Die Nachhilfestunde 64: Mama!


>>Wo hast du eigentlich Emelie gelassen?<< erkundigte sich Peggy, als sie und Mark wenig später aus dem Krankenhausgebäude wieder ins Freie traten.
>>Bei Sascha. << antwortete Mark. >>Allmählich sollten wir ihm Geld bezahlen, so oft wie er auf sie aufpasst. << - >>Hast du ihm erzählt, um was es geht?<< - >>Nein. Nur gesagt, dass ich dringend weg muss. Für lange Erklärungen hatte ich gar keinen Kopf. <<
Mark blieb einen Moment stehen und nahm Peggy bei den Händen. Seine Augen überflogen ihr Gesicht, als müsse er sich noch einmal vergewissern, dass es ihr wieder gut ging. >>Als dein Vater anrief und mir sagte, du seist hier … ich hatte so große Angst, dir könnte etwas zugestoßen sein. << Peggy senkte den Blick, als sie erneut von Schuldgefühlen heimgesucht wurde. >>Ich werde jetzt besser auf mich aufpassen. Versprochen! << - >>Für den Anfang würde es mir schon reichen, wenn du mit Sina abschließt. Endgültig! Du hast getan, was du konntest. Es reicht. << fügte er noch sanft hinzu als er ihre Unentschlossenheit bemerkte. Und er hoffte inständig, dass sie das genauso sah. Was heute Nachmittag passiert war, war zwar alles andere als schön gewesen, doch vielleicht auch eine heilsame Erfahrung, eine Art Schocktherapie die Peggy begreifen ließ, dass sie genug für und um Sina gekämpft hatte.
>>Was ist denn nun deine ‚bessere Idee‘?<< wollte Peggy wissen, während sie weitergingen.
>>Abwarten. << lächelte Mark. >>Erstmal muss ich wissen, wie du dich fühlst. << - >>Ein bisschen müde vielleicht, aber ansonsten … was hast du denn vor?<< Mark antwortete nicht, zog sie nur weiter an der Hand in Richtung Parkplatz. >>Hallo, hörst du mir zu? << Wieder nichts. Peggy runzelte die Stirn. >>Man, ich hasse es, wenn du mich so auf die Folter spannst. << Mark lachte, er liebte es, wenn sie sich so künstlich aufregte und versuchte, böse mit ihm zu werden, obwohl aus ihr die pure Neugier sprach.  >>Jetzt sag schon!<< bohrte Peggy weiter, Mark blieb

abrupt stehen und sah ihr tief in die Augen. Peggy schluckte. Diese Augen, dieser Blick … wenn sie etwas schwach werden ließ, dann dieser Blick!
>>Klappe halten und einsteigen! << raunte Mark ihr zu, deute auf sein Auto und öffnete die Beifahrertür. >>Okay … jetzt hab ich ein bisschen Angst. << gestand Peggy und Mark zwinkerte ihr zu. >>Musst du nicht. Es geht nur nach Hause. <<

 

In ihrer Wohnung angekommen, bot sich Mark und Peggy ein friedliches Bild: Emelie lag bäuchlings auf ihrer weißen Krabbeldecke im Wohnzimmer und schaute mit großen Augen zu Sascha hoch, der auf dem Sofa saß und die Zeitung studierte, jedoch sofort aufsprang, als die beiden eintraten. Besorgt sah er Peggy an. >>Hey, ist was passiert?  Mark war so komisch vorhin.  << - >>Das ist eine etwas längere Geschichte. << wich Peggy aus, sie hatte gerade weder Lust noch Kraft, das ganze Drama noch einmal erklären zu müssen. >>Aber  mir geht’s gut, keine Sorge. Danke fürs Babysitten. << - >>Oh, kein Problem. Sie war ganz pflegeleicht. <<  Unterdessen hatte Mark sich schon zu seiner Tochter gesetzt und sie auf seine Arme gehoben. Emelie quittierte die ihr zuteil werdende Zärtlichkeit mit einem Lächeln, das Peggy sofort ansteckte. Augenblicklich wurde ihr wieder leichter ums Herz …
>>Hat sie gegessen?<< erkundigte sie sich, Sascha nickte. >>Und getrunken?<< - >>Wie eine Eins. << - >>Geschlafen?<< - >>Gegessen, getrunken, geschlafen, gespielt … alles erledigt. << zählte Sascha lächelnd auf, Peggy atmete zufrieden durch und hockte sich ebenfalls auf den Boden. Liebevoll streichelte sie ihrer Tochter über den Kopf. >>Tja, dann kann Mama dich noch baden und dann geht’s ab in die Falle, hm?<< -
>>Mmm … Mama. << kam es in diesem Augenblick aus Emelies Mund. Ganz leise, undeutlich, aber dennoch kaum zu überhören. Peggy starrte sie an, starrte zu Mark, dann zu Sascha, der sich nun als dritter im Bunde hinunter beugte und nicht minder aufgeregt aussah.

>>Habt … habt ihr das auch gehört?<< fragte Mark atemlos, Peggy nickte, ihr Herz klopfte bis zum Hals. Nein, das konnten sie sich nicht eingebildet haben. Sie schluckte. >>Emelie?<< sprach sie sie vorsichtig an, die sich der Aufmerksamkeit um sie bewusst zu sein schien, als sie der Reihe nach jeden  Einzelnen anschaute, bis ihr Blick schließlich an Peggy hängen blieb …
>>Mmmm … mm … Mama. << brabbelte sie erneut und Peggy presste die Hand auf den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen und wie ein wahres Feuerwerk an Emotionen durch ihren Körper schoss. Nie, noch nie zuvor in ihrem Leben, hatte sich ein einzelnes Wort so unglaublich wunderschön angehört!


>>Würdest du jetzt bitte aufhören, unser Kind zu bearbeiten?<< lachte Peggy und amüsierte sich königlich! Schon seit einer halben Stunde, hatte Mark Emelie auf seinen Armen und bekniete sie inständig, Papa zu sagen. Seiner Meinung nach, war es nur logisch, dass dies das zweite Wort im Leben seiner Tochter werden würde.
>>Komm schon, Süße. Sag Papa. P-A-P-A!<< buchstabierte Mark ungerührt weiter, doch Emelie machte keinerlei Anstalten, seiner Aufforderung zu folgen, sondern schaute ihn nur mit großen Augen an. >>Naja, wenigstens lachst du mich an. << stellte er fest, als Emelie ihren Mund zu einem winzigen Lächeln verzogen hatte. Peggy grinste. >>Sie wird dich ausgelacht haben. << - >>Also du kannst einem wirklich die Freude verderben. << murmelte Mark ein wenig unwillig, Peggy seufzte und nahm Emelie ansich.
>>Ich glaube, unsere kleine Wortkünstlerin muss langsam ins Bett. Es war ein langer Tag!<<

Schon bald lag ein frisch gebadetes und nun schlafendes Wesen in dem kleinen Kinderbett und wurde sorgsam zugedeckt. >>Gute Nacht, Prinzessin. << flüsterte Peggy und auch Mark hauchte den letzten Kuss für heute auf ihre Stirn, ehe die beiden sich zurückzogen und das Babyphone ansich nahmen. >>Vielleicht sagt sie ja nochmal was. << überlegte Mark, als er es einschaltete, und Peggy musste lachen. >>Du hoffst wohl auch, dass sie morgen bereits aus der Zeitung zitiert, oder?<< - >>Ein Papa würde mir schon genügen. << - >>Keine Sorge, das lernt sie schon noch! << beruhigte Peggy ihn. Aber sie konnte seine Ungeduld verstehen, und umso glücklicher  war sie, dass Emelie das Wort Mama schon beherrschte! Auch wenn ihr gleichzeitig bewusst war, dass es eigentlich nur unwissentlich geformte Laute waren, die Emelie da von sich gegeben hatte. Ein echtes und bewusstes Wort, dafür würde sie noch ein wenig brauchen. Trotzdem: ihr Mutterherz quoll über vor Stolz!  
>>Jetzt wird alles ganz schnell gehen. << überlegte sie, als sie sich gähnend auf dem Bett ausgestreckt hatte. Es war wirklich ein turbulenter Tag gewesen! Aber einer, mit einem sehr schönen Ende!
>>Jetzt wird sie eins nach dem anderen lernen, und anfangen zu laufen und und und … mein Baby!<< fügte sie ein wenig wehmütig hinzu. Mark lächelte, beugte sich über sie und gab ihr einen langen Kuss. >>Unser Baby!<< korrigierte er und schaute ihr tief in die Augen. >>Wird Zeit, dass wir ein neues machen!<<
Peggy hielt den Atem an und schluckte. >>Ähm … jetzt?<< - >>Oh ja. Genau jetzt!<< - >>Ist das nicht vielleicht etwas überstürzt?<< - >>Üben können wir doch schon mal. << raunte Mark dicht an ihrem Hals, ehe er viele kleine Küsse auf ihre Haut hauchte, die Peggy augenblicklich einen Schauer über den Rücken jagten! Rasch sah sie an sich herunter: ihre Jeans war schmutzig, wahrscheinlich weil sie damit auf dem dreckigen Boden der Bahnhofshalle gelegen hatte, es kam ihr außerdem so vor, als trüge sie noch den Geruch der Krankenhaus-Ambulanz auf ihrer Haut, und das einfache weiße T-Shirt war ebenfalls ein wenig in Mitleidenschaft gezogen worden. Nein, so ging das nicht! Sanft schob sie ihn von sich. >>Gib mir fünf Minuten. << - >>Wofür?<< ->>Ich muss mich frisch machen. << - >>Das lohnt sich nicht. << grinste Mark verschlagen und drückte sie zurück auf das Bett. Peggy musste lächeln und spürte, wie ihr Herz schneller schlug, als Mark seine Finger bereits über ihren Bauch gleiten ließ und sie weiter und weiter küsste und so jegliche Versuche erneuter Einwände verhinderte.
>>Aber meine Klamotten sind schmutzig. << murmelte Peggy irgendwann halbherzig, ihr viel es immer schwerer, sich zu konzentrieren. >>Dann zieh sie aus.<< Kaum ausgesprochen, hatte Mark sie auch schon hochgezogen und streifte ihr rasch das T-Shirt über den Kopf. Sanft nahm er ihr Gesicht in beide Hände und streichelte ihre Wangen. >>Ich will dich!<< flüsterte er. >>Und ich will noch Zehn Babys mit dir!<< Peggy grinste, schob nun ihrerseits ihre Hände unter sein Shirt und zog es aus. Unter der straffen Haut seiner Brust, sah sie sein Herz pumpen, auf seinem Sixpack zeichneten sich erste kleine Schweißperlen ab, und sie musste sich zusammenreißen, sie nicht sofort wegzuküssen.
>>Zehn Babys also?<< wiederholte sie mit rauer Stimme, legte ihre Arme um seinen Hals und zog seine Lippen zwischen ihre Zähne. >>Tja, dann zeig mir mal, was du kannst!<< Mark stöhnte auf, warf sich auf sie. Auf diese Worte, hatte er gewartet! Doch noch ehe er allzu leidenschaftlich werden konnte, hielt Peggy ihn erneut auf. >>Moment, jetzt verrätst du mir erstmal deine ach so tolle Idee. Vorher läuft hier gar nichts!<< Mark grinste über ihren entschlossenen Tonfall. Ja, sie konnte ganz schön hartnäckig sein, wenn sie etwas wissen wollte. Er betrachtete sie noch einen Moment, sah ihren auffordernden Blick und die ungeduldig trommelnden Finger, dann richtete er sich seufzend wieder auf, zog die Schublade des Nachtschränkchens auf und  förderte einen weißen Briefumschlag zu Tage. Er reichte ihn an Peggy weiter, die ihn vorsichtig an sich nahm. >>Für dich. << sagte Mark, als würde das alles erklären und Peggy sah ihn ratlos an. Dann öffnete sie das Kuvert und hielt wenig später zwei Hochglanz-Eintrittskarten in der Hand.
>>Dein Lieblingsmusical ist in der Stadt. Heute ist die Premiere. << sagte Mark, als Peggy nur sprachlos da saß. >>Ich hab die Karten schon vor Wochen besorgt. Es sollte eine Überraschung für heute Abend sein, aber ich wusste ja nicht, dass der Tag so nervenaufreibend werden würde. << Peggy schluckte und hob mit klopfendem Herzen den Blick.  >>Und jetzt hast du also keine Lust mehr?<< - >>Schon, aber ich dachte, du möchtest lieber hier bleiben. Nach allem, was passiert ist … << - >>Oh nein, ich will unbedingt hin!<< Strahlend kletterte sie auf seinen Schoß und gab ihn einen innigen Kuss. >>Danke! Ich kann Ablenkung jetzt wirklich gut gebrauchen! << Sie küsste ihn noch einmal, dann sah sie hektisch auf ihre Armbanduhr und sprang auf.
>>Meine Güte, da bleibt ja nur noch eine Stunde zum fertigmachen. << Sie zerrte sich umständlich die Jeans von den Beinen und lief aufgeregt zum Kleiderschrank. >>Was trägt man denn zu einer Premiere? Ein Kleid? Ich glaube, ich ziehe lieber meinen dunklen Rock an … ach Mist, der ist ja in der Wäsche … <<

Mark betrachtete sie amüsiert, während er in aller Ruhe sein Sweatshirt gegen ein weißes Hemd tauschte. Diese Frau war einfach wunderbar! Nie wieder sollte eine andere halb nackt dort stehen und ihre Klamotten im gesamten Raum verteilen! Nein, das war Peggys Privileg, und so sollte es für immer bleiben!