Die Nachhilfestunde 43: schlaflos

Mit leicht zitternder Hand, dennoch aber hochkonzentriert, drückte Sascha die Tube mit der Zuckerglasur auf dem Kuchen aus, den er eben aus dem Ofen genommen hatte. Dieser war, wider Erwarten, ganz gut geworden, jedenfalls optisch. Jetzt musste nur noch der Schriftzug gelingen, und das war wirklich keine leichte Aufgabe. Aber es klappte und schon bald zog sich ein rotes *Herzlich Willkommen* über den ganzen Kuchen. Er hatte ihn für Peggy und Mark gebacken, als kleine Überraschung, wenn sie gleich aus dem Krankenhaus kommen würden.

Sascha nickte zufrieden und plazierte sein Kunstwerk schließlich auf dem Wohnzimmertisch. Er freute sich darauf, dass die beiden endlich nach Hause kommen würden, und natürlich auf Emelie! Er hatte die Kleine erst einmal gesehen, als er Peggy besuchte und festgestellt, dass Mark nicht übertrieben hatte: sie war wirklich ein wunderschönes Baby! Vielleicht sogar genauso schön, wie Jacky es damals gewesen war ... nein, seine Tochter war doch noch ein kleines bisschen hübscher gewesen.
In diesem Moment hörte Sascha die Schlüssel in der Haustür und lief erfreut auf Peggy und Mark zu, die gerade hereinkamen und sich ebenfalls freute, wieder Daheim zu sein. >>Hi! Schön, dass ihr wieder da seid!<< rief Sascha und zog erst Peggy, dann Mark in eine freundschaftliche Umarmung. Peggy lächelte gerührt, auch wenn sie bereits ahnte, dass der Tag, an dem Sascha wegen Emelies kräftigem Geschrei wahnsinnig werden würde, sicher rasch kommen würde! >>Ich freu mich auch!<< erwiderte sie und wurde dann auf den Kuchenduft aufmerksam, der den Flur durchzog. >>Wow, das riecht aber gut. Hast du gebacken?<<- >>Ich hab es versucht. Ob mir das gelungen ist, dürft ihr entscheiden. << antwortete Sascha und beugte sich dann vorsichtig über die Baby-Tragetasche, die Mark bei sich hatte.
>>Wie geht's denn unserer neuen Mitbewohnerin?<< - >>Sie schläft grade. << sagte Mark leise und grinste. >>Schade eigentlich, dann bekommt sie den Einzug in ihr neues Zimmer gar nicht mit. << Gemeinsam gingen sie über den Flur in das Kinderzimmer, das sich direkt neben dem Schlafzimmer befand, und Mark stellte die Tragetasche vorsichtig auf der Wickelkommode ab. Peggy lächelte amüsiert, als sie sich umschaute. Der Raum war tatsächlich beinah komplett rosa geworden. Nur die Decke, die Vorhänge, die Wiege und einige Accesoirs waren in weiß gehalten. Ansonsten war es das wahre Barbie-Paradies! Sascha und Mark hatten ganze Arbeit geleistet!
Dieser hatte Emelie mittlerweile herausgenommen und hielt sie nun liebevoll im Arm. >>Willkommen Zuhause. << flüsterte er und drückte einen sanften Kuss auf die kleine Stirn.
>>Schon ganz schön gewachsen, die Süße. << stellte Sascha fest. >>Letzte Woche war sie noch kleiner. << - >>Hör bloß auf, ich will gar nicht daran denken, wie schnell sie groß werden wird. << erwiderte Mark und Peggy musste lachen. >>Sie ist gerade mal knappe zwei Wochen alt. Ein bisschen wird es schon noch dauern, bis sie so groß ist, dass du sie nicht mehr auf den Arm nehmen kannst. << - >>Hoffentlich. << Mark drückte seine Tochter fester an sich und sie gab ein leises, durchaus zufrieden klingendes Grummeln von sich. Peggy schluckte und spürte, wie sich ihr Herz bei diesem Anblick zusammenzog! Dieser Anblick, der alles war, was sie liebte, alles, was sie wollte, brauchte und nie wieder hergeben würde! Dieser Anblick, der ihre ganze Welt war!


>>Also ich fand Saschas Kuchen sehr gut!<< sagte Peggy, als sie wenig später alleine waren und die Sachen aus der Krankenhaustasche wieder zurück in den Schrank räumte. Sascha war noch eine Weile geblieben, hatte dankend zur Kenntnis genommen, dass sein Backen erfolgreich gewesen war, und sich schließlich verabschiedet, um in seine eigene Wohnung an den Schreibtisch zurückzukehren, an dem noch Arbeit auf ihn wartete.
Mark nickte zustimmend, doch Peggy registrierte, dass er mit seinen Gedanken woanders war, so starr, wie er auf sein Handy herabblickte. Sie setzte sich neben ihn auf das Bett und warf einen knappen Blick auf das Display, auf dem irgendeine Nachricht leuchtete. >>Schlechte Neuigkeiten?<< vermutete sie.
>>Ja. Nein, das heißt, doch...nein, nicht wirklich. << erwiderte Mark unsicher und Peggy sah ihn fragend an. >>Muss man das verstehen?<< - >>Kathi hat mir geschrieben. << Mark hielt Peggy das Handy hin, das sie ergriff und den Text überflog:

*Bruderherz! Würde mich freuen, wenn wir uns mal wieder sehen könnten. wie sieht's morgen bei dir aus? Kathi*

Peggy nickte langsam und sah dann ein wenig unverständlich zu Mark zurück. >>Und wo ist das Problem?<< - >>Das Problem ist, dass sie nicht weiß, dass sie mittlerweile Tante
ist. << - >>Hast du ihr gar nicht erzählt, dass ich schwanger war?<< Mark zögerte und wich ihrem Blick aus, und Peggy ahnte bereits, was die eigentliche Schwierigkeit war. >>Du hast ihr nie von uns erzählt, richtig? Nie von mir!<< - >>Doch, schon. Ich hab ihr damals erzählt, dass ich eine Freundin habe, als wir zusammengekommen sind. Aber nicht, dass du meine Schülerin warst und knapp 20 Jahre jünger bist, als ich. <<

Peggy blickte ihn an und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Schön war etwas anderes, andererseits: damals hatte ihre Beziehung unter keinem guten Stern gestanden und es war besser gewesen, dass so wenig Leute wie möglich davon wussten. Also konnte sie es irgendwie nachvollziehen, dass Mark das ein oder andere Detail gegenüber seiner Schwester verschwiegen hatte. >>Ich finde, du solltest reinen Tisch machen. << sagte sie. >>Lad sie ein! Erstens kannst du das alles nicht ewig verheimlichen, zweitens sollte sie schon wissen, dass es Emelie gibt und drittens, würde ich sie auch gerne mal
kennenlernen. <<

Mark erwiderte nichts und schaute unschlüssig auf sein Handy. Es stimmte, er hatte seine Schwester bestimmt schon drei Jahre nicht mehr gesehen. Sie war viel unterwegs, bereiste als Stewardess die ganze Welt. Sie sahen sich wirklich selten, dabei liebte er seine kleine Schwester von ganzem Herzen! Sie hatten seit jeher ein gutes Verhältnis und eine wunderschöne Kindheit gehabt, zusammen die tollsten Pläne geschmiedet und sich von den Eltern oft eine Standpauke anhören dürfen, wenn sie wieder einmal bei den Nachbarn Klingelstreiche gemacht, oder im Haus eine Kissenschlacht veranstaltet hatten, dass es danach aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Er lächelte bei der Erinnerung daran und nickte schließlich. >>Ja, du hast recht. Ich würde sie auch gerne mal wiedersehen. << Auffordernd deutete Peggy auf das Handy und Mark schrieb seiner Schwester zurück.

*morgen passt gut. 18 Uhr? Abendessen bei mir.*

Katharina antwortete postwendend.

*sehr schön! ich bringe einen guten Wein mit. kommt deine Freundin auch? ;) *

Peggy lachte, als Mark ihr den Text vorlas. >>Was meinst du? Soll ich auch kommen?<< - >>Ich bestehe darauf! << antwortete Mark und küsste sie flüchtig, bevor er erneut antwortete.

*sie wohnt inzwischen bei mir und freut sich, dich kennenzulernen.*

*ganz meinerseits! :)*

>>Dann hoffe ich mal, dass sich Emelie morgen benimmt und nicht allzu oft ihr lautes Stimmchen einsetzt!<< zwinkerte Peggy, Mark sah sie mit gespielter Entrüstung an. >>Meine Tochter weiß, was sich gehört!<< - >>Dann ist ja gut. << erwiderte sie, küsste ihn sanft auf die Lippen und ließ sich nur allzu gerne auf das Bett zurückdrücken.


Selbst wenn Mark Recht gehabt und Emelie schon hätte wissen können, was sich gehörte: in der folgenden Nacht hatte sie es anscheinend vergessen, denn sie holte ihre Eltern regelmäßig durch herzzerreißendes Weinen und Klagen aus dem Schlaf. Und jedesmal rappelte sich entweder Mark oder Peggy mühsam auf, um ihr kleines schreiendes Wunder zu beruhigen. Und jedesmal wurde es schwerer!
Auch jetzt drang wieder eine kräftige Stimme an Peggys Ohr und sie schlug mühsam die Augen auf. Der Wecker zeigte es 02:50 Uhr an und sie war endlich wieder eingeschlafen, nachdem sich ihre Tochter vor zwei Stunden das letzte Mal gemeldet hatte. Auch Mark wurde wach und streckte sich unwillig. >>Was hat sie denn schon wieder?<< murmelte er schlaftrunken, Peggy gähnte. >>Keine Ahnung, wahrscheinlich Langeweile. Oder Sehnsucht nach dir, in dem Fall kann ich sie sehr gut verstehen. << Sie richtete sich auf und wollte gerade aus dem Bett klettern, als Mark sie zurückhielt. >>Bleib liegen, du warst vorhin schon dran. << - >>Oh, ich liebe dich!<< erwiderte Peggy dankbar und Mark verließ das Zimmer. Sekundenspäter verstummte Emelies Geschrei und Peggy lächelte. Jetzt hat er sie hochgenommen, dachte sie und schloss die Augen. Und jetzt trägt er sie ein wenig umher, damit sie müde wird. Und jetzt... Peggy spürte, wie die eigene Müdigkeit sie übermannte und zog die Decke enger um sich.
Sie war schon fast eingeschlafen,
sodass sie gar nicht mitbekam, wie Mark leise an das Bett trat, Emelie auf dem Arm, und mitfühlend auf Peggy herabsah. Sie sah so entspannt aus, wie sie da lag, und so wahnsinnig süß! Aber er musste sie wecken, und das hasste er jedesmal auf's Neue! Vorsichtig strich er ihr über die Haare, doch sie reagierte nicht. Er setzte sich an die Bettkante und gab ihr einen Kuss auf die Wange. >>Wach auf, Süße. << Noch immer keine Reaktion. Mark küsste sie erneut und strich noch einmal über die langen blonden Haare, die sich wild und ungebändigt auf das Kopfkissen und über ihre Schultern bis auf den Rücken ergossen.
>>Mann, was ist denn?<< murmelte Peggy schläfrig und drehte sich langsam zu ihm um. >>Ich fürchte, sie hat Hunger. << erklärte Mark . >>Und da ist sie bei dir eindeutig an der besseren Adresse. <<- >>Ich hab sie doch vorhin erst
gestillt. << antwortete sie, Mark zuckte die Schultern und Peggy setzte sich auf, um die Nachttischlampe anzuknipsen. Das Licht erschien ihr doppelt so grell, wie sonst. Sie war so müde und ihr war so kalt! Dass sie jetzt ihr Oberteil ausziehen musste, machte die Sache nicht besser.

>>Okay, gib sie mir. << sagte sie schließlich und Mark legte ihr Emelie in die Arme, die sich schon wenige Sekunden später an Peggys Brust festgesaugt hatte. Mark hatte also richtig gelegen.
Er betrachtete das Bild seiner beiden Frauen, seines süßen, kleinen, trinkenden Babys, und seiner müden, blassen und dennoch umwerfend schönen Freundin, die mit freiem Oberkörper dasaß und geduldig abwartete. Peggy bemerkte seinen aufmerksamen Blick. >>Was ist?<< - >>Nichts. Ich liebe es einfach, dich mit Emelie zu sehen. << Er grinste und deutete knapp auf ihre Brüste. >>Vorallem so!<< - >>Mark, also echt!<< Peggy schüttelte tadelnd den Kopf, konnte sich aber ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen. Mark rückte ein Stück näher an sie heran und ließ seine Finger träge über ihr Bein gleiten. >>Wenn wir sowieso wach sind, könnten wir
doch ... << - >>Stopp! << Peggy hob einhaltend die Hand. >>Keine Anspielungen, Emelie hört das alles! Abgesehen davon bin ich eh zu k.o.!<< - >>Und wenn ich dir sagen würde, dass du dich nur hinlegen müsstest, und ich die Arbeit mache?<< Peggy musste lachen. >>Arbeit? Du nennst das Arbeit? Ich finde, die Bezeichnung müssen wir nochmal überdenken.<< Sie schaute auf Emelie hinunter, die inzwischen ruhig war und satt zu sein schien. Sie zog sich rasch ihr Oberteil an und stand auf. >>Ich bringe jetzt unsere Tochter ins Bett. << - >>Die hat's gut!<< sagte Mark leise und Peggy warf ihm einen aufreizenden Blick zu, ehe sie den Raum verließ und Mark sich seufzend auf dem Bett ausstreckte.



Am nächsten Tag verbrachte Peggy Stunden damit, sich Gedanken über ihr Outfit zu machen. Irgendetwas schickes, aber nicht zu aufgedonnertes musste es sein. Etwas, das einen guten Eindruck machte, aber nicht spießig wirkte. Hilflos stand sie vor ihrem Kleiderschrank und entschied sich schließlich für eine klassische schwarze Jeans, eine taillierte Bluse und nur leichtes Make Up. Ihre Haare fasste sie am Hinterkopf zusammen und steckte sie hoch, damit die neuen Ohrringe, die Mark ihr geschenkt hatte, gut zur Geltung kommen konnten. Sie wusste, dass sie in diesen Sachen ein bisschen erwachsener aussah, als sonst, aber das wollte sie ja gerade.
So betrat sie am Abend das Esszimmer, in dem Mark mit Emelie saß und sie bewundernd anschaute. >>Wow, du siehst großartig aus!<< sagte er, stand auf und küsste sie auf die dezent geschminkten Lippen. >>Kathi wird begeistert von dir
sein. <<- >>Na hoffentlich. << murmelte Peggy und nahm Emelie ansich, die gerade aus ihrem Schlaf erwacht war und den kleinen Mund zu einem Gähnen verzog. Dabei lief ein wenig Spucke über ihr Kinn, den Mark mit einem Tuch beiseite wischte. >>Hey, versau deiner Mama nicht ihr sexy Outfit. << grinste er und Peggy schaute auf. >>Sexy?<< - >>Oh, und wie!<< - >>Ich wollte eigentlich seriös und anständig
wirken. << ->>Anständig? Du? Das schaffst du nie. << zwinkerte er und erstickte Peggys anklingenden Protest in einem weiteren, diesesmal sehr viel intensiveren Kuss, der durch die Türklingel unterbrochen wurde. Sofort löste Peggy sich von seinen Lippen. >>Machst du auf? Ich bringe Emelie in ihr Zimmer. <<
Ihr stand die Nervosität ins Gesicht geschrieben, das sah Mark sofort! Wieso war sie nur so aufgeregt? Es ging schließlich nur um seine kleine Schwester. Doch dann erinnerte er sich an den Tag, an dem Peggys Eltern ihn zum Essen eingeladen hatten. Damals war er nicht weniger aufgeregt gewesen. Vielleicht war das so, wenn man die Familie des Partners kennenlernte, und in ihrem Fall ganz besonders …

Während er zur Tür ging, huschte Peggy in das Kinderzimmer und legte ihr Baby zurück in die Wiege. Sie deckte sie zu und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn, als sie schon eine junge helle Stimme aus dem Hausflur erklingen hörte. Das musste sie sein. >>Deine Tante ist da, Emelie. <<flüsterte sie ihrem Kind zu, das die Augen schon wieder geschlossen hatte und erneut einzuschlafen schien. >>Egal, wie der Abend wird: dich wird sie lieben, das weiß ich!<<


>>Also die sieht ihm ja wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich!<< staunte Annika, als sie und Peggy wenige Tage später zusammen im Café saßen und auf Peggys Smartphone Bilder des gelungenen Abends mit Marks Schwester anschauten. Peggy lächelte, es stimmte. Kathi war auf ihre Art und Weise genauso attraktiv, wie Mark. Und auch genauso nett und witzig, wie er. Entgegen ihrer Befürchtungen, war sie Peggy von Anfang an herzlich entgegengetreten und schon nach einer Stunde hatte Peggy das Gefühl, sie ewig zu kennen, so gut hatten sie sich unterhalten. Es war wunderbar gewesen!
>>Und wie hat sie auf Emelie reagiert?<< fragte Annika und warf einen Blick in den Kinderwagen, der neben dem Tisch stand und in dem die Kleine wieder einmal den Schlaf der Gerechten hielt. >>Naja, da war sie schon ein wenig …sagen wir mal, überrascht. Sie hat sich halt gewundert, warum Mark ihr das nicht sofort gesagt hat. Und dann haben wir die ganze Wahrheit aufgedeckt und ihr unsere Geschichte erzählt. << Peggy hielt inne. Das waren die einzigen Minuten gewesen, in denen die Stimmung ein wenig gekippt war, denn als Kathi erfuhr, dass ihr Bruder sich damals auf eine seine Schülerinnen eingelassen und damit seine Existenz riskiert hatte, war sie alles andere als begeistert gewesen. Und das hatte Peggy ihr noch nicht einmal verübeln können. Aber als sie Emelie dann gesehen hatte, waren alle Bedenken vergessen und sie war außer sich vor Freude darüber, dass sie nun Tante eines so süßen kleinen Geschöpfes war, wie Peggy lächelnd berichtete. >>Und dann war alles wieder gut! << schloss sie schließlich und Annika streckte den Daumen in die Höhe, um sich dann weitere Fotos auf dem Handy anzuschauen, die allesamt entweder Mark, oder Kathi oder Peggy zusammen mit den beiden zeigten und von einem wirklich netten Abend zeugten.
>>Ich bin echt froh, dass es so gut gelaufen ist. Ich hatte schon Angst, sie würde mich total blöd finden, oder so. << gestand Peggy und nippte an ihrem Kaffee, der an dem heutigen kalten Tag wirklich gut tat! Annika gab ihr das Smartphone zurück und schüttelte lächelnd den Kopf. >>Also ich kenne nicht einen Menschen, der dich blöd findet. Außer Chantal vielleicht. << Sie grinste, und da fiel Peggy siedend heiß ein, dass sie Chantal in den letzten Wochen völlig vergessen hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie es ihr ging und was aus der Sache mit ihr und Chris geworden war. Scheiße! Und dabei hatte sie doch versprochen, ihr in dieser Angelegenheit beizustehen.
>>Was ist denn?<< fragte Annika belustigt, als sie Peggys erschrockene Reaktion bemerkte. >>Ich muss los. << antwortete Peggy und kramte in ihrer Tasche nach Geld. Sie würde einfach zu Chantal fahren und nachsehen, wie es ihr ging. >>Ich wollte mit Mark und der Kleinen später noch zum Babyschwimmen. << Kurz verspürte sie ein schlechtes Gewissen, dass sie ihre beste Freundin anlügen musste, aber sie hielt es für besser, über die Sache mit Chantal und deren Probleme Stillschweigen zu bewahren. Fürs erste zu Mindest.
>>Ihr seid so ne richtige Familie geworden. << bemerkte Annika mit gespielt genervtem Tonfall und verdrehte die Augen, als sie aufstanden. Peggy grinste amüsiert und steuerte mit dem Kinderwagen auf die Tür zu. Als sie auf die Straße traten, empfing sie ein kühler Wind. Man spürte, dass der Herbst schon Einzug in die Stadt gehalten hatte. Peggy zog ihre Jacke enger um die Schultern und strich die Decke des Kinderwagens glatt, unter der Emelie eingepackt war. >>Soll ich dich nach Hause fahren?<< bot Peggy Annika an, diese nickte. >>Oh ja, gerne, wenn das keine Umstände macht. << - >>Quatsch,liegt doch auf dem Weg. <<
Sie wollten gerade losgehen, als Peggy plötzlich innehielt und beinahe erschrocken aufsah. Ihr Vater stand ihr gegenüber und blickte sie nicht weniger erschrocken an. Es war lange her, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten und seit dem war eine Menge passiert. Peggy war die erste, die sich fing, und lächelte. >>Hallo Papa. Wie geht’s dir?<< Frank blickte sie einen Moment lang schweigend an und holte tief Luft. >>Die Frage ist, wie geht es dir?<< Er warf einen knappen Blick auf den Kinderwagen und Peggy wusste sofort, worauf er hinaus wollte. >>Es könnte nicht besser sein. << antwortete sie und wartete ungeduldig darauf, dass ihr Vater endlich darum bat, einen Blick auf Emelie werfen zu können. Das musste er jetzt einfach wollen! Jetzt, wo sie so unverhofft aufeinander getroffen waren. Doch er sagte nichts, schaute Peggy nur weiter mit durchdringend an, sodass sie unsicher wurde. Irgendwie lag eine merkwürdige Spannung in der Luft, das spürte auch Annika, die ein wenig hilflos daneben stand und die Situation stumm verfolgte.
>>Was macht die Uni?<< fragte Peggys Vater nach einer scheinbaren Ewigkeit, Peggy schluckte. >>Ich war jetzt eine Weile nicht dort, nur zu ein paar Vorlesungen …wegen
Emelie. << Sie konnte förmlich sehen, wie sich ihr Vater noch ein Stück mehr von ihr distanzierte, und sie wusste auch, wieso. Dass sie damals das Medizinstudium abgelehnt hatte, war eine Sache. Aber dass sie nun auch ihr Wunschstudium vernachlässigte und dafür lieber jede freie Minute mit ihrem Baby verbrachte, das würde er nicht verstehen können, da war sie sich sicher. Dennoch war sie überzeugt: würde er Emelie nur einmal ansehen, wäre seine Meinung eine andere.
>>Willst du sie mal sehen?<< fragte sie hoffnungsvoll und schob den Kinderwagen ein Stück vor. Frank zögerte, beugte sich dann aber vor und sah dort das kleine schlafende Wesen liegen, das sein Enkelkind war. Seine Frau hatte nicht übertrieben: es war wirklich ein außergewöhnlich zartes und schönes Baby…wie Peggy damals. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, das Peggy ein wenig Mut verlieh. Sie lächelte auch. >>Ist sie nicht süß? Ich liebe sie über alles! Und Mark tut das auch. << - >>Ja. Sehr süß. << erwiderte Frank und richtete sich wieder auf. Peggy hatte das Gefühl, er wolle noch etwas sagen, aber dann behielt er es für sich. >>Passt gut auf euch auf. << murmelte er, ehe er weiter ging und Peggy ihm noch eine Weile nachsah. Er würde es wahrscheinlich nicht zugeben, aber auch ihn hatte die kleine Emelie verzaubert … das hoffte sie jedenfalls!