Die Nachhilfestunde 55: das
Pferdemädchen

 

So nahmen Mark und Peggy wenig später tatsächlich den Weg zu Peggys Elternhaus auf. Peggy wollte im Keller nachsehen, ob sich ihre Reitkleidung über all die Jahre noch gehalten hatte. Sie hätte sicherlich auch einfach so aufs Pferd steigen können, aber das wollte sie nicht. Wenn schon, dann richtig!
>>Papas Auto ist da. << stellte Peggy fest, als sie auf das Haus zugingen. >>Ungewöhnlich, dass er um die Zeit Zuhause ist. << - >>Wir werden sicherlich gleich erfahren, wieso. << sagte Mark und bemühte sich, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Zwar war das Verhältnis zu Peggys Eltern, und besonders zu ihrer Mutter lange nicht mehr so kritisch, wie es mal war, dennoch fürchtete Mark jedesmal die kühle Reserviertheit, die Frank ihm nach wie vor entgegenbrachte. Es war einfach kein schönes Gefühl.
Tatsächlich war er es auch, der ihnen wenig später die Tür öffnete und die beiden reichlich überrascht ansah. >>Oh, hallo. Was verschlägt euch denn hier her?<< - >>Hallo Papa! Können wir reinkommen?<< Frank trat zu Seite und schloss die Tür. Erst jetzt bemerkte er Emelie, die auf Marks Armen beinahe schon eingeschlafen war. >>Guten Tag, Herr Steinkamp. <<  - >>Mark. << erwiderte Frank seine Begrüßung mit einem höflichen Nicken. Peggy verdrehte die Augen. Ob zwischen den beiden jemals diese Verkrampfung enden würde?!
>>Wieso bist du hier? Musst du nicht in die Klinik?<< wollte Peggy wissen, um die peinliche Stille aufzuhalten, die gerade einzutreten drohte. Frank sah seine Tochter mit mildem Tadel an. >>Auch wenn du deinen Vater für einen Workaholic hältst, genieße ich momentan meinen wohlverdienten Urlaub. << - >>Und den verbringst du Zuhause?<< - >>Es ist leider nur eine Woche. << - >>Na immerhin. Wenn man bedenkt, dass du teilweise Tag und Nacht im Krankenhaus verbringst, ist eine Woche Zuhause doch Gold wert!<< - >>Oh, wie recht du das hast!<< erklang da plötzlich die Stimme ihrer Mutter und Peggy drehte sich um. Natascha trat aus der Küche und strahlte, als sie ihre Tochter erblickte. >>Mein Schatz! Lass dich drücken!<< Ohne Chance auf Rettung, wurde Peggy auch schon in eine typisch mütterliche Umarmung gezogen. >>Ach Kleines, ich hab dich so vermisst! Du hast dich ja ewig nicht mehr blicken
lassen. << Peggy warf Mark einen schnellen Blick zu, der sich die Szene amüsiert anschaute, und sie betete inständig, dass Natascha ihr nicht auch noch einen Schmatzer geben würde. Sie wusste zwar, dass Mark die Art, wie Natascha mit ihr umging reizend fand, dennoch war es ihr ein wenig peinlich. Endlich konnte sie sich aus Nataschas Fängen befreien. >>Bekommt Mark vielleicht auch noch eine Begrüßung? << fragte sie, Natascha erschrak. >>Natürlich. Mark, entschuldigen Sie. Ich wollte Sie nicht übergehen. << - >>Aber nein, kein Problem. Schön, Sie zu sehen. << Natascha streichelte Emelie behutsam über den Kopf und musste nicht lange bitten, sie auf ihre Arme nehmen zu dürfen. >>Oh, bist du schwer geworden! << - >>Ja, sie wird viel zu schnell groß. << maulte Peggy. >>Was können wir denn für euch tun?<< schaltete Frank dazwischen. Ihm war diese Harmonie noch immer ein Dorn im Auge.

Schweren Herzens fasste Peggy die Ereignisse des Tages zusammen und registrierte ehrliche Bestürzung bei ihren Eltern. Offensichtlich waren sie genauso erschüttert von alldem.  >>Deswegen wollte Dr. Berger dich neulich so dringend sprechen. << wurde Natascha klar, Peggy nickte. >>Vorhin waren wir im Stall und Davina sieht wirklich nicht gesund aus. Ihr Fell ist ganz stumpf, sie frisst fast nichts, aber ich will unbedingt noch einmal mit ihr reiten, bevor … << Sie führte den Satz nicht zuende, er war zu schmerzlich.
>>Geht das denn? << fragte Frank. >>Ich meine, darfst du mit so einem kranken Tier überhaupt ausreiten?<< - >>Ich hab vorhin mit Dr. Berger telefoniert und sie meinte, ein paar Runden in der Reithalle wären kein Problem. Ich bin ja keine komplette Anfängerin, deswegen werde ich schon erkennen, wenn sie nicht mehr weiter kann. <<  - >>Deine Reitsachen sind noch im Keller. Deswegen seid ihr doch sicher hier, stimmt’s?<< vermutete Frank, Peggy nickte. >>Dürfen wir mal nachsehen?<< - >>Du weißt ja, wo es
langgeht. << Frank fixierte sie mit seinem Blick, den Peggy sofort zu deuten wusste: sie sollte allein gehen, Mark hatte nach Auffassung ihres Vaters anscheinend nichts im Keller verloren. Auch Mark erkannte die Situation und hielt Peggy zurück, irgendwelche Einwände aufzubringen. Es würde ohnehin nichts nutzen. >>Schon okay. Ich warte hier. <<  Peggy bedachte ihren Vater mit einem unwilligen Blick, ehe sie Mark einen Kuss auf die Lippen drückte und in Richtung Keller verschwand.

>>Ihr könnt Emelie in der Zeit ruhig bei uns lassen. << schlug Natascha vor. >>Wir passen gerne auf sie auf. << - >>So, tun wir das?<< warf Frank ein, seine Frau seufzte. >>Wann wirst du dich endlich damit abfinden, dass du eine Enkeltochter hast? << - >>Wenn man sich noch nicht einmal mit dem Schwiegersohn abgefunden hat, ist das recht schwer. << - >>Schwiegersohn?<< wiederholte Mark überrascht und sein Herz klopfte bis zum Hals. Auch wenn diese Aussage sicherlich alles andere als nett gewesen war, hatte das Wort  Schwiegersohn doch irgendwie etwas ansich. Gerade jetzt, wo er den Heiratsantrag plante. Den Heiratsantrag, von dem weder Natascha noch Frank auch nur den Hauch einer Ahnung hatten. Da würde noch einiges auf ihn zukommen!
>>Naja, oder wie auch immer. << murmelte Frank. Ihm war sicher bewusst geworden, was er da gerade gesagt hatte und  Mark konnte sich nur mühsam ein Grinsen verbeißen.
>>Ich hab sie!<< rief Peggy von unten und kam wenig später die Treppe hoch, in der Hand eine große Tasche, in der wohl die Reitkleidung lag. >>Riecht ein bisschen nach Keller, aber für das eine Mal wird’s wohl gehen. << - >>Du warst noch so klein, als du das letzte Mal auf einem Pferd gesessen hast. << seufzte Natascha und ihr Blick wurde nostalgisch. >>Und jetzt als erwachsene Frau … ach, da wäre ich zu gerne dabei!<< - >>Ich mache Fotos. << versprach Mark. >>Jetzt müssen wir erstmal schauen, ob Peggy noch in die Klamotten passt. Sie hat da ja schon milde Bedenken geäußert. << - >>Na, das wird schon kein Problem sein. << erwiderte Frank und musterte seine Tochter wohlwollend. >>Du siehst jedenfalls besser aus, denn je!<< - >>Mir geht’s ja auch sehr gut. << antwortete Peggy, schmiegte sich an Mark und strich Emelie über die Wangen, die mittlerweile endgültig eingenickt war. Dann schaute sie zurück zu ihrem Vater und bemerkte ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Sie lächelte zurück. Vielleicht wurde sein Herz ja doch allmählich weich. Wie sehr würde sie sich das wünschen!

Auf der Rückfahrt zum Stall, wählte Peggy schließlich Timos Nummer. Sie wollte nun doch wissen, wieso er sie dauernd zu kontaktieren versuchte. Sie musste es lange klingeln lassen und hatte schon fast aufgegeben, als Timo endlich abnahm.
>>Was gibt’s? << - >>Timo, hi. Hier ist Peggy. Was es gibt? Das wollte ich dich fragen. Du hast mich angerufen. << - >>Ich hab’s versucht, ja. Drei mal. << Seine Stimme klang ziemlich sauer, sodass Peggy unsicher wurde. >>Hab ich was verpasst?<< - >>Ja, dein Casting!<< - >>Casting? Was für ein Casting?<< - >>Für die Theaterrolle. <<
Oh je! Das hatte sie ja total verschwitzt. Peggy wurde heiß und unterdrückte einen Fluch.  Sie erinnerte sich, dass Timo ihr letzte Woche irgendwann die Daten gesimst hatte, wann und wo das ganze stattfinden würde und sie hatte auch vorgehabt, dort hinzugehen. Aber dann war die Sache mit Davina dazwischen gekommen und sie hatte keinen klaren Gedanken mehr fassen können.

>>Oh nein, das tut mir so leid! Ich wollte kommen,
aber … << ->>Weißt du, wenn du von Anfang an keine Lust gehabt hast, hättest du es mir einfach sagen können. << fiel Timo ihr ins Wort. >>Aber so eine
Aktion … echt nicht so cool. << - >>Das war keine Absicht … << - >>Ich hab jetzt keine Zeit, bin auf der Arbeit. Mach’s gut. << - >>Ja. Du auch. << Und schon hatte Timo das Gespräch beendet. Peggy ließ das Handy sinken und sah unschlüssig zu Mark.
>>Und? Was wollte er?<< - >>Das Casting für die Rolle am Theater war heute Morgen. Timo hatte mir die Daten geschickt, aber ich hab das total vergessen. << - >>Ist doch logisch. Und jetzt ist er sauer?<< - >>Scheint so. Zu Mindest ziemlich eingeschnappt. << - >>Ein bisschen übertrieben, hm?<< fand Mark und verdrehte die Augen. Peggy zuckte die Schultern. Doch auch sie fand seine Reaktion etwas überspannt. So schlimm war es für sie allerdings nicht, dass sie nicht beim Casting gewesen war. Die Theaterkarriere war wohl geplatzt, aber daran hatte sie im Augenblick auch kein großes Interesse. Ihre Liebe galt den Pferden, das war schon immer so! Und so beschloss sie, sich den Themen Timo und verpasstes Casting später zu widmen.

>>Ich laufe schnell zu den Umkleiden und ziehe mich um. << sagte Peggy, als sie wieder am Gestüt angekommen waren. Sie sprang aus dem Wagen und schlug die Tür zu. Plötzlich konnte sie gar nicht schnell genug aufs Pferd kommen. >>Soll ich mitkommen?<< fragte Mark und Peggy bemerkte sein anzügliches Grinsen, was ihr jedesmal Herzklopfen bescherte. >>Nicht nötig. << erwiderte sie süß. >>Geh zu Davinas Box und warte da auf mich. << Und damit war sie im gegenüberliegenden Gebäude verschwunden. Mark tat wie ihm geheißen. Ihm wurde klar, dass er Peggy noch nie hatte reiten sehen. Er wusste zwar, dass sie es von Klein auf gelernt und geliebt hatte, aber bislang hatte sich noch nie eine Gelegenheit geboten, ihr zuzusehen. Umso mehr freute er sich, dass sich das nun ändern würde. Während er wartete, zog er sein Handy hervor und rief erneut, wie schon hundert Mal in den letzten Tagen, das Foto des Verlobungsringes auf, für den er sich letzte Woche endlich entschieden hatte! Es war der schmale silberne geworden, der diesen wunderschön glänzenden Stein in der Mitte besaß. Auch Sascha, auf dessen Meinung er großen Wert legte, hatte das Modell von Anfang an favorisiert und so war die Entscheidung schließlich gefallen. Mark hatte ihn beim Juwelier in Auftrag gegeben und fühlte mehr und mehr, dass es die richtige Entscheidung war. Genauso fühlte und wusste er jedoch auch, dass momentan wohl kaum der richtige Zeitpunkt für einen Antrag war. Er sah zu Davina hinüber, die ihn mit ihren treuen Augen beobachtete. Wenn sie gestorben war, würde Peggy vermutlich tagelang um sie trauern, was natürlich verständlich war, für sein Vorhaben jedoch gänzlich unzuträglich.
Er würde wohl oder übel noch eine Weile warten müssen …

In diesem Moment kam Peggy um die Ecke. In beigfarbener, enger Reithose, kniehohen schwarzen Reitstiefeln und dunkelblauer Reitweste, die ihr allerdings schon eine Spur zu klein geworden war. Ihre blonde Haarmähne hatte sie zu einem Zopf gebunden und war gerade dabei, ihn unter dem Reithelm zu verstecken. Sie sah großartig aus! So großartig, dass Mark bei ihrem Anblick der Mund offen stehen blieb und Peggy lachen musste. >>Ja, ich bin immernoch dieselbe. Nur mit anderen Klamotten. << - >>Wow! Das steht dir ausgezeichnet!<< Er  zog sie in seine Arme und gab ihr einen bewundernden Kuss auf den Mund. Dann drehte er sie, um sie von allen Seiten betrachten zu können. >>Es sind nur schnöde Reiterklamotten. << sagte Peggy, gleichzeitig freute sie sich jedoch sehr, dass Mark so großen Gefallen an ihr fand. >>Aber du siehst klasse aus! Richtig professionell!<< - >>Ich bin professionell!<< verbesserte Peggy ihn mit gespieltem Entsetzen. Mark drückte sie erneut ansich. >>Ach ja? Und hast du auch eine Peitsche bei dir?<< Seine Lippen fanden erneut zu ihren, ehe sie sich langsam einen Weg über ihren Hals suchten. Peggy schluckte und schloss die Augen, während sie seine Berührungen genoss. Sie wusste, dass er sie auf der Stelle, hier und jetzt im Heu verführen könnte, wenn er es wollen würde, und dass sie keinerlei Widerstand würde leisten können, oder wollen. Deswegen musste sie sich von ihm loseisen, was ihr mit Müh und Not gelang. >>Nein, keine Peitsche. Davina hört auch so auf mich. << erklärte sie und trat einen Schritt zurück, sodass Mark sie erneut mustern konnte. Sie sah wirklich super aus!
Peggy trat zu Davina in die Box und legte ihr mit geübten Handgriffen das Zaumzeug an.  Ein wenig erfreut stellte sie fest, dass sie anscheinend nichts von alledem verlernt hatte und dass Davina es ruhig und angstfrei geschehen ließ. Auch das anschließende Satteln ging ihr ohne Probleme von der Hand.  Sie bemerkte Marks interessierte Blicke und lächelte. >>So spannend?<< - >>Sehr! Ich hab mich eigentlich nie für Pferde interessiert, aber du hast recht: Davina ist etwas ganz besonderes!<< - >>Ja, das ist sie! << Peggy spürte, wie ihre Stimme brach und verdrängte rasch die traurigen Gedanken, die ihr in den Sinn kamen. Sie führte Davina am Zügel hinaus aus ihrer Box, das vertraute Klappern der Hufen auf dem steinigen Boden des Stalls war Musik in ihren Ohren, und sofort wurde sie wieder etwas fröhlicher.  Mark wartete gespannt ab, wie es nun weiterging. >>Und jetzt?<< - >>Jetzt gehen wir rüber in die Reithalle. Und dann werde ich mal versuchen, ein paar Runden zu drehen. << erklärte Peggy und führe ihr Pferd langsam neben sich her. Sie spürte, wie sie Herzklopfen bekam. Ihre Mutter hatte recht: ihr letztes Reiterlebnis war so lange her! Ob sie es wohl überhaupt noch beherrschte? Ihr wäre es ziemlich unangenehm, sich vor Mark zu blamieren und wohlmöglich schon bei Davinas ersten Schritten herunterzufallen. Sie wurde unsicher und biss sich auf die Lippen. >>Meinst du, das ist wirklich eine gute Idee?<< Mark sah sie an. >>Was meinst du?<< - >>Jetzt reiten zu gehen. Ich glaube, ich kann das gar nicht
mehr. << - >>Ein Versuch ist es doch wert, oder?  Und abgesehen davon glaube ich ganz bestimmt, dass du das noch kannst. << Peggy lächelte bei seinen ermutigenden Worten und nickte. Na gut, ein Versuch war es wert!

In der Reithalle war es kühler, als draußen. Es roch nach Pferden, nach Erde und Heu. Ein Geruch, der Peggy sich erneut an ihre Kindheit erinnern ließ. Es war wunderbar!
>>Sind wir die einzigen hier?<< fragte Mark ein wenig verwundert und sah sich um. Er hatte vermutet, dass sich hier noch ein paar andere Reitschüler oder Pferdebesitzer eingefunden hätten. Peggy zuckte die Schultern. >>Anscheinend schon. Ist mir aber gar nicht so unrecht. So sieht wenigstens niemand meine kläglichen Versuche, wieder aufs Pferd zu kommen. << - >>Jetzt mach dich doch nicht so schlecht. Du schaffst das schon!<< betonte Mark. Er hatte gar keinen Zweifel daran, dass Peggy es ohne Mühe gelingen würde, ihr Hobby wieder aufzunehmen. Aber sie hatte leider schon immer den Hang dazu gehabt, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen.
Peggy stellte sich neben Davina, stellte einen Fuß in den Steigbügel des Sattels und hielt die Luft an. Es schien so einfach: die Hände auf den Sattel, hochziehen, und schon saß man oben! Doch sie war beinahe genauso nervös wie damals, als sie zum allerersten Mal auf ein Pferd gestiegen war. Dass sie Marks gespannte Blicke im Rücken spürte, machte die Sache nicht gerade einfacher. Doch schließlich gab sie sich einen Ruck, zog sich hoch und schwang sich elegant auf Davinas Rücken. Sie saß sicher im Sattel! Gut, das hatte schon mal funktioniert! Mark sah bewundernd zu ihr auf. Sie sah super aus, da oben! >>Wow! Echt cool!<< - >>Naja, ich hab‘s gerade mal geschafft, aufzusitzen. Der Rest wird sich jetzt zeigen. << wiegelte Peggy ab, konnte aber trotzdem ihr Glücksgefühl nicht unterdrücken. Sie hatte ganz vergessen, wie schön es sich anfühlte, auf einem Pferd zu sitzen.
>>Na dann los!<< Mark trat einige Schritte zurück, um alles genau beobachten zu können, was nun geschah. Peggy tätschelte Davinas Hals und beugte sich hinunter an ihr Ohr. >>Okay Süße, du weißt, ich hab das schon ewig nicht mehr gemacht. Also musst du mir helfen und mir verzeihen, wenn ich mich allzu blöd anstelle, ja?<< flüsterte sie und richtete sich wieder auf. Ganz sanft drückte sie ihre Oberschenkel an Davinas Körper und zog nur leicht die Zügel an, und beinahe wie von selbst setzte sich das Tier in Bewegung. Automatisch nahm Peggys Oberkörper Haltung an: gerader Rücken, die Schultern unten, die Fersen leicht zum Boden gedrückt. Es war, als wüsste ihr Körper von ganz alleine, was zu tun ist. Schon bald ließ das Zittern in ihren Händen nach und mit jedem Schritt, den Davina tat, fühlte sie sich sicherer. Sie lächelte glücklich. Anscheinend hatte sie es tatsächlich nicht verlernt!
Derweil stand Mark am Rand der Reithalle und beobachtete das Geschehen mit wachsender Begeisterung. Peggy auf diesem großen, prächtigen Pferd, das sah einfach wunderbar aus! Es schien beinahe so, als seien sie eine Einheit, die perfekt aufeinander abgestimmt war, so mühelos vermochte es Peggy, Davina zu kontrollieren, zu führen und die richtigen Impulse zur richtigen Zeit zu geben. Man konnte erkennen, dass sie das Reiten bereits von Kindesbeinen an trainiert hatte. Mark erinnerte sich an sein Versprechen, Natascha Fotos zu schicken und zückte sein Handy. >>Ich will keine Bilder von mir!<< rief Peggy ihm zu, als sie gerade wieder eine Runde beendet hatte und in seine Nähe kam. Mark grinste und drückte den Auslöser der Handykamera ein paar Mal. >>Zu spät! Außerdem hab ich es deiner Mutter fest zugesagt.<< - >>Auf welcher Seite stehst du eigentlich?<< fragte Peggy, streckte die Zunge raus und ritt an Mark vorbei.
Er ließ das Handy sinken und sah ihr ein wenig verträumt nach. Sie war so eine wundervolle junge Frau! Auch wenn es nicht immer einfach gewesen war, hatte er seine Entscheidung zu ihr zu stehen, noch nie bereut!
>>Ich glaub’s ja nicht! Peggy!<< hörte er da plötzlich eine tiefe Stimme neben sich. Er sah zur Seite. Neben ihm stand ein Mann. Groß, mit breiten Schultern und einer muskulösen Statur. Er hatte eine Heugabel und einen Eimer in der Hand, die er nun neben sich abstellte und gebannt zu Peggy hinüber blickte, die gerade am anderen Ende der Halle zum Stehen gekommen war und ihren Sitz im Sattel ein wenig korrigierte. Sie hatte ihn anscheinend nicht gehört, denn sie machte keinerlei Anstalten, hinüberzusehen.
>>Peggy ist wieder da!<< murmelte der Mann und schüttelte lächelnd den Kopf. >>Das kleine Pferdemädchen. <<
Pferdemädchen? Mark runzelte die Stirn. Wer war dieser Kerl, der ihn noch gar nicht bemerkt zu haben schien? Und was wollte er von Peggy?
>>Entschuldigung?<< sprach Mark ihn an, doch sein Gegenüber schien noch immer so von Peggy fasziniert zu sein, dass er ihn nach wie vor nicht wahrnahm. Mark versuchte es erneut. >>Verzeihen Sie, darf ich fragen, wer Sie sind?<< Jetzt endlich schien der Fremde seinen Blick lösen zu können und wandte sich Mark zu. >>Oh, tut mir leid. Ich hab Sie gar nicht bemerkt. << Ja, das war deutlich zu sehen gewesen. Er gab Mark die Hand. >>Mein Name ist Thomas Neumann. Mir gehören ein paar der Ställe hier. Und ich war Peggys Reitlehrer. << fügte er ein wenig sanft hinzu. Zu sanft für Marks Geschmack, sodass er sich vornahm, die Besitzverhältnisse direkt zu klären. >>Freut mich. Markus Winter, ich bin Peggys Freund. << Und ich war ihr Klassenlehrer, schoss es ihm durch den Kopf, verschluckte die Worte jedoch lieber. >>Ich wusste gar nicht, dass Peggy immernoch reitet. << sagte Herr Neumann. >>Ich hab sie hier schon lange nicht mehr gesehen. << - >>Ja, das war auch eher eine spontane Aktion. << antwortete Mark, doch ehe er weitere Erklärungen abgeben konnte, stand Davina schon bei ihnen und Peggy strahlte vom Pferd herab. Herr Neumann lächelte. >>Na Peggy, kennst du mich noch?<< - >>Thomas! Als ob ich dich jemals vergessen könnte!<< Sie sprang rasch vom Pferd und umarmte den, für Mark nach wie vor völlig fremden Mann mit einer solchen Intensität, dass Mark sich zurückhalten musste, nicht dazwischen zu gehen. Er wusste, dass es wahrscheinlich völlig albern war, aber Peggy in den Armen eines anderen Mannes zu sehen, war nun mal nicht gerade angenehm.
>>Du hättest mir sagen sollen, dass du wieder Reitstunden nimmst. << sagte Thomas, Peggy schüttelte den Kopf.  >>Tue ich nicht. Ich wollte nur mal austesten, was ich noch kann. << - >>Du hast nichts verlernt! << beteuerte er. >>Alles sieht genauso perfekt aus, wie damals! Nur dass du noch viel hübscher bist, als ich dich in Erinnerung habe! << Peggy schaute zu Mark hinüber, der das Geschehen angespannt und mit Argusaugen beobachtete. Sie versuchte, ihr Grinsen zu unterdrücken. Sie konnte sich vorstellen, was gerade in ihm vorging. Ihr würde es bei einer fremden Frau, die Mark mit Komplimenten überhäufte, sicher nicht anders gehen. Zeit, die Situation aufzuklären. >>Mark, das ist Thomas Neumann, mein damaliger Reitlehrer. << - >>Ja, wir haben uns eben schon kurz bekannt gemacht. << erwiderte er, trat näher an sie heran und legte den Arm um sie. Ihm war dieser Typ irgendwie nicht geheuer. Doch er wahrte die Fassade. >>Schön, Sie kennenzulernen. << - >>Gleichfalls! Sie sind also der Glückspilz, der Peggys Freund geworden ist. Sie war der Schwarm aller männlichen Reitschüler damals. << erzählte Thomas, Peggy wurde rot und beschloss, lieber schnell das Thema zu wechseln. >>Gibst du denn immernoch Unterricht?<< - >>Ein paar Stunden im Monat. << Er lächelte ein wehmütig. >>Du siehst, ich bin älter geworden. Jetzt bin ich nur noch ab und zu mal da, um nach dem Rechten zu sehen. Was für ein schöner Zufall, dass ich gerade heute hier bin und wir uns treffen. << Sein Blick wechselte zu Davina, die ruhig und abwartend da stand. Peggy bemerkte den Schatten, der sich über seine Augen legte. >>Du hast es auch schon gehört, nicht wahr?<< - >>Ja, es ist schrecklich! << nickte Thomas. >>Dass man rein gar nichts tun kann!<< - >>Ich bin auch unsagbar traurig! Deswegen hatte Mark die Idee, dass ich nochmal ein wenig reiten könnte. << - >>Eine sehr gute Idee. << Thomas sah Mark an. >>Sie können sehr stolz auf Peggy sein!<< - >>Oh ja, das bin ich!<< bestätigte Mark und strich ihr über den Rücken. Thomas warf einen Blick auf seine Armbanduhr. >>Ich würde so gerne noch eine Weile plaudern, aber ich muss leider gleich weg. Aber einmal will ich dich noch sehen.<< Er deutete mit dem Kopf zu Davina, Peggy lächelte und drückte seine Hand. >>Okay. Mach’s gut! Wir sehen uns bestimmt bald mal wieder, ich werde jetzt sicher öfter herkommen. << - >>Das würde mich freuen!<<
Peggy schwang sich zurück auf Davinas Rücken und winkte noch einmal, ehe Davina ihr gleichmäßiges Traben wieder aufnahm und sich langsam entfernte. Mark schielte zu Thomas hinüber, der wieder diesen seltsam elegischen Blick hatte. >>Wie lange kennen Sie Peggy denn schon?<< fühlte er ihm noch ein wenig auf den Zahn. >>Sie kam als ganz kleines Mädchen hier auf den Hof und hatte dann ungefähr 10 Jahre Unterricht bei mir. << erzählte er. >>Anfangs war sie ziemlich schüchtern und unsicher im Umgang mit den Tiere, aber schon bald wurde sie zu einer ganz besonderen Schülerin. Sie hat immer mehr Einsatz und Ehrgeiz an den Tag gelegt, als die anderen. Und so ist sie in kürzerer Zeit immer besser geworden!<<
Mark lächelte verstohlen und zog es vor, nichts zu erwidern. Gedanklich glich er jedoch Thomas Worte mit seinen eigenen Erinnerungen an die junge Peggy ab und konnte alles nur bestätigen: auch in der Schule, war Peggy disziplinierter gewesen, als ihre Mitschüler, hatte in kürzerer Zeit mehr begriffen und schneller bessere Noten erreicht. Sie war einfach anders gewesen, als die anderen. Und deswegen war sie ihm irgendwann einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen …
>>Leider ist ihre Begeisterung irgendwann ein wenig eingeschlafen. << fuhr Thomas fort. >>Aber ihr Talent hat sie anscheinend behalten. << Davina war mittlerweile vom Schritt in einen langsamen Trab gefallen, den Peggy ebenso mühelos zu beherrschen wusste.  >>Ich verstehe ja nicht viel davon. Aber es sieht echt toll aus, wie sie das macht. Sie haben ihr anscheinend einiges beigebracht. <<  musste Mark zugeben.  Thomas lachte. >>Ja. Peggy hat sich bei mir auch immer ganz besonders in Zeug gelegt. << - >>Wie meinen Sie das?<< Mark wurde aufmerksam. Was sollte ihm diese kryptische Andeutung sagen? Doch Thomas wandte sich ab. >>Das fragen Sie sie besser selber. Ich möchte nicht aus dem Nähkästchen plaudern. << Er hob seine Sachen wieder auf und nickte Mark zu. >>Hat mich sehr gefreut. << Und mit einem letzten wohlwollenden Blick auf Peggy, verließ er schließlich die Halle.

>>Das war die beste Idee, die du seit langem hattest! Danke!<< Peggy fiel Mark um den Hals, als sie wenig später endgültig vom Pferd gestiegen war und Davina nun wieder zurück in ihre Box führte. Sie war glücklich, dass ihr kleiner Ausritt so reibungslos geklappt hatte. Sie war glücklich, dass sie Thomas wiedergesehen hatte. Und sie war glücklich, dass es Davina gut zu gehen schien. Jedenfalls für den Moment.
>>Das freut mich!<< antwortete Mark. >>Du hast das super gemacht! Und all deine Bedenken waren völlig umsonst. << - >>Ja, aber ich hatte anfangs ganz schön Bammel. << gab Peggy zu. >>Das ist schwieriger, als es aussieht. Du kannst es ja gerne selber mal probieren. << Schelmisch grinsend hielt sie ihm die Zügel hin, doch Mark lehnte dankend ab. >>Auf keinen Fall! Ich glaube, das ist nichts für mich. <<
Peggy führte Davina zu ihrer Tränke und ließ ihr Zeit, ihren Durst zu stillen, während sie den Sattel abnahm. >>Ich muss sie noch abreiben und sauber machen. Das dauert eine Weile. Willst du schon nach Hause fahren?<< - >> Quatsch, ich warte auf dich! Wir müssen ja eh noch Emelie einsammeln. Und außerdem … <<
Er hielt inne und Peggy sah ihn fragend an. >>Außerdem?<< - >>Dieser Thomas hat so komische Andeutungen gemacht, vorhin. << sagte er zögernd. >>Du müsstest mich mal ein wenig aufklären. <<


Hingebungsvoll und mit großer Sorgfalt, versorgte Peggy kurz darauf ihr Pferd. >>Das gehört nun mal dazu. Und es ist sehr wichtig! Es kommt viel zu oft vor, dass Pferde nach dem Reiten einfach so wieder in die Box gestellt werden. Leider!<< hatte Peggy Mark erklärt. Ihr war es ein völliges Rätsel, wie man diese schönen Tiere verschwitzt, verklebt und mit schmutzigen Hufen einfach so stehen lassen konnte.
Mark saß auf einem Heuballen und sah ihr zu. >>Davina wird es dir danken. << sagte er und Peggy lächelte. Dann erinnerte sie sich jedoch an seine Anspielung auf Thomas. >>Was meintest du denn nun vorhin, als du sagtest, ich müsste dich aufklären?<< Sie hielt inne, stützte die Hände in die Hüften und sah ihn keck an. >>Ich dachte eigentlich, du wüsstest alles über Sex. << Mark lachte und stand auf. Dieses freche Frauenzimmer!
>>Allerdings! Vielleicht sollte ich dich mal wieder daran erinnern. << Er strich ihre Haare aus der leicht verschwitzten Stirn und gab ihr einen Kuss. Peggy schloss die Augen, spürte seine Lippen, fühlte seine Hand auf ihrem Po, roch sein wunderbares Aftershave … Gott, wie sehr sie diesen Mann liebte!
>>Thomas hat dich ‚Pferdemädchen‘ genannt. << begann Mark und löste sich sanft von ihr. >>Das hat mich schon ein wenig irritiert. << - >>Naja, das war nun mal mein Spitzname früher. << Peggy hob die Schultern und bürstete Davinas Fell weiter, damit sich all der Schweiß lösen konnte, der sich unter dem Sattel angesammelt hatte.  >>Alle Reitlehrer haben mich damals so genannt, weil ich so verrückt nach den Tieren war und jede freie Minute hier verbracht habe. <<  Mark schwieg einen Moment und ließ seinen Blick auf ihr Ruhen. War er mit dieser Antwort schon zufrieden? War das die Wahrheit? Natürlich! Wieso sollte Peggy ihn diesbezüglich anlügen?
>>Sonst noch was?<< fragte Peggy, Mark nickte. >>Ja. Er hat mir ein wenig von deinem Reitunterricht damals erzählt. Dass du ziemlich schnell immer besser geworden bist und so. << Peggy spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Langsam dämmerte ihr, worauf das hinauslaufen würde. >>Und er meinte, du hättest dich bei ihm immer ganz besonders ins Zeug gelegt. <<
Peggy hielt inne und schluckte. Ihre Vermutung war also richtig gewesen. Nun würde es ziemlich peinlich werden!

Sie schwieg eine Weile und Mark harkte nach. >>Was meint er damit?<< - >>Oh man, das ist schon so lange her!<< murmelte Peggy unwillig. Sie wollte nicht darüber sprechen, doch Mark ließ nicht locker. >>Was ist lange her?<<
Peggy seufzte und unterbrach einen Moment lang die Versorgung des Pferdes. >>Ich hab damals sehr viel Zeit hier verbracht. << begann sie und schob mit dem Fuß ein paar Kieselsteine vor sich her. >>Thomas hat mich sehr gefördert und mir viel beigebracht. Er war ein Vorbild… << Sie sah auf, als würde das alles erklären, doch Mark war kein bisschen schlauer. >>Ich war ganz schön in ihn verknallt. << gestand sie schließlich und Mark musste ansich halten, um nicht laut loszulachen. Sie war in ihren Reitlehrer verschossen gewesen? Da wäre er nie drauf gekommen!
>>Jaja, sehr witzig, ich weiß. << erkannte Peggy seine Belustigung leicht verärgert und wollte sich abwenden, doch er hielt sie auf. >>Hey, ich mache mich doch nicht lustig!<< besänftigte er sie. >>Ich finde die Vorstellung einfach nur ziemlich süß. Die kleine Peggy, die ihren Reitlehrer anschwärmt. << - >>Peinlich ist es! Vorallem, weil er es leider nicht vergessen zu haben scheint. Aber schön, dass du deinen Spaß hast. << - >>Naja, du stehst halt auf Lehrer! Mich hast du ja auch angehimmelt. << erwiderte Mark mit genau der richtigen Spur an Arroganz, die ab und an durchblitzte und die Peggy so liebte. Doch sie mimte die Entrüstete. >>Bilde dir bloß nichts drauf ein!<< Mark grinste verschlagen, zog sie in seine Arme und küsste sie sanft. >>Was hältst du davon, wenn du jetzt ganz schnell dein Pferd versorgst, << Er küsste sie wieder. >>, dann holen wir unsere Kleine
ab, << Noch ein Kuss, und Peggys Knie wurden immer weicher. >>, dann fahren wir nach Hause und dann … << Er strich mit seinen Lippen über ihr Gesicht und fühlte ihre heißen Wangen. >>,dann kläre ich dich nochmal über Sex auf. << flüsterte er ihr schließlich ins Ohr, und Peggy drohte nun endgültig, die Kraft in den Beinen zu verlieren. Sie schluckte. >>Guter Plan. Aber ich muss unbedingt duschen!<< - >>Hmmm, guter
Plan. << wiederholte er ihre Worte mit rauer Stimme. Und Peggy war sich einmal mehr sicher: diesen sexy Mann würde sie niemals wieder hergeben!