Die Nachhilfestunde 82: der Tag danach

Nie zuvor in seine Leben war Mark so schnell durch die Nacht gerast! Bis zum Spa war es nur eine knappe halbe Stunde, doch die Minuten zogen sich unendlich hin! So richtig schlau war er aus Saschas Gestammel eben nicht geworden, doch dass Annika und Peggy in Gefahr geraten waren stand fest! Ein weiterer Schauer überkam Mark, während er das Gaspedal durchtrat und die Ampel gerade noch bei Gelb überfuhr. Er hatte eine wahnsinnige Angst und Sascha, der wie versteinert neben ihm saß schien das gleiche zu fühlen!
Endlich waren sie auf den Parkplatz eingebogen und sprangen aus dem Auto, noch bevor Mark es richtig zum stehen gebracht hatte. Angestrengt starrte Sascha in das Dunkel und erkannte sie schließlich: nur weniger Meter von ihnen entfernt hockte Annika auf dem kalten Asphaltboden und zitterte am ganzen Körper. Genau wie Peggy, die nicht weniger mitgenommen aussah. Sie liefen auf sie zu, Sascha nahm Annikas Hände.
>>Was ist passiert?<< fragte er erschrocken, doch Annika blickte nur mit flatternden Augenlidern zu ihm zurück.
An ein klärendes Gespräch war nicht zu denken. Derweil kniete Mark schon neben Peggy und sah sie mit einer Mischung aus Angst und Mitleid an. Sie wirkte vollkommen verstört, beinah apathisch. Vorsichtig berührte er ihre Wange und sie zuckte zusammen. Es schien ihr alles weh zu tun! Erst jetzt fiel sein Blick auf Peggys eingerissenes Oberteil und die Kratzer an den Armen. Ihm wurde schlecht und auch Sascha sah ihn panisch an. Was hatte das alles nur zu bedeuten?
>>Mark, wir müssen Hilfe holen. << sagte Sascha eindringlich, denn auch ihm gefiel der Zustand der beiden ganz und gar nicht. Beide hatten mindestens einen Schock erlitten, wenn nicht noch schlimmeres! Mark nickte und zog sein Handy hervor. Er wusste zwar, wie sehr Peggy Ärzte verabscheute, doch beim Anblick der beiden war ihm das herzlich egal! Noch immer saß sie nur da und sprach kein Wort. Sie hatte nur diesen unendlich leeren Ausdruck in den Augen! Mit aller Macht unterdrückte er seine Angst und seine Tränen und wählte die Notrufnummer, während Sascha eine Decke aus dem Auto geholt hatte und sie schützend um die Mädchen legte.

Der Notarzt traf innerhalb weniger Minuten ein und nach kurzer Untersuchung stand fest, dass sowohl Peggy als auch Annika zur weiteren Abklärung ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht werden würden. Noch immer war aus ihnen kein Wort herauszubekommen und je länger ihr Schweigen andauerte, umso größer wurden die Horrorszenarien in Marks Kopf!
Er und Sascha waren hinter dem Rettungswagen hergefahren und mussten nun auf den unbequemen Stühlen vor der Notaufnahme warten, während die Mädchen in einen Untersuchungsraum gebracht worden waren. Mark hatte alles versucht, um Peggy begleiten zu können, gegen die unfreundliche Empfangsschwester jedoch keine Chance gehabt! Nun saß er neben Sascha, der vollkommen aufgelöst war und pausenlos auf ihn einredete. Er hatte sich gesetzt, um gleich darauf wieder aufzuspringen und im Wartebereich auf und abzulaufen. Es machte Mark wahnsinnig, doch er hatte keine Kraft, etwas dagegen zu sagen.
Mit blinden Augen starrte er auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Noch immer sah er dieses Bild von Peggy vor sich, wie sie da auf dem Boden gesessen hatte, verletzt und kalt und still. Es war grauenvoll! Am schlimmsten jedoch waren ihre zerrissenen Kleidungsstücke gewesen. Erneut wurde ihm speiübel und er holte tief Luft, um die Gedanken zu verdrängen. Verdammt, Emelie! Die war ja noch alleine Zuhause! Auch das noch! Er würde Natascha über den ganzen Vorfall informieren und sie bitten müssen, nach ihr zu sehen…
Nachdem Annika und Peggy auf Station und gebracht wurden und ein gemeinsames Zimmer zugewiesen bekommen hatten, trat Mark auf den Flur hinaus und wählte mit schweren Fingern Nataschas Nummer. Ihm graute vor diesem Anruf, dennoch war ihm klar, dass er unabdingbar war und er hoffte, sie würde um diese Uhrzeit überhaupt schon erreichbar sein. Natascha meldete sich etwas verschlafen und irritiert, war jedoch sofort hellwach als sie hörte, worum es ging. Sie klang ebenfalls den Tränen nahe, als sie mehr wissen wollte, doch Mark konnte ihr nicht weiterhelfen.
>>Was genau passiert ist, wissen wir auch noch nicht. << erklärte er. >>Die beiden haben kein Wort gesagt. Die Ärztin meinte, das läge am Schock. Vielleicht erfahren wir später mehr, wenn sie wieder
aufwachen. << Er warf durch die Scheibe einen Blick auf Peggy, sie schlief. Und auch Annika hatte ein leichtes Beruhigungsmittel bekommen und die Augen geschlossen, während Sascha an ihrem Bett saß und sie besorgt beobachtete.
>>Kannst du bitte zu uns fahren und dich um Emelie kümmern?<< bat Mark. >>Der Ersatzschlüssel liegt unter dem Blumenkübel, rechts neben der Tür. << - >>Natürlich! << wisperte Natascha und Mark konnte nur ahnen, wie furchtbar sie sich gerade fühlen musste. Ihm ging es ähnlich und noch immer spürte er diese beklemmende Angst in seinem Rücken. >>Bitte melde dich, wenn es etwas neues gibt ja?<< - >>Versprochen. Danke Natascha.<<
Ein wenig erleichtert beendete Mark das Gespräch und atmete tief durch. Das hatte er wenigstens schon einmal hinter sich gebracht. Vorsichtig schlich er sich wieder in das Zimmer hinein, in dem Sascha inzwischen seinen Kopf auf Annikas Bettdecke gelegt hatte und leise schnarchte. Mark trat an Peggy heran, die in diesem riesigen weißen Krankenhausbett noch verletzlicher wirkte als ohnehin schon. Er blickte auf sie herab, sah erneut die Kratzer und die aufgesprungene Lippe, deren Blut eben in der Notaufnahme flüchtig abgetupft worden war. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er einen Stuhl heranzog und sich kraftlos fallen ließ. Vorsichtig nahm er Peggys Hand und legte ihre Finger an seine Lippen. >>Wer auch immer das war, << flüsterte er. >>Er wird dafür büßen! <<

Schmerz. Überall. Alles tat weh, sogar das mühsame Aufschlagen ihrer Augen brannte wie Feuer. Peggy wandte den Kopf ein wenig, doch auch diese Bewegung quittierte ihr Körper mit einem stechenden Schmerz. Sie brauchte einen Moment um sich orientieren zu können. Neben ihr lag Annika in ihrem Bett und schlief noch tief und fest. Auch an ihrem Finger steckte der Clip eines Überwachungsmonitors, den Peggy bei sich nun abstreifte und sich weiter umsah. Mark saß schlafend neben ihr, den Kopf auf ihren Beinen. Peggy setzte sich ein wenig auf, ihre Kehle war staubtrocken. Sie fuhr sich durch das Gesicht und ertastete ihre geschwollene Lippe und auch ihr rechtes Auge fühlte sich eigenartig an. Sie musste aussehen wie ein Zombie! Vorsichtig zog sie die Beine ein Stück an sich heran und konnte nicht verhindern, dass Mark wach wurde. Sofort hob er den Kopf und sah sie besorgt an.
>>Wie geht’s dir?<< Peggy konnte sich nicht erinnern, dass seine Stimme jemals so ängstlich geklungen hatte. Sie schluckte schwer. >>Ich hab Durst!<< Mark griff nach dem Wasserglas, das auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett stand und reichte es ihr. Peggy trank das herrlich kühle Wasser in kleinen Schlucken. Wenigstens das ging schmerzlos!
>>Warst du die ganze Nacht hier?<< fragte sie leise, Mark nickte. >>Selbstverständlich! Sascha und ich sind seit gestern keine Minute von eurer Seite gewichen. << Peggy blickte zur Seite und erkannte Saschas Haare, die, genau wie die von Mark eben auf ihren Beinen, gegenüber auf Annikas Bettdecke lagen. Auch er war also bei ihnen geblieben. Wenn Annika zu sich kommen würde, würde sie sicher sehr erleichtert sein, nicht alleine in diesem Krankenzimmer aufwachen zu müssen. Ihr wurde heiß, als die Erinnerungen an gestern Nacht mit voller Wucht zurückkehrte. Der Spa-Besuch, der Parkplatz, dieser Schmerz … ihr Herz begann zu rasen. Sie wusste alles noch ganz genau, leider. Die Tränen flossen ihr über die Wangen, ohne dass sie sie hätte aufhalten können und das schauerliche Zittern, das ihren Körper schon gestern so durchgeschüttelt hatte, setzte erneut ein. Erschrocken nahm Mark ihr das Glas wieder aus der Hand und nahm sie in den Arm. Ihr Körper bebte! Sorgsam darauf bedacht ihr nicht weh zu tun bettete er ihren Kopf an seiner Schulter und ließ sie weinen.
>>Du musst mir sagen, was passiert ist!<< flüsterte er dich an ihrem Ohr, doch sie brachte kein Wort heraus.
Wenig später wurde auch Annika wach und reagierte kaum anders als Peggy. Und auch Sascha fühlte sich genauso machtlos wie Mark, denn solange unklar war, was vorgefallen war, konnten sie nicht viel tun, außer abwarten. Soeben war die Stationsschwester da gewesen, hatte ein paar Vitalwerte überprüft und das Frühstück gebracht, doch beim Anblick des Toasts und des Joghurts wurde Peggy sofort schlecht und sie schob das Tablett angewidert von sich.
>>Ich will auch nichts. << murmelte Annika, die inzwischen bei Peggy auf dem Bett saß und sich vorsichtig an sie lehnte. Sascha und Mark waren eben hinausgebeten worden, um noch einige Daten für die Akten zu vervollständigen und so hatten die beiden einen Moment für sich. >>Ich hab von der Scheiße sogar geträumt. << sagte Peggy leise. >>Ich hab das alles nochmal erlebt. << - >>Ich auch. << stimmte Annika zu. >>Aber ich glaube, das ist normal. <<
Peggys Magen drehte sich erneut um, als sie Timos wütendes Gesicht vor sich sah und die Hand, die zum Schlag ausgeholt hatte, sie schluckte. Lieber nicht darüber nachdenken. >>Ich kann Mark das nicht erzählen. << wisperte sie ängstlich.
>>Er würde durchdrehen! Er würde mich nie wieder alleine weg lassen! << Annika schloss die Augen. Sie fühlte sich schrecklich! Immerhin war es ihr Exfreund gewesen, der ihnen gestern aufgelauert und sie so übel zugerichtet hatte! Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste nur, dass diese ganze Sache eine einzige Katastrophe war! 
>>Ich muss duschen. << brachte Peggy unvermittelt hervor und stand auf. Sie war wackelig auf den Beinen, doch sie sehnte sich geradezu nach heißem Wasser und Duschgel! Vielleicht würde das helfen und die Bilder von gestern ein bisschen abspülen. Langsam schlurfte sie in das kleine Badezimmer und schaltete das fahle Deckenlicht an. Aus dem Spiegel blickte ihr ein blasses Wesen mit schorfiger Lippe und einem dunkelblau geränderten Auge entgegen. Es machte ihr ziemlich Angst. War das wirklich sie, die so aussah? Angestrengt zog sie ihr T-Shirt über den Kopf. Es war ein wenig eingerissen und schmutzig und so ließ sie es einfach zu Boden fallen. Vorsichtig berührte sie die Kratzer und blauen Flecken, die auf ihrem Oberkörper prangten. Der Schmerz katapultierte sie abermals zurück zu gestern Nacht und sie lies ihre Hand sinken. Ihr Herz zog sich zusammen, so furchtbar fand sie ihren eigenen Anblick. Wenn Mark das sehen würde… nein, das würde sie verhindern müssen! Und sie würde auch nicht mit ihm darüber reden! Nie! Es war einfach nicht passiert. Punkt!

Nachdem die Ärztin ein paar Stunden später noch einmal den Zustand der beiden überprüft hatte und sichergehen konnte, dass keine ernsthaften Verletzungen entstanden waren, gab sie ihr Okay zur Entlassung, worüber alle Beteiligten mehr als erleichtert waren. Peggy wollte nur noch nach Hause, nachdem sie eben einen weiteren Schreck bekommen hatte, als ihr Emelie eingefallen war. Doch Mark hatte sie beruhigen können und ihr von seiner Unterredung mit Natascha erzählt, was Peggy ein wenig missmutig gestimmt hatte. >>Toll, dann weiß die ja auch schon bescheid. << - >>Sie weiß nicht mehr als Sascha oder ich. << hatte Mark geantwortet und Peggy lange angesehen, um sie irgendwie aus ihrem Schweigen zu holen, doch er hatte keinen Erfolg. Und je länger es dauerte umso schwieriger wurde es für ihn auszuhalten, nicht zu wissen, was Peggy und Annika durchgemacht hatten. Es war zum verrückt werden!
Nun saßen alle vier im Zimmer und warteten darauf, dass endlich die Entlassungspapiere gebracht wurden. Annika hatte sich fest an Sascha geklammert und schien ihn nie wieder loslassen zu wollen. Peggy hingegen saß zusammengekauert auf ihrem Bett, hatte die Knie angezogen als wolle sie sich selbst beschützen. Mark hatte versucht, ihr ein wenig näher zu kommen, doch Peggy hatte sich sofort zurückgezogen. Aus Schmerz, wie er vermutet hatte und deswegen auch keine Anstalten machte, es erneut zu versuchen. Doch Peggy spürte, dass sie im Augenblick einfach keine Nähe wollte. Wieso auch immer, aber jede Berührung hinterließ es unangenehmes Gefühl auf ihrer Haut.
Endlich klopfte es an der Zimmertür, doch statt der Ärztin traten zwei Polizeibeamtinnen ein und nickten kurz zur Begrüßung. Annika erschrak und auch Peggy sah den beiden Frauen entgeistert entgegen. >>Wir sind über ein mutmaßliches Gewaltverbrechen informiert worden. << erklärte eine der beiden Beamtinnen mit zu lauter Stimme. >>Wir müssen Ihre Aussage zu Protokoll nehmen, um eine eventuelle Anzeige aufgeben zu können!<< Weder Annika noch Peggy waren fähig zu antworten, deswegen stand Sascha auf und stellte sich den beiden gegenüber. >>Sehen Sie denn nicht, dass sie völlig fertig sind? Sie hätten sich kaum einen unpassenderen Zeitpunkt aussuchen können!<< - >>Ich verstehe Ihre Aufregung, aber die Aussagen müssen so schnell wie möglich passieren. << Die dunkelblonde Polizistin legte eine dermaßen einschüchternde Art an den Tag, dass Sascha sofort still wurde und sich unsicher zu Mark umsah. Der hob nur die Schultern und sah zu Peggy. Er bemerkte die Angst in ihren Augen, doch es war eigentlich gar keine schlechte Idee, eine Aussage zu machen. Dann hätten sie immerhin eine Chance, den Täter zu fassen. Annika war aufgestanden und zu Peggy hinübergeschlichen. Zaghaft setzte sie sich neben sie, vermied es jedoch, sie anzufassen. Sie wusste, dass das im Augenblick vermutlich keine gute Idee war. >>Komm schon, das schaffen wir. << murmelte sie und warf dann einen Blick zu Mark. >>Könnt ihr draußen warten?<< - >>Was? Wieso?<< - >>Bitte!<< sagte Annika eindringlich, denn sie hatte das Gefühl, es würde ihrer Freundin leichter fallen, wenn so wenig Leute wie möglich im Raum waren. Und die Art, wie Peggy sie gerade dankbar ansah, bestätigte ihren Verdacht. Peggy nickte Mark zu und obwohl er sich keinen Reim darauf machen konnte, verließ er mit Sascha das Zimmer.

>>Ich werde noch wahnsinnig. << sagte Mark zum wiederholten Mal, während er mit Sascha auf dem Flur wartete und sich auf unschöne Weise an die gestrige Nacht in der Notaufnahme erinnert fühlte. >>Ich dreh durch, wenn sie nicht endlich mit mir redet!<< - >>Du kannst sie nicht zwingen. Wenn sie nicht will… << Sascha versuchte ihm Mut zu machen, gleichzeitig empfand er eine ähnliche Ohnmacht, denn bislang hatte auch Annika noch nichts über den Vorfall erzählt, was sehr schwer auszuhalten war. Aber er war sich sicher, dass Druck gerade das falsche Mittel sein würde. >>Immerhin sprechen sie mit der Polizei, das ist ein Anfang. << fand Sascha und Mark atmete tief durch. Er konnte nur hoffen, dass er recht behielt und sich Peggy ihm dadurch doch noch anvertrauen würde.
Irgendwann öffnete sich die Tür und Peggy und Annika traten hinaus, dicht gefolgt von den beiden Beamtinnen, die gerade wieder ihre Kappen aufsetzen und einige Papiere in der Hand hatten. Peggy hatte geweint, das sah Mark sofort und auch Annika wirkte mitgenommen. Das Gespräch war sicher alles andere als einfach gewesen. >>Ich danke Ihnen. Wir werden alles weitere veranlassen. << sagte die Beamtin an die Mädchen gewandt, doch damit gab sich Mark nicht zufrieden. >>Was heißt alles weitere? << - >>Peggy und Annika haben Ihre Aussagen gemacht, den Rest überlassen Sie bitte uns. << kanzelte sie ihn ab und marschierte gemeinsam mit Ihrer Kollegin Richtung Ausgang. Mark sah ihr nach. Empathisch schienen diese beiden nicht gerade gewesen zu sein. >>Habt ihr Anzeige erstattet?<< fragte Sascha vorsichtig, Annika nickte und irgendwie erleichterte ihn das sehr. Immerhin etwas! >>Und gegen wen?<< Marks bohrende Frage war unüberhörbar deutlich, erntete jedoch nur eisernes Schweigen. Peggy hatte den Blick fest auf den Boden geheftet, sie schien nicht daran zu denken, ihm zu antworten. Und das machte ihn rasend! >>Kommt, wir fahren nach Hause. << lenkte Sascha ein, nahm Annika vorsichtig in den Arm und ging mit ihr voraus, während Peggy und Mark noch stehenblieben und sie langsam die Augen hob. Dieser unendlich leere und traurige Blick hatte sich seit Stunden nicht verändert. Mark brach es das Herz, vorallem, weil er ihr nicht helfen konnte.  >>Wieso sprichst du nicht mit mir?<< - >>Bitte Mark, lass es. << antwortete sie bedrückt und folgte den anderen hinaus.

Auch die Fahrt nach Hause verlief still. Annika und Peggy saßen nebeneinander auf der Rückbank und waren nach wie vor in sich gekehrt, während Mark den Wagen durch den Nachmittagsverkehr lenkte und seine Gefühle zu ordnen versuchte. Er wusste, dass er Peggy weder drängen sollte noch konnte, und doch musste er irgendetwas tun, damit sie endlich ihr Schweigen brach. Danach würde es ihr besser gehen, dessen war er sich sicher. Er bog in Annikas Straße ein und machte vor ihrer Wohnung Halt. Sascha stieg mit aus, Annika hatte ihn darum gebeten, bei ihr zu bleiben, denn alleine sein war das Letzte was sie jetzt wollte. Annika hatte Peggy zum Abschied die Hand gedrückt. Sie wollte noch irgendetwas sagen, fand jedoch nicht die richtigen Worte und verabschiedete sich daher nur mit einem kleinen Lächeln. Und Peggy lächelte schwach und ausdrucklos zurück.
Natascha hatte Emelie nach einem Bad gerade wieder angezogen und hörte nun, wie die Haustür geöffnet wurde. Rasch huschte sie über den Flur und sah Peggy und Mark hereinkommen. Beim Anblick ihrer blassen Tochter und den Verletzungen im Gesicht wurde sie aschfahl und sie stürmte auf Peggy zu. >>Mein Schatz! Oh Gott, was ist denn passiert?<< Doch noch ehe ihre ausgestreckte Hand sie berührt hatte, war Peggy schon zurückgeschreckt und sah ihre Mutter beinah ängstlich an. Mark fing Nataschas Blick ein und zuckte nur die Schultern. Für ihn waren Peggys sonderbare Reaktionen nichts Neues mehr. So ging das schon die ganze Zeit!
>>Wie geht’s Emelie?<< fragte Peggy mit dünner Stimme, aber Mark war froh, dass sie überhaupt etwas sagte. >>Ihr geht’s gut, keine Sorge! Ich glaube, sie hat eure Abwesenheit heute Nacht gar nicht richtig bemerkt. << versicherte Natascha. Peggy ließ die beiden stehen und machte sich auf den Weg in das Kinderzimmer, in dem Emelie friedlich spielend auf dem Boden saß und wunderbar duftete. Offenbar hatte sie gerade erst ein Schaumbad genossen. Zum ersten Mal seit gestern spürte Peggy wieder so etwas wie Freude, als sie die Kleine sah und hob sie auf ihre Arme. Ihre Mutter hatte sie bestens versorgt! Sie trat wieder auf den Flur. >>Danke dass du dich gekümmert hast. << sagte Peggy an Natascha gewandt. >>Sie sieht gut aus!<< - >>Ja, sie hat auch brav Mittagsschlaf gemacht und dann euer Badezimmer unter Wasser gesetzt. << erzählte diese und war erleichtert, als sie ein kleines Lächeln auf Peggys spröden Lippen erkannte. Was hätte sie darum gegeben, dass Peggy sich mitteilte und sie mehr über diesen mysteriösen Abend gestern erfahren hätte. Doch es war Zeit zu gehen und sie mit Mark alleine zu lassen. Vielleicht würde das ihre Mauer durchbrechen! Sie griff nach ihrer Tasche und der Jacke und trat aber doch noch einmal auf Peggy zu. >>Ganz egal, was du erlebt hast: du kannst mit ihm reden! Und das solltest du auch!<<
Peggy sagte nichts, drückte Emelie nur fester an sich und sah zu, wie ihre Mutter und Mark sich verabschiedeten. Dann waren sie allein und ein dröhnendes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Ein Schweigen, das Antworten forderte und Peggy Schauer über den Rücken jagte. Mark stand ihr an die Wand gelehnt gegenüber und fixierte sie mit seinem Blick.
>>Und, was machen wir heute noch?<< fragte sie urplötzlich, er schaute sie überrascht an. >>Wie meinst du das?<< - >>Naja, es ist doch erst Nachmittag! Wir können noch etwas unternehmen, bei dem schönen Wetter. << Ihre beinah überschwängliche Fröhlichkeit machte Mark fast noch mehr Angst als ihr bitteres Schweigen. Anscheinend wollte sie mit allen Mitteln einem ernsthaften Gespräch aus dem Weg gehen! Er war nicht sicher, ob er da mitspielen sollte. Oder wollte! Nein, er wollte endlich wissen, was geschehen war, vorher würde er nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren können. Doch da kamen ihm Saschas Worte wieder in den Sinn: du kannst sie nicht zwingen. Und da war was dran.
>>Worauf hast du denn Lust?<< fragte er also ruhig, Peggy dachte nach. >>Ich glaube, ich möchte jetzt was essen gehen! Ich hab Hunger. <<
Hunger, das war ein gutes Zeichen. Mark nickte und erwiderte ihr schwaches Lächeln. >>Also gut, Essen. <<