Hello!
Ja, ihr seht richtig: ein neuer Teil ist da! Ich bin selbst ganz überrascht ... :P Es ist toll, dass es wirklich noch welche von euch gibt, die mir schreiben und die nachschauen, wann es weitergeht. Heute werdet ihr (endlich) belohnt. Ich hoffe, euch geht es gut und ihr schlagt euch tapfer durch diese wirre Zeit!

Liebe Grüße,
Kessy!

Die Nachhilfestunde 68: Höhle des Löwen

Von Unmengen rosafarbenem Badeschaum umgeben lag Peggy am Abend in der Badewanne und gab sich mit geschlossenen Augen dem herrlichen Jasminduft hin. Ein Vollbad war jetzt genau das Richtige, um die anstrengenden letzten Stunden hinter sich zu lassen. Das Essen mit Mark und ihrem Vater war nämlich alles andere als ein heiteres Beisammensein gewesen, denn Frank hatte sich offensichtlich vorgenommen, jedes kleinste Detail dieser unglückseligen Geschichte mit Sina und den Drogen herauszufinden und sowohl Mark als auch Peggy mit unzähligen Fragen gelöchert. Peggy musste beinahe schmunzeln als sie daran dachte, wie sich die Gesichtsfarbe ihres Vaters immer weiter in eine schockierte Blässe verwandelt hatte, je mehr Einzelheiten ans Licht kamen. Aber er hatte ja alles wissen wollen …. die Hauptsache jedenfalls war, dass Peggy ihn von Marks Unschuld überzeugen konnte. Es war einzig und allein ihre Naivität gewesen und deswegen hatte sie den Ärger und die Strafpredigt auch mehr oder weniger unbeeindruckt entgegengenommen.
Peggy atmete tief durch und schob die Gedanken beiseite, während sie ihre Finger langsam durch das Wasser gleiten ließ. Sie wollte diese ganze Geschichte endlich abhaken und sich stattdessen lieber wichtigeren Dingen widmen: es waren nur noch wenige Wochen bis zu Marks Geburtstag und sie grübelte schon seit Tagen über ein originelles Geschenk nach. Es wollte ihr einfach nichts einfallen und auch Sascha, mit dem sie sich schon kurz beraten hatte konnte ihr nicht weiterhelfen. Er hatte selbst keine zündende Idee, würde aber im Notfall einfach auf irgendeinen Standard zurückgreifen. Ein Gutschein oder eine Einladung zu einem Männerabend würde schließlich immer gehen, hatte er gemeint und Peggy damit wirklich kein Stück geholfen. Diese Notlösungen kamen für sie schließlich nicht infrage. Es sollte etwas wirklich schönes und persönliches werden, doch bislang war ihr einfach noch kein genialer Einfall gekommen. Sie lauschte. In der Wohnung war es still, nur Emelies Gebrabbel und Marks zärtliche Ermahnungen drangen ab und zu an Peggys Ohr und sie lächelte. Wahrscheinlich griffen ihre flinken kleinen Hände mal wieder alles an, was in Reichweite lag oder stand. Dann wurde es entweder auf dem Boden verteilt oder von irgendwo her hinunter geworfen.
Das Spiel „Ich schmeiße weg und du hebst es auf“ machte der Kleinen in letzter Zeit besonders viel Spaß und es konnte stundenlang gehen. Vielleicht sollte ich Mark mal ablösen, dachte Peggy und erhob sich ein wenig träge aus dem wunderbar warmen Wasser. Ihr Blick fiel in den Spiegel und auch heute verzog sie ein wenig missmutig das Gesicht. Sie gefiel sich in momentan einfach nicht. Die Haut zu blass, der Bauch zu schlaff, die Beine zu dick. „Du solltest mehr Sport machen, Madame!“ sagte sie zu sich selbst und stellte sich ein wenig seitlich, um sich im Profil zu betrachten. Ja, ihre Figur hatte schon einmal deutlich besser ausgesehen. Die gemütlichen Sofanachmittage und das regelmäßige Essen gehen forderten allmählich ihren Tribut. Schnell schlang sie sich ein Handtuch um den Körper und schlüpfte in ihre Flip-Flops. Wie so oft hatte sie auch dieses Mal vergessen, neue Klamotten mitzunehmen, sodass sie nun unbekleidet ins Schlafzimmer huschen und sich dort anziehen musste.
Emelie saß auf dem Bett und blickte gebannt auf den Bildschirm von Marks Smartphone, das von ihren kleinen Händen gerade so festgehalten werden konnte. Von Mark selbst keine Spur und Peggy spürte ein klein wenig Unmut in sich aufsteigen. Eigentlich hatten sie die Vereinbarung, dass Emelie weder mit Smartphones noch mit dem Laptop herumspielen durfte, und ohne Aufsicht schon gar nicht. Man sollte die Kinder nicht früher als nötig vor diese Flimmerkisten setzen fand sie und Mark war ähnlicher Ansicht. Eigentlich. Doch Peggy holte tief Luft und setzte ein Lächeln auf. Emelie konnte schließlich nichts dafür, denn sie hatte sich das Handy sicher nicht selbst geangelt.
„Na, was schaust du dir an?“ fragte Peggy und warf ebenfalls einen Blick auf das Display. Immerhin eine Kinderserie … Emelie nahm keine Notiz von ihr, sodass Peggy sich neben sie setzte und ihr einen Kuss gab. „Wo ist Papa?“ – „Nicht da.“ glaubte Peggy zu verstehen und musste lachen. So weit war sie auch schon. „Küche!“  hallte es da zu ihnen herüber und Peggy ging der Stimme nach.
In der Küchentür blieb sie stehen und beobachtete amüsiert wie Mark versuchte, den Tisch für das Abendbrot offenbar besonders schön herzurichten. „Vielleicht solltest du als Dekorateur anheuern.“ lächelte sie, während Mark eine Blumenvase nun schon zum dritten Mal an einen neuen Platz rückte. „Es soll alles perfekt sein …“ murmelte er konzentriert und begutachtete sein Werk. Peggy stutzte. „Gibt’s einen besonderen Anlass für das Tamtam?“ – „Nein. Einfach nur so. Und weil ich dich liebe.“ Mark nickte zufrieden und drehte sich zu Peggy um. Sein Blick blieb an ihrer notdürftigen Bekleidung hängen. Erst jetzt fiel Peggy ein, dass sie nach wie vor nichts weiter als ihr Badehandtuch an sich trug. „Ich zieh mich schnell an.“ – „Nichts da!“ Mark hielt sie auf und zog sie in seine Arme. „Du bist verdammt sexy, wenn du so rumläufst, weißt du das?“ Er küsste ihren Hals und vernahm den Duft ihres Badesalzes: Jasmin! Er liebte es! Und ihre Haut war danach noch einmal so zart wie sonst. Vorsichtig zog er ihr Ohrläppchen zwischen seine Zähne.
„Emelie ist beschäftigt …“ raunte er verheißungsvoll und Peggy stockte der Atem. Wenn er sie so berührte, hatte sie meist kaum eine Chance zu widerstehen, doch heute nahm sie sich zusammen und schob ihn sanft von sich. „Gutes Stichwort. Wie kommt sie an dein Smartphone?“ Mark sah sie entschuldigend an. „Ich wollte das Essen fertig haben, wenn du aus dem Bad kommst und musste sie mal für fünf Minuten davon abhalten, unsere Schränke auszuräumen. Ich nehm’s ihr gleich weg, versprochen.“ – „Na, das lasse ich gerade nochmal so durchgehen.“ mimte Peggy die Strenge, dann lächelte sie jedoch und tippte sich an die Lippen: küss mich! Und dieser Bitte kam Mark nur allzu gerne nach.
„Hast du Hunger?“ fragte er, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten und Peggy zögerte. „Ehrlich gesagt nicht sehr. Ich glaube, ich lasse das Abendbrot heute mal ausfallen.“ – „Schade. Ich dachte, ich mache dir eine Freude mit der Mousse au Chocolat.“  Mark trat einen Schritt zur Seite und Peggy sah die Schale mit der köstlichen Mousse auf dem Tisch stehen. Ihr Lieblingsdessert … doch dann dachte sie an ihr Spiegelbild zurück und rang mit sich. „Klingt verlockend. Aber ich hab mir vorgenommen, wieder etwas mehr auf meine Figur zu achten. Ich bin echt fett geworden!“ – „Du spinnst!“ erwiderte Mark. „Du siehst genauso großartig aus, wie eh und je.“ Peggy grinste. „Und du bist nach wie vor der charmanteste Lügner, den ich kenne.“

 

Der Mousse au Chocolat aber konnte sie dann doch nicht widerstehen. Sie schmeckte einfach himmlisch und auch Emelie verspeiste die süße Creme mit großem Appetit. „Die Schokoladensucht hat sie definitiv von dir geerbt.“ hatte Mark bemerkt und Peggy streckte ihm spielerisch die Zunge raus. Bei Emelie machte das nichts, sie durfte ruhig noch ein paar Kilo zulegen. Doch als sie wenig später vor dem Spiegel ihres Kosmetiktisches saß und ihre Haare bürstete kam ihr erneut der Gedanke, dass das bei ihr wohl eher gegenteilig aussah. Mark lag schon im Bett, hatte den Kopf in die Hand gestützt und sah ihr zu, wenngleich ihm auch schon die Augen zufielen. Er war hundemüde! Das lag sicher an dem Kreuzverhör mit Peggys Vater vorhin …
„Mark, ich hab das vorhin ernst gemeint.“ Peggys Stimme drang durch seine müden Gedanken und er bemühte sich, sich noch einmal zu konzentrieren. „Was?“ – „Dass ich Sport machen und etwas aufpassen will, was das Essen angeht.“ – „Okay. Ich habe aber auch ernst gemeint, dass ich finde, dass du perfekt bist, wie du bist.“ Ihre Blicke trafen sich im Spiegel und Peggy lächelte. „Süß von dir. Aber du hast mich vorhin nicht nackt gesehen.“ – „Du hast recht! Ein Unding! Das müssen wir ändern!“ murmelte er und klopfte auffordernd auf die Bettdecke, doch Peggy blieb wo sie war und drehte sich zu ihm um. „Du siehst ziemlich fertig aus.“ stellte sie fest. „Ich glaube, wir sollten lieber schlafen.“ – „Ausziehen kannst du dich trotzdem. Ich liebe es, wenn du nackt neben mir liegst!“
Peggy schüttelte belustigt den Kopf, tat aber wie ihr geheißen und streifte sich das T-Shirt vom Körper, ehe sie zu Mark ins Bett kletterte und sich an ihn kuschelte. „Ich bleibe dabei,“ beharrte Mark, während seine Hand über ihren Rücken strich. „Du siehst toll aus!“ – „Und ich bleibe auch dabei: ab morgen wird Sport gemacht!“ – „Meinetwegen. Aber übertreib es nicht. Ich will keinen Hungerhaken.“ – „Keine Sorge, so schnell wird’s eh nicht gehen. Ich hab auch noch keine Ahnung, was ich machen will. Meinst du, ich kann Sascha mal fragen? Vielleicht kann er mir Tipps für den Start geben.“ – „Klar … gute Idee … frag ihn.“ hörte Peggy aus Marks schlaftrunkenem Gemurmel heraus und setzte sich noch einmal auf, um ihn anzuschauen. Er lag ebenfalls nur mit seiner Jogginghose bekleidet da, sodass sie den freien Blick auf seinen wunderbar trainierten Oberkörper genießen konnte. An ihm schienen Mousse, Pizza und Cocktails einfach spurlos vorbeizugehen. Sein Sixpack zeigte sich nach wie vor unbeeindruckt von den Kaloriensünden. Frechheit! „Du siehst so unverschämt gut aus.“ flüsterte Peggy und lächelte als sie sah, dass Mark mittlerweile tief und fest schlummerte. Normalerweise war sie diejenige, die als erstes einschlief. Heute galt diese Regel aber anscheinend nicht. Sie hauchte noch einen liebevollen Kuss auf seine Wange, dann legte sie sich wieder hin, löschte das Licht und drückte sich an seinen warmen Körper. Sie schloss die Augen und hatte noch das Bild seiner Muskeln vor sich. Sie konnte sich wirklich glücklich schätzen, so einen attraktiven Partner zu haben! Umso wichtiger erschien es ihr, sich nicht weiter gehen zu lassen, sondern ebenfalls daran zu arbeiten, sich wieder in Form zu bringen. Morgen gehe ich zu Sascha, dachte sie, legte ihre Hand auf Marks Brust und spürte seinen Atemzügen nach. Das war das beste Schlafmittel auf der Welt!

 

 

„Also im Prinzip kannst du jederzeit einsteigen. Kommt drauf an, was du willst, aber eigentlich ist für jeden Geschmack etwas dabei.“ schloss Sascha am nächsten Tag seine Erläuterungen ab und Peggy nickte langsam. Ihr schwirrte der Kopf von den ganzen Möglichkeiten die Sascha ihr eröffnet hatte, nachdem sie ihm sein Anliegen vorgetragen hatte. Nun saßen die beiden über Saschas Arbeitslaptop gebeugt und Peggy versuchte zu rekapitulieren, was sie erfahren hatte. „Gut, also: es gibt Kraft-, Cardio- und Koordinationstrainings und Kombis aus allem. Ich kann alleine, oder angeleitet trainieren und muss keinen festen Kurs buchen, sondern kann dann hingehen, wenn ich Zeit habe.“
Das gefiel ihr schon mal sehr gut, denn ihr Alltag war mit Kind und Studium eigentlich ohnehin schon eng genug getaktet. „Richtig.“ nickte Sascha und rief den Kursplan des Fitnessstudios auf.  „Wie du siehst gibt es am Tag immer mehrere offene Kurse, für die man sich spontan anmelden kann. Und zwischendurch kannst du natürlich auch immer auf den Flächen trainieren.“ – „Cool! Ich hab nur leider überhaupt keine Ahnung von diesen ganzen Geräten da.“ Peggy blickte ein wenig ratlos auf die Internetseite, die mit den neusten Errungenschaften und Ausrüstungen der Fitnessbranche warb. Sascha winkte ab. „Kein Thema, das lernst du mit der Zeit. Vielleicht kriegen wir es auch hin, dass du mal ein Probetraining mit mir machst. Dann sehe ich, was du draufhast und könnte dir einen ungefähren Trainingsplan ausarbeiten.“ – „Das wäre perfekt!“ strahlte Peggy. Besser ging es nicht! Es war ihr lieber, mit Sascha an den Start zu gehen, da würde sie sich wenigstens nicht total blamieren. So hoffte sie jedenfalls.
„Und wie schnell nehme ich dann ab?“ Sascha lachte und klappte den Laptop zu. „Erstmal musst du anfangen und dich langsam heran tasten! Aber wenn du kontinuierlich dran bleibst, wirst du bestimmt bald Erfolge sehen … und Mark auch.“ Er zwinkerte verschwörerisch. „Für den machst du den ganzen Spaß doch, oder?“ – „Ja. Auch. Aber genauso für mich, damit ich mich wieder im Spiegel angucken kann. Da sollten schon ein paar Kilos purzeln.“ – „Ich finde ja, dass du das nicht nötig hast…“ – „Die Lügerei hat Mark auch schon versucht.“ lachte Peggy. Nein, ihr Entschluss stand fest, und jetzt, da sie wusste, dass Sascha sie coachen würde, hatte sie umso mehr Eifer!
„Wie sieht es eigentlich in Sachen Geburtstagsgeschenk aus?“ wechselte Sascha das Thema und Peggy lehnte sich seufzend in ihrem Stuhl zurück. „Nach wie vor kein Durchbruch. Ich hab einfach keine Idee, aber so langsam sollte ich mal in die Gänge kommen.“ – „Ich werde auch nochmal meine grauen Zellen anstrengend.“ Sascha tippte sich an die Stirn und lächelte aufmunternd. „Irgendwas wird uns schon einfallen! Wo ist er eigentlich?“ Peggy sah auf ihre Armbanduhr. „In der Höhle des Löwen. Lass uns hoffen, dass alles glatt geht!“  

 


Zur gleichen Zeit drückte Mark mit klopfendem Herzen die Tür des Haupteinganges auf und betrat das Schulgebäude. Heute war es tatsächlich so weit: er würde in seinen Beruf zurückkehren und wieder als Lehrer arbeiten. So richtig realisiert hatte er diese Tatsache noch nicht, es war einfach so lange her und seit dem letzten Mal, als er die Stufen zum Lehrerzimmer hinaufgestiegen war, war unendlich viel passiert. Es schien als läge ein ganzes Leben dazwischen! Fast alle Schüler, die er noch von damals zu kennen glaubte, waren inzwischen zu jungen Erwachsenen herangereift und kaum wiederzuerkennen, wie er feststellte, als er inmitten des montäglichen Chaos einen Moment stehen blieb und sich umsah. Und doch waren ihm einige noch irgendwie vertraut … in diesem Moment schälte sich Nadjas Gesicht aus dem Gewirr der anderen, sie ging erfreut auf Mark zu. „Ich hab mich schon gefragt, wann ich dich treffe!“ Sie zog ihn in eine freundschaftliche Umarmung, die Mark ein wenig unsicher erwiderte. „Heute geht’s also wirklich los?!“ – „Naja, jedenfalls in etwa. Ich muss erstmal die Lehrprobe hinter mich bringen.“ erklärte Mark. Herr Paulsen hatte ihn erst vor wenigen Tagen darüber informiert, dass diese Lehrprobe unabdingbar sei, sollte Mark seinen Weg in die Schule zurückfinden wollen. Und nun würde er gleich vor einer komplett fremden Klasse stehen und seinen Unterricht vor einem kritischen Gremium präsentieren müssen. Viel Zeit zur Vorbereitung war ihm nicht geblieben.
Er schluckte. „Das war mir gar nicht bewusst. Ich dachte, ich könnte einfach so wieder einsteigen, aber dass ich erstmal geprüft werde…“ – „Na, das hätten Sie sich ja wohl denken können.“ fiel ihm eine etwas ruppige Stimme ins Wort und er drehte sich um. Herr Paulsen hatte Marks Unmut herausgehört und zog die Augenbrauen hoch. „Nach allem was passiert ist kann und darf ich Sie nicht einfach so wieder einsetzen …“ – „Schon gut.“ Mark hob mildernd die Hände und versuchte zu lächeln. „Sie haben ja Recht. Ich gebe mein Bestes!“ – „Davon gehe ich aus. Bis gleich!“ Der Direktor bedachte ihn noch mit einem energischen Blick, ehe er im Gedränge verschwand. Nadja sah Mark mitfühlend an. „Kann ich irgendwas für dich tun?“ – „Mir die Daumen drücken. Und mir verraten, wo ich meine Klasse finde.“ – „Beides überhaupt gar kein Problem!“ lächelte Nadja und führte Mark den Flur entlang zum Klassenzimmer, und Mark erkannte es augenblicklich wieder. „Das war Peggys Klassenraum!“ erinnerte er sich mit leiser Stimme, Nadja lachte. „Tatsächlich? Dann ist das sicher ein gutes Omen!“ Der Schulgong kündigte das Ende der Pause an, die Schüler verschwanden nach und nach in ihren Räumen und auf dem Flur wurde es ruhiger. Nadja drückte Mark noch einmal kurz an sich. „Du schaffst das. Viel Glück!“ Und damit war sie verschwunden. Mark holte tief Luft, betrat das Klassenzimmer und wiederholte ihre Worte im Kopf: du schaffst das!
90 Minuten später war klar, wie Marks weiterer Berufsweg aussehen würde: die Klasse hatte nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie ihn als Lehrer unbedingt behalten wollten! Mark konnte kaum glauben, wie lammfromm diese 26 Teenager gewesen und wie aufmerksam und fleißig sie seinem Unterricht gefolgt waren. Herrn Paulsen, aber auch den anderen drei Herrschaften von der Schulbehörde war der Mund offen stehen geblieben, hatte diese Klasse doch eher als „Problemfall“ ihren Ruf weg. Doch Mark hatte sie innerhalb der ersten Minuten schon so gut unter Kontrolle, dass der Unterricht reibungslos von statten gehen konnte.
„Ich muss sagen, ich bin sehr angetan, Herr Winter!“ Mark schüttelte die Hand des Herren, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte. Zwar hatte sich die Schulbehörde vor Unterrichtsbeginn bei ihm vorgestellt, doch da war er viel zu nervös gewesen, um sich auch nur irgendeinen Namen zu merken. „Ihr Unterricht hat mir ausnehmend gut gefallen! Weiter so!“ – „Vielen Dank!“ Mark lächelte erleichtert und auch von Herrn Paulsen kam ein anerkennendes Kopfnicken, wenngleich seine Begeisterung etwas weniger euphorisch ausfiel. „Dann dürfen wir Sie ja wieder in unseren Reihen willkommen heißen. Herr Winter, ich hoffe Sie wissen, dass das eine Chance ist, die Sie nie wieder bekommen werden!“ Er trat etwas näher und senkte die Stimme. Es waren noch einige Schüler anwesend. „Diese Katastrophe von damals darf sich nicht wiederholen! Nie! Ich werde Sie beobachten und wenn ich auch nur das kleinste Indiz dafür feststellen sollte, dass Sie …“ – „Keine Sorge!“ unterbrach Mark die drohenden Worte des Schulleiters. „Nichts dergleichen wird passieren, verlassen Sie sich drauf!“ Herr Paulsen griff nach seiner Aktentasche und folgte seinen Kollegen auf den Flur hinaus. Endlich! Mark fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht und atmete tief durch. Das war wirklich die reinste Nervenprobe gewesen!
„Werden Sie unser neuer Klassenlehrer?“ Mark sah auf, auf dem Platz ganz vorne in der ersten Reihe saß ein junges Mädchen mit schulterlangen blonden Haaren, das sich eben in der Stunde ganz besonders gut herausgemacht hatte. Mathematik schien für sie nicht das geringste Problem zu sein, so leicht waren ihr alle Aufgaben gefallen. Irgendwie kam sie Mark bekannt vor, doch auch ihren Namen hatte er schon wieder vergessen. Er lächelte. „Ich weiß nicht. Wäre möglich.“ – „Das wäre supercool! Ihr Unterricht war Eins A! Viel besser als bei den anderen Lehrern.“ Sie erwiderte sein Lächeln und Mark fühlte sich augenblicklich um ein paar Jahre zurückversetzt. Damals hatte von genau diesem Platz aus nämlich auch ein blondes junges Mädchen mit einem einzigen Lächeln sein Herz erobert und sein Leben völlig auf den Kopf gestellt. Nun stand er wieder hier, es schien alles so gleich und doch war alles anders. „Dein Name war…?“ – „Johanna.“ Sie lächelte noch einmal und nun fiel es Mark wie Schuppen von den Augen: Johanna, das kleine schüchterne Mädchen, das damals schon für ihn geschwärmt, ihm sogar einen Liebesbrief geschrieben hatte. Sie war zu einer wirklich hübschen jungen Frau herangewachsen. „Johanna! Ich wusste, ich kenne dich irgendwoher!“ sagte Mark und trat instinktiv einen Schritt zurück. Dass ausgerechnet sie jetzt Peggys alten Platz einnahm, empfand er beinahe als Ironie des Schicksals. Johanna nickte und senkte den Blick. „Ja. Aber keine Sorge, ich schreibe keine Liebespost mehr.“ – „Das ist sehr beruhigend!“ erwiderte Mark und verbiss sich ein Lachen. Er konnte sich nicht erinnern, ob er diesen kleinen Zettel von damals noch irgendwo aufbewahrt hatte. Wenn er Zuhause war, würde er danach suchen. Johanna schulterte ihre Tasche und stand auf. „Dann also bis bald.“ verabschiedete sie sich und Mark hob die Hand. Irgendwie fühlte er Erleichterung, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte und er alleine zurückblieb. Kurz entschlossen zog er sein Handy hervor und tippte Peggys Nummer.
„Und?“ rief sie atemlos ins Telefon, noch bevor das Freizeichen zum zweiten Mal erklungen war. Wahrscheinlich hatte sie schon auf seinen Anruf gewartet. Mark grinste, Zeit, um sie ein wenig zu ärgern...
„Hi Baby.“ Mühsam verlieh er seiner Stimme ein wenig Enttäuschung und Peggy schnappte nach Luft. „Oh nein! Es ist also nicht gut gelaufen?“ – „Nein. Es ist nicht gut gelaufen…“ Mark schlenderte an das Fenster, von dem aus man den Schulhof überblicken konnte. Ein paar Fünftklässler turnten waghalsig auf den Spielgeräten herum. „Scheiße! Ich hab so sehr an dich gedacht.“ hörte er Peggys einfühlsame Stimme und biss sich auf die Lippe. „War es denn sehr schlimm?“ – „Nein, war es nicht. Es war nicht schlimm, es war auch nicht gut… es war wie du, nur eben als Situation.“ – „Häää?“ Mark lächelte und stellte sich für einen Moment vor, wie Peggy gerade vollkommen irritiert dasaß und versuchte, aus seinen Worten schlau zu werden. „Es war perfekt!“ murmelte er und für einen Moment war es still in der Leitung. Offenbar brauchte Peggy einige Sekunden, um herauszufinden, was er damit sagen wollte. „Heißt das…“ – „Ja, ich kann wieder anfangen!“ verkündete Mark die gute Nachricht und musste das Handy ein Stück weit weghalten, so laut war das Gekreische, das nun aus dem Hörer drang. „Oh mein Gott, ich freu mich wahnsinnig!“ – „Und ich mich erst!“ – „Das müssen wir feiern! Sollen wir uns in der Stadt treffen?“ – „Das wäre auch mein Vorschlag gewesen.“ Mark sah auf die Uhr, es war fast Mittag und erst jetzt merkte er, wie hungrig er war! „Was hältst du von einem Mittagessen? Oder passt das nicht in deine Diätpläne?“ – „Sehr witzig!“ Auch jetzt konnte Mark es vor sich sehen, wie sie ihre Lippen zu einem Schmollmund verzog. Er liebte es! Er liebte einfach alles an ihr! Herr Paulsen hatte es „eine Katastrophe“ genannt, aber für ihn war das, was vor Jahren hier in diesem Klassenzimmer begonnen hatte das Beste, das Allerbeste, was ihm je geschehen konnte!