Die Nachhilfestunde 49: Geheimnisse

>>Was machst du denn hier? Ich dachte, du bist in der
Uni. << löste Mark sich aus seiner Erstrarrung und versuchte, zu lächeln. >>Die Vorlesung ist ausgefallen. << antwortete Peggy und sah die beiden erneut fragend an. >>Was macht ihr hier?<< - >>Du, das ist jetzt nicht so, wie es aussieht ... << versuchte Annika die Situation zu retten, doch diese klischeehaften Worte, schienen Peggys Misstrauen nur noch zu verstärken. >>Wie bitte?<< - >>Wir haben uns zufällig getroffen, Peggy. Vergiss es einfach. << sagte Mark beschwichtigend. Es tat ihm weh, ihr so ins Gesicht zu lügen, aber in diesem Fall war es leider unabänderlich. >>Setz dich doch zu uns!<< Peggy betrachtete die beiden argwöhnisch, sah Mark an, der irgendwie krampfhaft lächelte, sah Annika, die den Blick abgewandt hatte und nervös mit dem Fuß wippte ... wieso hatte sie das Gefühl, die beiden bei irgendetwas unterbrochen zu haben?
Sie zog einen Stuhl heran und nahm ebenfalls an dem Tisch Platz. >>Wo ist Emelie?<< - >>Bei Sascha. << antwortete Mark, und Peggy runzelte die Stirn. >>Du hättest sie doch mitnehmen können. << Natürlich hätte er das, doch Peggy ahnte ja nicht, dass er sich insgeheim vorgenommen hatte, nach dem Gespräch mit Annika zum Juwelier zu fahren und sich über Verlobungsringe Auskunft geben zu lassen. In aller Ruhe. Deswegen hatte er Sascha gebeten, für ein paar Stunden auf Emelie aufzupassen, was dieser nur allzu gerne getan hatte, denn er war ganz vernarrt in die Kleine.
>>Ja, aber er wollte sie gerne mal bei sich haben. Du weißt ja, dass er Jacky leider nicht mehr so oft sieht. Ich glaube, es tut ihm gut, wenn er sich um Emelie kümmern kann. << versuchte Mark zu erklären und war erleichtert, als Peggy verständnisvoll nickte. Gott sei Dank! >>Und dann seid ihr euch hier über den Weg gelaufen, ja?<< fragte sie an Annika gewandt, die nickte und betete, dass man ihr nicht anmerkte, wie nervös sie war. >>Verrückt, wie es manchmal so geht. << sagte sie so nebensächlich wie möglich und lachte, doch Peggy war nicht zum lachen zumute. Aber sie wollte nicht schon wieder diese ewige, alte Geschichte aufwärmen, dass Annika hinter Mark her war. Immerhin hatte sie inzwischen selber einen Freund und das Ganze war schon so lange her. Lass es einfach, dachte sie bei sich und schob das misstrauische Gefühl an die Seite. Lass es einfach... sie winkte die junge Kellnerin zu sich heran. >>Ich hätte gerne einen Cappuchino. << - >>Kommt sofort. << nickte die Frau und verschwand im Bistro.  >>Was machen wir heute noch schönes?<< fragte Peggy und nahm Marks Hand. Er erwiderte ihr sanftes Lächeln. Sie schien ihm tatsächlich bedingungslos zu vertrauen, sonst hätte sie ihn vermutlich sofort zur Rede gestellt. Es hätte ihr auch zugestanden, er musste zugeben, dass die Situation für sie sehr eigenartig gewirkt haben musste: er mit Annika hier im Bistro, tuschelnd...und dennoch machte sie ihm offenkundlich keine Vorwürfe. Und dafür liebte er sie umso mehr!

Doch aus dem Vorhaben, sich einen schönen Tag zu machen, wurde leider nichts. Nachdem Peggy ihren Cappuccino ausgetrunken hatte, erhielt Mark von Sascha eine Nachricht, dass Emelie weinen würde sich nicht mehr beruhigen ließe. >>Wir müssen los. << verabschiedete sich Mark von Annika und die drei standen auf.
>>Kein Problem. << sagte sie und war heilfroh, dass sie gehen konnte. >>Grüß Sascha. Und die Kleine. << Und damit war sie im Gewimmel der Stadt verschwunden. Mark sah ihr nach und Peggy folgte seinem Blick.  >>Kommst du, oder willst du ihr noch weiter hinterher starren?<< Ihr Tonfall war eine Spur schärfer geworden, das hörte Mark sofort. Und er wusste, dass er sie besänftigen musste.
>>Ich hab nur eben gedacht, dass ich gerne mal ihre Freund kennenlernen würde. << ->>Tatsächlich?<< - >>Ja, ich würde gerne wissen, wie der so ist. << Peggy erwiderte nichts. Sie war gedanklich schon wieder bei ihrem Kind.
Und dieses weinte wirklich herzzerreißend, als sie es wenig später auf die Arme hob. >>Sie hat bestimmt Sehnsucht nach der Mama gehabt. << vermutete Sascha und Peggy registrierte, dass er ganz schön geschafft aussah. Ja, ihre Tochter hatte manchmal ein ziemlich lautes Stimmchen. >>Danke, dass du auf sie aufgepasst hast. << sagte Mark, Sascha winkte ab. >>Kein Thema. Hast du denn erledigen können, was so wichtig war?<< Mark bedachte ihn noch mit einem warnenden Blick, doch da war es schon zu spät. Peggy schaute auf. >>Was war denn da so wichtig?<< Da ahnte Sascha, dass er gerade ins Fettnäpfchen getreten war, doch so hatte Mark es vorhin beschrieben: er müsse in die Stadt, es sei wichtig. Dass dahinter eine Geheimniskrämerei steckte, hatte er ja nicht wissen können.
>>Mein Laptop ist heute Morgen abgestürzt und ich wollte das alte Ding schon ewig erneuern, also hab ich in der Stadt mal nach Angeboten geguckt. << erklärte er. Schon wieder eine Lüge! Aber was sollte er sonst sagen? Dass er Heiratspläne schmiedete und sich Ringe angucken wollte? Er beschloss, Sascha beizeiten einzuweihen, damit es nicht noch einmal zu einer solchen Situation wie jetzt gerade kommen konnte.
>>Aha. << erwiderte Peggy leise und sah ihn lange an. Irgendwas stimmte da doch nicht. Sie hatte schon immer ein sehr feines Gespür dafür gehabt, ob jemand die Wahrheit sagte, oder nicht. Und bei Mark war sie sich da gerade alles andere, als sicher. Aber andererseits: wieso sollte er sie anlügen? Und sie hatte ja beschlossen, sich nicht mehr so viele Gedanken zu machen...
>>Kann ich mal schnell an deinen Laptop?<< bat Mark Sascha. >>Es dauert auch nicht lange. << ->>Klar, kein Problem. <<- >>Dann gehe ich Emelie schon mal wickeln und umziehen. << Peggy gab Mark einen Kuss auf die Wange, lächelte Sascha zu und verließ seine Wohnung. Mark atmete tief aus und hielt Sascha auf, der gerade seinen Laptop holen wollte. >>Warte, ich muss dir was sagen. <<

>>Wow! Ehrlich? Ich meine, du veräppelst mich nicht,oder so? Du meinst das wirklich ernst?<<  Sascha war außer sich vor Freude! Eben hatte Mark ihn darüber in Kenntnis gesetzt, was er vorhatte, und er überschlug sich vor Begeisterung.
>>Natürlich meine ich das ernst! << antwortete Mark und konnte seine Freude über Saschas Euphorie nicht leugnen. >>Ich weiß nur nicht, wann ich sie fragen soll. Und wie! Und ob ich das echt durchziehen kann...<< - >>Was gibt‘s denn da noch zu überlegen? Peggy ist eine Traumfrau! Schnapp sie dir!<<- >>Das habe ich doch schon längst. << grinste Mark und Sascha musste lachen.
>>Ehrlich Mark, ich finde die Idee klasse! Und weiterhin finde ich, dass der Zeitpunkt ideal ist. Mit der Hochzeit ansich, könnt ihr ja abwarten, aber ich glaube, ein Antrag, wäre für Peggy das höchste der Gefühle. <<- >>Ja, so denke ich auch darüber. Annika ist da weniger optimistisch. << - >>Naja, letztendlich ist es deine Entscheidung. Aber wenn du meinen Rat willst: tu es! Bereite deiner Prinzessin den schönsten Heiratsantrag der Welt, und dann kann sie gar nicht Nein sagen. << Mark nickte. Er hatte zwar noch keine genaue Vorstellung davon, wie er es anstellen sollte, aber wenn er tatsächlich den festen Entschluss gefasst hatte, würde ihm sicher etwas tolles einfallen.
>>Also kann ich auf dich zählen, wenn ich mal wieder in geheimer Mission unterwegs bin?<< fragte er. Sascha stellte sich kerzengerade hin und salutierte. >>Jawohl, Sir. Für die Liebe tue ich alles, Sir. << Sie lachten und Mark spürte sein Herz schneller schlagen. Sein Vorhaben nahm Gestalt an, seine Pläne wurden präziser, der Wunsch , Peggy zu seiner Frau zu machen, wuchs zu einer Sehnsucht heran, die er noch nie erlebt hatte. Ja, er würde es tun!
Kurz darauf begab er sich in seine Wohnung, zu Peggy, die in der Küche saß und hingebungsvoll mit Emelie kuschelte. Sie hatte sich inzwischen beruhigt, schien *satt und sauber*, wie Peggy manchmal etwas salopp sagte, und Peggy hatte sie liebevoll an die Schulter gelegt. Den kleinen Kopf mit der Hand gestützt, die andere Hand auf dem Rücken hielt sie ihre Tochter und schaute lächelnd auf, als Mark sich zu ihr gesellte.
>>Sie ist fast eingeschlafen. << berichtete sie leise und Mark ging bei diesem Anblick das Herz auf! Er zog einen Stuhl heran, so saßen sie eine Weile da, betrachteten das winzige Glück auf Peggys Arm.
>>Ich bin so glücklich!<< sagte Peggy irgendwann und Mark erwiderte ihr Lächeln. >>Ich auch. Mit dir!<< - >>Es ist perfekt! Perfekt, so wie es ist. Ist das nicht großartig?<< Mark blickte sie lange an und wurde unsicher. Perfekt? So, wie es war? Ja schon, jedoch …
>>Du würdest also nichts ändern wollen? Du bist zufrieden, so wie es ist?<< - >>Ja, natürlich! Was sollte ich denn anders haben wollen? Mehr Glück ist momentan doch gar nicht denkbar!<< lächelte Peggy mit einem knappen Blick auf Emelie, die inzwischen tatsächlich eingeschlafen war. Ein kleines, lebendiges, warmes Bündel … Peggy schluckte, als ihr die Liebe bewusst wurde, die sie für dieses Wesen empfand. Für ihr Wesen. Ihr Kind!
Mark wurde nachdenklich. Eben noch war er sich so sicher gewesen, dass ein Heiratsantrag der absolut richtige nächste Schritt war, doch nun war er ins Wanken geraten. Wenn Peggy ihre Lebenssituation als perfekt ansah, würde sie dann überhaupt jemals ans Heiraten denken wollen? Wenn ja, dann aber bestimmt nicht so bald, wie Mark es sich im Stillen ausgemalt hatte, oder? Also war es doch zu früh? War der Zeitpunkt doch ungünstig, wie Annika es vermutet hatte?
>> Du bist so still… << bemerkte Peggy mit einem Blick auf Mark und sah ihn fragend an. >>Ist alles in Ordnung? << - >>Ja. Sicher. << Mark versuchte, zu lächeln und setzte sich neben sie. >>Alles bestens!<< Vielleicht sollte ich doch nichts überstürzen, dachte er und sah Peggy zu, wie sie Emelie winzige Küsschen auf den kleinen Kopf hauchte. Vielleicht sollte ich doch noch einmal eine Nacht darüber schlafen… oder auch mehrere.

Derweil saß Annika Zuhause an ihrem Schreibtisch und versuchte, für die Berufsschule zu lernen. Sie steckte mitten in ihrer Ausbildung und bald waren die Zwischenprüfungen, für die sie eigentlich fleißig pauken sollte. Eigentlich, denn stattdessenn starrte sie mit verträumtem Blick ins Leere und dachte an ihr Treffen mit Mark zurück, das vorhin so jäh von Peggy unterbrochen wurde. Zum Glück, länger hätte sie diese Situation kaum ausgehalten. Warum hatte Mark auch gerade sie in seine Pläne eingeweiht? Warum besprach er das nicht zuerst mit einem seiner Freunde, mit Sascha oder sonst wem? Und warum ging er ihr einfach nicht aus dem Kopf, egal, wie sehr sie sich anstrengte? Sie seufzte und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Es war so anstrengend, noch immer von ihm zu träumen, an ihn zu denken und zu schwärmen … und mies noch dazu, immerhin war sie vergeben! Damals, als sie Solo war, hatte sie ihre Schwärmerei für Mark mit sich alleine ausmachen können, aber jetzt gab es Timo und Annika hasste sich dafür, dass sie in Marks Nähe nach wie vor Herzflattern bekam, dessen sie sich nicht erwehren konnte.
Es klingelte und Annika schlurfte zur Tür. Vor ihr stand Timo, das hatte sie schon erwartet. Er kam fast jeden Tag vorbei.
>>Hallo, mein Schatz!<< rief er erfreut und drückte sie an sich. >>Schön, dich zu sehen. Ich hab dich so vermisst!<< Er küsste sie sanft auf die Lippen . >>Ja, ich dich auch. << Annika schluckte. Ich bin so scheiße, dachte sie, als sie abermals Marks dunkle Augen vor sich sah. Ich bin so verdammt mies…
>>Komm rein. << sagte Annika und schloss die Tür hinter ihrem Freund. >>Ich war gerade am Lernen. << - >>Oh, ich will dich nicht stören. << beteuerte Timo, doch Annika winkte ab. >>Es läuft eh nicht! Ich kann mich nicht konzentrieren. << - >>So? Wer oder was spukt dir denn im Kopf herum?<< wollte Timo wissen und grinste. Doch Annika schaffte es nicht, sein Lächeln zu erwidern. Wenn er wüsste, wie recht er da hatte! Und wenn er wüsste, dass es sich dabei nicht um ihn handelte …
Timo trat näher und strich ihr über die Wange. >>Hey, was ist los? Du siehst so traurig aus!<< - >>Nichts. Ich bin einfach nur schlapp und genervt vom Lernen. << antwortete Annika und wich seinem Blick aus. Und ich hab da jemanden getroffen, weißt du. Jemanden, für den ich schon jahrelang einsame Gefühle hege und der meine beste Freundin heiraten will und wird, was mir verdammt weh tut, obwohl ich das eigentlich gar nicht will … sie seufzte. Wenn Gedanken sich nur so einfach aussprechen lassen würden, wie sie einem in den Kopf kamen…
Timo lächelte verständnisvoll und nahm ihre Hand. >>Wollen wir was schönes zusammen machen? Durch die Stadt bummeln? Shoppen? Was essen gehen?<< Beim Klang seiner fröhlich – verliebten Stimme, spürte Annika erneut einen Stich im Herzen. Er war so toll! So süß, so ehrlich und einfühlsam .. wieso schaffte sie es nicht, sich voll und ganz in ihn zu verlieben, mit Haut und Haar und mit all ihrer Seele!
Sie schaute auf und rang sich ein Lächeln ab. >>Ja, das klingt gut! Gehen wir etwas essen!<< Schnell schlüpfte sie in die Schuhe und schnappte sich ihre Handtasche. Ich kenne da ein gutes Bistro, schoss es ihr durch den Kopf … sie schloss die Augen. Verdammt nochmal!

 

 

 

So saß sie wenig später mit Timo in einem kleinen gemütlichen Restaurant nahe der Altstadt und stocherte lustlos in ihrem Pastagericht herum. Ihr war schon wieder die Ernte verhagelt, denn Timo hatte tatsächlich in genau das Bistro gehen wollen, in dem sie vorhin noch mit Mark gesessen hatte, doch das konnte sie mit fadenscheinigen Ausreden gerade noch verhindern. >>Letztes Mal ist mir nach dem Essen dort total schlecht geworden. << hatte sie behauptet und die treue Seele Timo hatte es ihr sofort abgekauft und stattdessen nun also diese Lokalität ausgewählt. Hier saßen sie nun und Timo genoss die Zwischenmahlzeit in vollen Zügen. Ganz im Gegensatz zu Annika, die bisher noch keinen Bissen hinunter bekommen hatte.
>>Was ist denn heute nur los mit dir?<< fragte Timo nach einer Weile und sah seine Freundin verwirrt an. >>Du bist irgendwie anders, als sonst. <<->>Ich hab dir doch schon erklärt, dass ich den Kopf voll mit Lernstress habe. << Annika hob die Schultern. >>Es ist so viel, in so kurzer Zeit…<< - >>Kann ich dir irgendwie helfen?<< - >>Danke, aber ich glaube nicht, dass das momentan viel Sinn macht. << erwiderte Annika. >>Aber wenn ich die Prüfungsthemen zusammengefasst habe, kannst du mich ja mal abhören. << - >>Klar, gerne.<< lächelte Timo und begann, vermutlich um Annika aufzuheitern, von einem lustigen Erlebnis zu erzählen, das er kürzlich bei seiner Arbeit am Theater erlebt hatte. Doch Annika hörte kaum zu. Stattdessen betrachtete sie Timo eingehend und fasste gedanklich erneut zusammen: er sah gut aus, er war super süß und klug, er meinte es ehrlich mit ihr, er stand ihr zur Seite … die Liste seiner positiven Eigenschaften erschien endlos. Doch solange Annika immer und immer wieder an Mark erinnert wurde, würde sie sich nie von ihm lösen können. Abstand, dachte Annika, während Timo seine Erzählung mit großen Gesten unterstrich. Das ist es, was ich brauche: Abstand. Wenn ich Mark und Peggy nicht ständig über den Weg laufe, dann werde ich ihn auch bald vergessen haben und kann endlich mit Timo glücklich werden…
>>Ich sage dir, das war ein Spektakel! Meine Kollegen und ich haben uns jedenfalls fantastisch amüsiert. << schloss Timo seinen Bericht und Annika lächelte matt. Sie hatte leider keine Ahnung, wovon er ihr gerade erzählt hatte. >>Tja, klingt, als ob du eine Menge Spaß an deiner Arbeit hast. << erwiderte sie vage, er nickte. >>Definitiv!<<  In diesem Moment ertönte der Klingelton ihres Handys und sie zog es mit einem entschuldigenden Blick aus ihrer Tasche. Peggys Nummer leuchtete auf dem Display und ihre Augen weiteten sich. Abstand, wiederholte sie in Gedanken immer wieder. Abstand… sie ließ es klingeln und Timo beugte sich neugierig vor. >>Wer ist es denn?<< - >>Niemand!<<  wiegelte Annika ab und schluckte, als sie den Anruf schließlich wegdrückte. Dann lächelte sie. >>Ich will jetzt Zeit nur für uns haben!<<

Auch in den nächsten Tagen, war es für Peggy ein schwieriges Unterfangen, ihre Freundin zu erreichen. Entweder fielen ihre Gespräche äußerst kurz aus, oder sie fanden erst gar nicht statt, denn Annika ging kaum noch ans Handy und auf Nachrichten reagierte sie ebenfalls nur spärlich. Peggy verstand die Welt nicht mehr. Sie vermisste Annika sehr. Gerade jetzt, wo sie etwas Wichtiges auf dem Herzen hatte. Doch auch heute hatte sie keinen Erfolg, als sie Annikas Nummer gewählt hatte und legte seufzend wieder auf. Sie überlegte, einfach zu ihr zu fahren, verwarf diesen Gedanken jedoch wieder. Vielleicht war sie gerade mit Timo zusammen, da wollte sie nicht stören.
Peggy legte ihr Handy beiseite und sah sich unschlüssig um.  Mark war nicht zuhause, wie es häufiger in letzter Zeit der Fall war. Peggy wusste nicht, wieso, doch sie widerstand dem Drang, jedesmal nachzufragen, wenn er das Haus verließ, oder später kam. Sie wollte nicht so eine Überfreundin sein, die jeden Schritt ihres Partners kontrollierte. Aber neugierig war sie natürlich schon, was er andauernd so wichtiges zutun hatte. Genau darüber wollte sie ja auch mit Annika sprechen, doch auch die machte sich rar … es war zum verrückt
werden …
Kurz entschlossen machte Peggy sich auf den Weg ins obere Stockwerk zu Sascha. Sie hatte das Babyphon dabei, doch Emelie schlief sowieso tief und fest, also konnte sie kurz die Wohnung verlassen. Vielleicht hatte Sascha ja eine Idee, was mit Mark los war. Wenn der jetzt auch nicht Zuhause ist, drehe ich durch, dachte Peggy, doch sie hatte Glück. Sascha hatte seinen freien Tag und gewährte ihr Einlass. Doch als Peggy erläuterte, worum es ging, wurde er blass um die Nase. Natürlich wusste er, wohin Mark immer unterwegs war. Er klapperte zur Zeit sämtliche Juweliere in der Stadt und Umgebung ab, auf der Suche nach einem Ring. DEM Ring. Dem Ring, mit dem er Peggy um ihre Hand anhalten wollte. Nicht heute oder morgen, doch in absehbarer Zeit. >>Wenn ich schon mal den Ring habe, kann ich den perfekten Moment für den Antrag abwarten. << erinnerte sich Sascha an Marks Worte. Doch das konnte er Peggy ja schlecht verraten. Hilflos schaute er sie an, als sie sich von ihm eine Erklärung für Marks Verhalten erbeten hatte.
>>Ich weiß auch nicht, was los ist. << erwiderte er schließlich ausweichend.  >>Sprich ihn doch mal direkt darauf an. << - >>Ach, ich weiß nicht. Ich will nicht, dass er sich von mir kontrolliert fühlt. << sagte Peggy. >>Andererseits wüsste ich wirklich verdammt gerne, was da vor sich geht. Er wirkt auch oft so geistesabwesend, weißt du? Als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. << Sascha versuchte, sein Grinsen zu unterdrücken und sah beiläufig zu Boden. Klar ist er das, dachte er. Wahrscheinlich malt er sich schon aus, wie er vor dir auf die Knie geht… >>Also ich an deiner Stelle würde mir da keine Sorgen drüber machen. << antwortete er. >>Wir Männer sind halt manchmal so. << - >>Tatsächlich?<< lachte Peggy. >>Na gut, dann will ich das mal glauben. Obwohl: ist ja fast schon verdächtig…<< - >>Was?<< - >>Dass ich sowohl Mark, als auch Annika kaum noch zu Gesicht bekomme. Die scheint auch irgendein Geheimnis zu
haben … << Sie stockte, als sie über ihre Worte nachdachte. Mark war kaum Zuhause, Annika ständig kurz angebunden, wenn überhaupt … man könnte Eins  und Eins zusammen zählen … >>Peggy, hör auf mit dem Quatsch. << Sascha, die ihre Gedanken erraten hatte, wusste, dass er ihr das sofort ausreden musste! >>Mark und Annika! Du weißt, dass das völlig absurd ist.<< - >>Ja sicher… << murmelte Peggy. >>Aber seltsam ist es schon, oder?<<- >>Zufall!<< entgegnete Sascha und sah sie eindringlich an. >>Hallo?! Mark liebt dich! Über alles! << So sehr, dass er dich heiraten will, fügte er gedanklich hinzu und hatte alle Mühe, die Worte hinunterzuschlucken. Doch schließlich lächelte Peggy und schüttelte den Kopf. >>Echt bescheuert von mir! Aber manchmal kommen einem die verrücktesten Gedanken in den Sinn … naja, ich störe dich jetzt nicht länger. Danke für deine Zeit. << Sie verabschiedeten sich und Peggy trat den Rückweg an. Sie war kein bisschen klüger, als vorher. Aber es hatte dennoch gut getan, mit Sascha zu sprechen. Unten angekommen, wählte sie erneut Annikas Nummer und hatte die Hoffnung schon fast wieder aufgegeben, als der Anruf endlich entgegen genommen wurde.

>>Hallo?<< - >>Annika! Mensch, endlich erreiche ich dich mal! Was ist denn los bei dir? Ich rufe dich heute bestimmt schon das dritte Mal an. << sprudelte es aus Peggy heraus, doch Annika druckste herum. >>Ja tut mir leid … ich hatte viel zu tun. << Peggy verdrehte die Augen. Wie sie diese Aussage hasste: viel zu tun! So viel, dass man nicht einmal an sein Handy gehen, oder wenigstens eine kurze Nachricht schreiben konnte? Sie beschloss, gar nicht weiter darauf einzugehen. >>Ich muss mal dringend mit dir etwas bequatschen! Ich brauche deine Meinung. <<- >>So? Worum geht es denn?<<- >>Es geht um Mark.<< Peggy vernahm deutlich, wie Annika nach Luft schnappte. Erschrocken, wie es ihr vorkam. >>Nein, das geht nicht. Ich kann mit dir nicht über Mark sprechen!<< wehrte Annika ab. >>Wie bitte?<< - >>Es geht nicht, okay? Lass es einfach!<< ->>Aber du bist meine beste Freundin. Mit wem soll ich denn sonst über meine Beziehung reden, wenn nicht mit dir? << - >>Hör auf mit diesem Thema, klar?<< rief Annika hörbar aufgebracht und Peggy runzelte die Stirn. Was hatte sie denn bloß? >>Andauernd heulst du dich bei mir wegen Mark aus! Das nervt! << - >>Entschuldige mal, so oft ja nun auch wieder nicht!<< wehrte sich Peggy. >>Wie dem auch sei, ich kann und will und werde mit dir nicht über Mark sprechen. Bitte akzeptier das. <<Und damit legte sie einfach auf. Peggy starrte auf das Handy in ihrer Hand, als käme es von einem anderen Stern. Dann sah sie in den großen Spiegel, der gegenüber von ihr an der Wand im Flur hing. >>Peggy, irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. << murmelte sie.

Auch an diesem Abend ließ Mark auf sich warten, doch daran war Peggy ja schon fast gewöhnt. Sie hatte nicht mit dem Essen auf ihn gewartet, sondern sich alleine eine Kleinigkeit zubereitet und saß nun auf dem Sofa im Wohnzimmer. Der Fernseher lief, aber nur nebenbei, damit es nicht so furchtbar still in der Wohnung war. Sie beugte sich über Emelies Stubenwagen, der neben dem Sofa stand und strich ihrer Tochter sanft über die Wange. >>Na, wo bleibt der Papa bloß, hm?<< flüsterte Peggy und Emelie sah sie aus ihren Kornblumenaugen an. Sie spürte bestimmt, dass sie sich Gedanken machte, da war Peggy sich sicher. Kinder spürten so etwas einfach.
Endlich hörte sie, wie die Tür aufgeschlossen wurde, doch sie machte sich nicht die Mühe, aufzustehen. Sie war missmutig, ja vielleicht sogar etwas sauer, dass Mark einfach den halben Tag weg blieb. Gerade als sie überlegte, ob sie ihn das merken lassen sollte, trat er ein und ließ sich neben sie auf die Couch fallen. >>Hallo, meine Liebste! Schön dich zu sehen!<< begrüßte er sie liebevoll und küsste sie auf die Wange, Peggy reagierte nicht. >>Du hast mir gefehlt!<< Wieder nichts. >>Hey, was ist los?<< - >>Das frage ich dich!<< antwortete Peggy und gab sich Mühe, ihre Stimme nicht allzu böse klingen zu lassen. >>Wo warst du?<< - >>Das habe ich dir doch geschrieben … << - >>Ein * ich bin unterwegs* ist jetzt nicht gerade die präziseste Angabe. << Mark seufzte und überlegte, was er nun sagen sollte. Er war bis eben bei einem Juwelier gewesen, bei dem man sich Ringe nach persönlichen Vorstellungen anfertigen lassen konnte, und hatte sich bezüglich der Verlobungsringe beraten lassen. Danach war er noch umher gefahren und hatte Angebote verglichen … es hatte ihm einen heiden Spaß gemacht! Nun musste er sich etwas einfallen lassen, doch er war ein miserabler Lügner und Peggy ahnte immer sofort, wenn etwas im Busch war …
>>Ich hatte etwas Wichtiges zu erledigen. <<- >>Und was?<< Peggy ließ nicht locker! Dafür kam ihr sein Verhalten einfach zu merkwürdig vor. Doch Mark ließ sich nicht in die Karten gucken. >>Ich kann mit dir nicht darüber sprechen, tut mir leid.<< sagte er und Peggy blieb bei diesen Worten die Luft weg. Genau das hatte sie doch heute schon einmal gehört. Von Annika! Sie starrte ihn an und wich etwas zurück, als er ihr seine Lippen nähern wollte. >>Warst du bei ihr?<< fragte sie ernst, Mark verstand nicht. >>Bei wem?<< - >>Bei
Annika. << - >>Was? Was soll ich denn bei Annika gemacht haben?<<  - >>Sag du es mir. << Mark war wie vor den Kopf geschlagen. Meinte sie das jetzt wirklich ernst? >>Du
spinnst! << ->>Wo warst du?<< - >>Peggy, bitte. Lass es gut sein!<< versuchte Mark einzulenken, doch sie war so verdammt stur! Das wusste er, und auch das liebte er an ihr. Nur momentan war es wirklich anstrengend! >>Du willst es mir also nicht sagen?<< vermutete sie und Mark schluckte. >>Nein, ich will es dir nicht sagen. << antwortete er und er wusste ganz genau, wie das jetzt rüberkommen musste, doch was sollte er sonst sagen? Dicke Luft war so oder so.

>>Verstehe. << sagte Peggy leise, stand auf und machte Anstalten, den Raum zu verlassen. Mark erhob sich rasch, wollte noch etwas hinzufügen, die Situation relativieren, fand jedoch keine Worte. Peggy sah ihn an. >>Mach dir keine Mühe, Ausreden zu erfinden. << Und damit verließ sie das Wohnzimmer. Mark blieb zurück und legte den Kopf in den Nacken. Was dachte sie sich eigentlich? Als ob er sie jemals betrügen könnte! Und dann noch mit ihrer besten Freundin… er seufzte tief.  >>Oh Peggy, manchmal bist du wirklich noch ein Kind!<<