariane gegenüber, die ein wenig enttäuscht aussah, jedoch rasch einlenkte.
>>Naja, macht nichts. Ich habe ja noch genug Gelegenheit, sie zu sehen. << - >>Wieso? Wie lange willst du denn bleiben?<< fragte Mark alarmiert und drehte sich um, Ariane lächelte abermals und Peggy fragte sich, wieso ihr dieses Lächeln so komisch vorkam. Von Herzen schien es jedenfalls nicht zu kommen. >>Ich hatte eine Woche geplant. << erwiderte sie und Peggy spürte förmlich, wie Mark in sich zusammenfiel. >>Aber keine Sorge, ihr werdet mich kaum bemerken. << - >>Und wo wohnen
Sie?<< wollte Peggy wissen, denn für einen Moment kam ihr der Gedanke, ob Ariane wohl allen ernstes auf Quartier bei ihnen hoffte.
>>Im Hotel. << erwiderte sie und Peggy atmete auf. >>Leider ist es recht teuer, dieses Phönix. Und viel zu abgehoben! Aber ich habe auf die Schnelle nichts anderes bekommen. << - >>Das ist der Nachteil an Spontanbesuchen. << sagte Mark und fing Peggys leicht amüsierten Blick auf. Dass seine Mutter ausgerechnet in dem Hotel absteigen musste, in dem Natascha die Geschäftsführerin war, konnte man irgendwie als Ironie des Schicksals bezeichnen.
>>So Peggy, dann wollen wir uns mal kennenlernen, was?<< wechselte Ariane das Thema und Peggy wurde heiß! Was erwartete die Frau jetzt? Ihren Lebenslauf? Sie blinzelte verunsichert, doch dann riss sie sich zusammen und schilderte Ariane in knappen Sätzen das, was sie für wichtig genug erachtete, ihr über sich mitzuteilen. Allerdings schien Marks Mutter nicht halb so interessiert, wie sie es vorgegeben hatte, zu sein. Peggy erkannte die Abwesenheit in ihrem Blick und erst, als sie über ihre Zeit an der Uni berichtete, wurde Ariane hellhörig. << - >>Uni?<< wiederholte sie beinah überrascht, Peggy nickte. >>Ich studiere Psychologie und es ist nicht mehr lange bis zum Bachelor. Da ist das Arbeitspensum recht hoch. << Mark hatte inzwischen den Kaffee vor seiner Mutter abgestellt und setzte sich nun ebenfalls.
>>Du schaffst das schon. << sagte er und Peggy lächelte ihm flüchtig zu.
>>Aber was ist denn mit Emelie?<< fragte Ariane und sah ihren Sohn an. >>Wer kümmert sich um sie?<< - >>Tagsüber ist sie in der Kita und wenn sonst mal Not am Mann ist springen Peggys Eltern ein, oder Sascha. << erklärte Mark wie selbstverständlich, doch das ließ Arianes Augen noch größer werden. >>Ungewöhnlich. Normalerweise bleibt eine Mutter doch Zuhause und sorgt selber für ihr Kind, oder? << sagte sie, noch ehe sie Marks warnender Blick hatte treffen können. Peggy verkrampfte sich, doch sie wollte souverän bleiben. >>Ich kümmere mich um mein Kind. << erwiderte sie ruhig. >>Und Mark unterstützt mich ja auch sehr gut!<< - >>Na, ich hoffe aber dass du deinen Beruf nicht aufgegeben hast, Mark!<< rief Ariane energisch.  >>Immerhin musst du das Geld nach Hause bringen. Als Studentin hat man ja wohl kaum genug für eine Familie. << - >>Mutter, bitte!<< entgegnete Mark scharf.  >>Dieses klassische Rollenbild ist ja wohl mehr als überholt. << - >>Ich finde es nicht verwerflich, wenn eine Frau ihre Karriere für ihr Kind aufgibt. << beharrte Ariane auf ihrem Standpunkt und rührte sich Zucker in ihren Kaffee. Dann sah sie wieder auf und lächelte wieder ihr eigentümliches Lächeln. >>Aber das muss ja jeder selber wissen, nicht wahr?<< - >>Ganz genau. << nickte Peggy und lächelte ebenfalls. Mark sah zwischen den beiden hin und her und schluckte. Er konnte das Eis spüren!

 

>>Sie hasst mich!<< stellte Peggy fest, nachdem Ariane gegen Nachmittag endlich den Rückzug angetreten hatte. Sie wollte tatsächlich unbedingt so lange bleiben, bis Emelie erwacht war und die musste ausgerechnet heute die Endlosschläferin spielen! Sonst krähte sie ihre Eltern doch auch früh genug aus dem Bett. Aber heute ließ sie sich Zeit und so hatten Peggy und Mark noch einige Stunden das Vergnügen von Arianes Gesellschaft, in denen Peggy mehr und mehr spürte, dass sie schon jetzt bei ihr in Ungnade gefallen war. Nicht einmal das förmliche Sie hatte Ariane abgelegt, sondern bis zuletzt daran festgehalten, und das obwohl Peggy ihr zwei Mal zu verstehen gegeben hatte, dass ein gegenseitiges Du doch wohl weitaus passender wäre. Jetzt saßen sie gemeinsam auf dem Boden in Emelies Kinderzimmer und leisteten ihr bei ihrem konzentrierten Puppenspiel Gesellschaft.
Mark schüttelte den Kopf. >>Quatsch. Ihr müsst euch erstmal richtig kennenlernen, dann wird das schon. << - >>Ich weiß gar nicht, ob sie mich überhaupt noch weiter kennenlernen will. << Peggy dachte an die reichlich kühle Verabschiedung zurück. Es war ihr beinah so vorgekommen, als hätte Ariane sie nur der Form halber noch beachtet. >>Sie kann ziemlich anstrengend sein, das weiß keiner besser als ich. << sagte Mark. >>Deswegen hab ich es auch besser gefunden, sie weitestgehend aus unserem Leben herauszuhalten. << - >>Bis zum heutigen Tag hat das ja auch gut geklappt. << murmelte Peggy und zog Emelie die Schmetterlingsspange aus der Frisur, die Ariane ihr vorhin in die Haare gesteckt hatte.  Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte die Kleine mitgenommen, so vernarrt war sie bereits nach wenigen Augenblicken! Naja, das konnte Peggy ihr noch nicht einmal verübeln. Emelie sah heute auch besonders hübsch aus! Frisch, rosig, ausgeschlafen und engelsbrav! Schade, dass sie nicht immer so war. Mark rückte ein Stück näher an sie heran und nahm ihre Hand.
>>Ich bin sehr stolz auf dich. << sagte er, Peggy hob den Blick. Sein vorsichtiges Lächeln traf sie mitten ins Herz! >>Was glaubst du, wie oft wird sie hier noch aufschlagen?<< - >>Oh, das weiß man bei ihr nie. << gestand Mark. >>Aber unter der Woche sind wir doch eh kaum da. Ich frag mich wirklich, was sie hier will! << - >>Vielleicht die Hochzeit mit planen?!<< Peggy bemerkte den Schatten, der sich über seine Augen legte und konnte sofort Eins und Eins zusammenzählen. Dennoch schaute sie ihn ein wenig ungläubig an. >>Sie weiß es gar nicht?<< - >>Ich hab’s ihr nicht erzählt. << bestätigte Mark ihre Vermutung und Peggy ließ sich mit dem Rücken gegen den Kleiderschrank sinken. >>Und hattest du jemals vor, es zu
tun?<< - >>Ich hätte ihr eine Karte geschickt. Nach der Hochzeit. <<
Peggy schwieg und wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Die eigene Mutter nicht über seine Hochzeitspläne zu informieren, das kam ihr irgendwie falsch vor. Andererseits war ihr Verhältnis zu Natascha wohl auch nicht so kompliziert, wie das von Mark zu Ariane. Vielleicht stand es ihr auch nicht zu, darüber zu urteilen. Aber ihr wurde langsam klar, wieso Sascha nicht gerade erpicht darauf war, Ariane zu begegnen. Sein manchmal etwas unkonventioneller Lebensstil passte sicher nicht in das scheinbar so wohl gesittete Weltbild einer Frau Winter. Mark schien nicht viel von seiner Mutter geerbt zu haben, immerhin war er deutlich lockerer und offener. Ein Glück, sonst hätte Peggy vermutlich schon längst das Weite gesucht. Abermals war Mark näher an sie heran gerutscht und zeichnete die kleine Falte nach, die sich zwischen ihren Augen gebildet hatte.
>>Na? Worüber sinnierst du?<< - >>Ihr seid euch nicht sehr ähnlich, deine Mutter und du. << - >>Das sagen alle. Ist aber auch nicht weiter tragisch. << Marks Grinsen war ansteckend und Peggy schüttelte amüsiert den Kopf. Gleich darauf wurde er jedoch wieder ernst und blickte ihr tief in die Augen. >>Ich brauche noch eine Antwort von dir. << sagte er leise und musste sich gar nicht weiter erklären. Peggy wusste sofort, worum es ging und auf welche seiner Fragen er hier gerade anspielte. Ihr Herz schlug schneller und sie setzte sich ein wenig aufrechter hin. Stumm erwiderte sie seinen Blick, auf der Suche nach einer Antwort, der richtigen Antwort. Wie sollte sie ihm nur begreiflich machen, was alles in ihr vorging? Sie beugte sich vor, drückte ihre Lippen auf seine, während ihre Hände sein Gesicht sanft umschlossen und sie all ihre Emotionen in diesen Kuss legte. >>Brauchst du die wirklich?<< fragte sie ebenso leise, nachdem sie sich wieder von ihm gelöst hatte. Mark schluckte, er bekam kaum Luft. Dieser Kuss war umwerfend gewesen! Genau wie dieses Mädchen, das ihm da gegenüber saß und ihn aus ihren blauen Augen anschaute. Sie war so schön! >>Natürlich will ich dich noch
heiraten. << sprach sie endlich das aus, was er hören wollte. Und es klang ehrlich! >>Ich weiß, dass ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen will und dass du der beste Ehemann und Vater der Welt sein wirst. << - >>Wieso hab ich das Gefühl, dass jetzt ein Aber kommt?<< warf Mark ein, Peggy seufzte. Sie warf einen Blick zu Emelie herüber, die noch immer so eifrig dabei war, ihre Puppen an- und wieder auszuziehen. Sie schien rundum glücklich zu sein. >>Kein Aber. Ich denke nur, vielleicht sollten wir das alles etwas langsamer angehen. Uns wiederfinden, ein paar Gänge zurückschalten. << -
>>Und die Hochzeitspläne erstmal so belassen?<< Peggy nickte zaghaft und versuchte, eine Reaktion aus seinem Gesicht herauszulesen. Sie wusste nicht, wie er das Ganze einschätzte, aber das war nun mal das, was sie gerade fühlte und sie hatte den Mut gehabt, es auszusprechen. Es war die Wahrheit.
Mark holte tief Luft. >>Ich kann mit allem Leben. << erwiderte er. >>Hauptsache, du bleibst bei mir! << Er nahm ihre Hand und küsste vorsichtig den glitzernden Ring an ihrem Finger.
Er hatte nichts von seiner Brillanz verloren! >>Ich liebe dich!<< - >>Ich liebe dich auch. << ->>Auch nachdem du meine Mutter kennengelernt hast?<<
Peggy musste lachen und dachte kurz an Ariane und ihre etwas eigenwillige Art zurück. Ja, das würde sicherlich noch eine spannende Woche werden.