Hallo meine Lieben :)
In diesen seltsamen, schwierigen und sicher auch manchmal nervigen Zeiten ein kleiner Gruß an euch vorab:)
Man sollte meinen, durch den Lockdown hätte man endlich viel Zeit, zum schreiben. Dem ist leider nicht so ( zu Mindest nicht in meinem Fall ), deshalb hat es etwas länger gedauert, bis ihr heute wieder etwas Neues lesen könnt.
Ich hoffe, euch geht es gut und ihr seid und bleibt von Corona weitestgehend unberührt! Bis demnächst
Kessy!

Die Nachhilfestunde 67: Prinzessin

 

>>Sie werden verstehen, dass ich Ihrer geplanten Rückkehr, ausgerechnet an diese Schule ein wenig skeptisch gegenüber stehe. << erklärte Herr Paulsen so sachlich wie möglich, als Mark wenige Wochen später in seinem Büro saß und sein Anliegen vorgetragen hatte. Und natürlich hatte der Direktor die Geschichte mit Peggy nicht vergessen und nutzte nun die sich ihm bietende Gelegenheit, Mark seine damalige Verfehlung noch einmal in aller Deutlichkeit aufzuzeigen.
>>Ich hätte ziemliche Bauchschmerzen, Sie wieder hier einzusetzen. Das ist doch wohl klar. << - >>Natürlich! Und ich kann Sie sehr gut verstehen. << versuchte Mark sein Gegenüber zu besänftigen. >>Aber das ist doch Jahre her! Und noch einmal wird das sicher nicht passieren … << - >>Es spielt keine Rolle, wie lange es her ist. << fiel Herr Paulsen ihm barsch ins Wort. >>Es geht um die Sache ansich: dass Sie eine Affäre mit einer damals Minderjährigen eingegangen sind, die noch dazu Ihre Schülerin war! << Er schüttelte den Kopf, als könne er noch immer nicht fassen, dass so etwas an seiner Schule und unter seiner Leitung möglich gewesen war.  Mark unterdrückte ein Augenrollen. Ihm war schon im Vorhinein klar gewesen, dass diese Unterredung kein leichtes Unterfangen werden würde und dass er sich die alten Kamellen sicher wieder und wieder anhören müsste. Allerdings hatte er gehofft, die Nuss schneller geknackt zu haben.
>>Ich weiß, was ich damals alles falsch gemacht
habe. << lenkte er schließlich ein. >>Ich bitte Sie dennoch, mir eine zweite Chance zu geben! Von mir aus zunächst nur in Teilzeit. Und wenn ich mich nicht bewähren kann, steht es Ihnen frei, das Ganze wieder zu beenden. <<
Mark schaute Herrn Paulsen direkt ins Gesicht und bemühte sich, ruhig zu atmen. Er wusste, dass er einen Kuhhandel einging, aber er hatte auch keine andere Wahl, als alles auf eine Karte zu setzen.

Eine gefühlte Ewigkeit erwiderte der Direktor Marks stechenden Blick und schien tatsächlich nachdenklich.  Er nahm seine Brille von der Nase und wischte sich mit einem großen Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn, ehe er die Brille wieder aufsetzte und tief Luft holte. >>Ich werde darüber nachdenken. << sagte er schließlich. >>Ich möchte heute noch keine endgültige Entscheidung treffen. Sie werden in den kommenden Tagen Nachricht von mir erhalten. << -
>>Okay. Danke. << erwiderte Mark zögernd und war sich nicht sicher, ob er mit dem Ergebnis des Gespräches zufrieden war. Doch Herr Paulsen stand auf und streckte ihm die Hand hin. Für ihn war das Thema erstmal erledigt.


>>Hat’s geklappt?<< sprach Mark eine Stimme an, als er wenig später wieder auf dem Schulflur stand. Er drehte sich um, Nadja stand vor ihm und sah gespannt aus. Und irgendwie anders, als sonst. Strenger, korrekter. Die langen dunklen Haare nach hinten geknotet, ein wenig blass im Gesicht und ein recht altmodisches Brillengestell auf der Nase. Wie eine richtige Lehrerin …
>>Sag schon! << - >>Zu mindest hat er nicht endgültig Nein gesagt. << klärte Mark sie auf. >>Eine Chance besteht also noch!<< Nadja klatschte erfreut in die Hände. >>Gott sei Dank! Ich kann ein wenig Unterstützung hier echt gebrauchen. << Bei diesen Worten trübte sich ihr Blick ein wenig und Mark konnte schon ahnen, was sie meinte. >>Schüler können grausam sein, was?<< riet er und traf damit voll ins Schwarze. Nadja atmete tief durch und nickte, während ihre sich ihre Auge auf den Boden hefteten. >>Respekt muss man sich halt erst verdienen. << murmelte sie. >>Leider hab ich zurzeit eine richtige Chaosklasse, da ist das nicht so einfach. << - >>Lass dir nichts gefallen!<< Mark sah sie eindringlich an. Er konnte sich noch gut an seine Anfangszeit nach dem Studium erinnern, als er „der Neue“ war und sich seinen Platz erst ergattern musste. Und als Frau war es vielleicht noch einmal schwieriger, vor einer lärmenden Klasse zu stehen und streitlustige Teenager zu bändigen.
>>Du bist echt ein toller Typ! << sagte Nadja und hatte das Gefühl, sich weiter erklären zu müssen, als sie Marks amüsiertes Grinsen sah. >>Also ich will nichts von dir!
Nicht mehr.. damals irgendwie schon, aber heute ... wirklich, ich weiß, dass du glücklich vergeben bist. Und das ist toll! Ich meine … << - >>Hey, schon gut. << Mark hob einhaltend die Hände, um ihren Redefluss zu unterbrechen. >>Ich versteh schon. Wir sind Kollegen, das war’s!<< - >>Genau!<< nickte Nadja erleichtert. >>Das war’s!<<


>>Es war mir von vornherein klar, dass du diese Klausur mit links machst!<< Peggys Kommilitone Florian blickte sie mit einem amüsierten Lächeln an und schüttelte den Kopf. >>Erst die große Panik schieben und dann als erste abgeben. Unglaublich!<< - >>Ich  hatte einfach
Glück. << erwiderte Peggy milde und hob die Schultern. Eben hatte sie die gefürchtete Klausur hinter sich gebracht und es war deutlich besser gelaufen, als sie es zu hoffen gewagt hatte. Erleichtert hatte sie nun den Hörsaal verlassen und steuerte neben Florian den Ausgang der Uni an.

 >>Ich nicht. << Florian verdrehte die Augen. >>Ich war ganz schön überfordert mit diesen Anatomiesachen.  Aber du bist halt ein Superhirn. << grinste Florian und blieb für einen Moment stehen. >>Wieso lernen wir eigentlich nie zusammen?<< - >>Weil du grundsätzlich nicht viel vom lernen hältst. << antwortete Peggy süffisant. >>Mit dir würde es mir sicher leichter
fallen … << Florian trat einen Schritt näher an sie heran und sah ihr tief in die  Augen, doch Peggy war absolut immun gegen seine Flirtversuche, die er einfach nicht lassen konnte, wie sie immer wieder belustigt feststellen musste. Er war einfach ein riesen Weiberheld, der jedem Rock hinterher schaute!

>>Gehen wir noch was essen?<< versuchte er es auch heute, doch noch ehe Peggy etwas erwidern konnte, klingelte schon ihr Handy. >>Mein Vater. << stellte sie mit einem knappen Blick auf ihr Display fest, machte jedoch keine Anstalten, den Anruf entgegen zu nehmen. Florian runzelte die Stirn. >>Willst du nicht rangehen?<< - >>Er will wissen, wo ich bleibe und wann ich Emelie abhole. << wusste Peggy. >>Die hat den Vormittag heute bei ihm verbracht. << - >>Der Opa als Babysitter, süß. << grinste Florian, Peggy kicherte. >>Lass ihn das bloß nicht hören! Begeistert war er nicht, seinen freien Tag opfern zu müssen. <<
Tatsächlich war es nicht einfach gewesen, Frank sein Einverständnis zu entlocken, seine Enkelin an diesem Vormittag zu beaufsichtigen. Peggy hatte ganz schön betteln müssen …
>>Aber Mark musste heute Morgen nochmal zur Schule, Formalitäten für seinen Wiedereinstieg
klären. << - >>Kita?<< schlug Florian vor, doch Peggy winkte ab. >>Hör auf! Das ist ein Hauen und Stechen! Ich glaube, man gewinnt eher im Lotto, als dass man einen Kitaplatz ergattert. <<

Erneut klingelte ihr Handy und sie seufzte. >>Ich muss los!<< - >>Mach’s gut, Süße!<<  - >>Du sollst mich nicht Süße nennen, das hab ich dir schon hundert Mal
gesagt. << rügte Peggy ihren Studienkollegen mit mildem Tadel, doch Florian grinste nur. >>In Ordnung, Süße. << - Peggy streckte ihm die Zunge raus, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Gewimmel der Eingangshalle, während Florian ihr noch eine Weile nachsah. An ihr würde er sich wahrscheinlich tatsächlich die Zähne ausbeißen.


Wenig später war Peggy am Haus ihrer Eltern angekommen und betätigte die Klingel. Sie war ganz kribbelig, so sehr freute sie sich darauf, ihre Kleine wieder in ihre Arme schließen zu können. Außerdem war sie sehr gespannt, wie der Vormittag verlaufen und ob alles gut gegangen war.
Als ihr Vater ihr schließlich die Tür öffnete, musste sie fast zweimal hinschauen: er trug Hausschuhe, ein schlichtes dunkles Shirt und eine verblichene Jeans, auf der sie unschwer Flecken von Emelies Griesbrei entdecken konnte. Mühsam unterdrückte Peggy ihr Grinsen. Es war ein ungewohnter Anblick, meistens kannte sie ihren Vater nur in Anzügen, Hemden oder aber in seinem Arztkittel.
>>Hi Papa, wie war‘s?<< begrüßte sie ihn drückte ihn flüchtig an sich. Frank atmete tief durch. >>Soweit, so gut. Die Kleine ist ganz schön lebhaft. << - >>Wem sagst du das!<<
Da entdeckte Peggy ihre Tochter, die auf einer Decke vor dem Schuhregal im Flur saß und sämtliche Schuhpaare um sich herum verstreut hatte. Peggy ging das Herz auf, so süß fand sie dieses Bild. >>Hallo, meine Hübsche! Oh, ich hab dich vermisst!<< Sie hob sie auf ihre Arme und lachte, als Emelie ihr mit ihren kleinen Händen durchs Gesicht strich und so auf ihre Weise ihre Zuneigung kenntlich machte.
>>Wie lief deine Klausur?<< erkundigte sich Frank und bedeutete Peggy, im Wohnzimmer Platz zu nehmen. >>Gut! Ich glaube, ich hab mir mal wieder viel zu viel Stress gemacht. << gab Peggy zu und ließ sich auf das Sofa fallen. >>Danke nochmal, dass du Emelie genommen hast. Ich weiß, heute ist eigentlich dein freier Tag … << - >> … und nur deswegen hat das geklappt, Peggy. Das weißt du. << unterbrach Frank sie mit ernster Miene.  >>Mama ist arbeiten und wenn ich auch Dienst gehabt hätte … ich meine, wie soll das denn künftig werden, wenn Mark wirklich wieder unterrichtet? Ihr werdet um eine Kita nicht
herumkommen. << - >>Schon klar, aber hast du eine Ahnung, wie schwierig das ist? Auf einen Platz kommen gefühlt tausend Bewerber! Mark und ich stehen doch schon auf sämtlichen Wartelisten. <<
Das Suchen nach einem Kitaplatz hatte Mark und Peggy in den letzten Wochen wirklich Nerven gekostet! Manchmal waren sie schier verzweifelt, wenn sie gehört hatten, dass man ihnen heute leider noch keine endgültige Zusage geben könne, oder dass erst gar kein Platz frei war. Und das immer und immer wieder!
>>Dann solltet ihr euch vielleicht nach einer Tagesmutter umsehen. << schlug Frank vor, doch da verfinsterte sich Peggys Miene. >>Das will ich nicht. << Sie drückte Emelie ein wenig fester an sich, die derweil auf ihren Armen herumturnte und sehnsüchtige Blicke auf ihre Spieldecke warf. Frank sah seine Tochter verständnislos an. >>Es wäre aber eine gute Lösung. << - >>Ich will sie nicht in fremde Hände geben. << - >>Das müsstest du in einer Kita auch tun. << wandte Frank ein. >>Außerdem hast du auch einige Tage bei einer Nanny verbracht, als du klein warst. Maria … erinnerst du dich? <<
Peggy schluckte. Natürlich erinnerte sie sich! Nur allzu gut! Und sie erinnerte sich auch daran, wie schrecklich verlassen sie sich manchmal gefühlt hatte, als ihre Eltern sie das dritte Wochenende in Folge bei Maria abgegeben hatten, die zwar wirklich sehr nett gewesen war, die Sehnsucht nach Mama und Papa aber nie hatte stillen können. Fünf oder sechs Jahre alt war sie da gewesen … ja, Peggy erinnerte sich ganz
genau … dieses Gefühl würde sie Emelie niemals antun wollen!
>>Ich weiß. << murmelte sie. >>Ihr ward immer froh, wenn Maria Zeit hatte. Dann konntet ihr arbeiten, Geld verdienen, geschäftlich Essen gehen und ich war beaufsichtigt. Perfekt!<< Frank stutze, als er sich des bitteren, beinahe vorwurfsvollen Tonfalls in ihrer Stimme gewahr wurde. >>Denkst du, deiner Mutter ist das damals leicht gefallen? Oder mir?<< - >>Ach, ist es nicht?<< Peggy spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten und stand auf. Emelie wurde immer unruhiger und begann, zu quengeln. Ihr war langweilig, keine Frage. Behutsam setzte Peggy ihr Kind auf ihrer Decke ab, das sogleich zufriedener wirkte und die vielen Stofftiere tätschelte, die vor ihm lagen.
>>Es war alles andere als leicht für uns!<< Frank sah seine Tochter noch immer ein wenig fassungslos an und trat zu ihr. >>Wir haben dich geliebt, wollten nur das Allerbeste für dich! Dir jeden Wunsch erfüllen, deswegen haben wir so viel gearbeitet … wir hätten öfter für dich hätten da sein müssen, ja. Aber wir wollten auch, dass es dir an nichts fehlt. Du bist unser einziges Kind, Peggy! <<
Zärtlich legte Frank seine Hand an ihre Wange und streichelte sie. Peggy schluckte, der Kloß in ihrem Hals wurde immer größer, und sie wusste nicht einmal, ob das an den teilweise schmerzlichen Erinnerungen an ihre Kindheit lag, oder an dieser offensichtlichen liebevollen Zuneigung, die ihr Vater ihr entgegenbrachte. >>Wir haben bestimmt nicht alles richtig gemacht, damals. << fuhr Frank fort. >>Aber dich haben wir sehr gut hinbekommen. Und ich bin unsagbar stolz auf dich!<<
Nun brachen bei Peggy endgültig die Dämme. Sie schluchzte auf und ließ sich von ihrem Vater in die Arme nehmen, der ihren Kopf an seine Schulter bettete und selber mit den Tränen kämpfen musste. Ihm war nie bewusst gewesen, dass Peggy sich wohl oftmals ziemlich vernachlässigt gefühlt haben musste. Umso mehr schmerzte es, es nun zu erfahren und nicht mehr ändern zu können.  
>>Ich will nicht, dass Emelie sich genauso fühlt, wie ich damals. << murmelte Peggy. >>Sie soll doch nicht denken, dass wir sie abschieben. << - >>Das wird sie nicht!<< Sanft schob Frank sie von sich und sah sie eindringlich an.
>>Sie spürt, dass du sie liebst! Du zeigst es ihr jeden Tag. Und es tut mir leid, dass Mama und ich das offenbar zu selten getan haben. << Er senkte den Blick. Es stimmte, er und Natascha hätten damals öfter für Peggy da sein müssen, aber irgendwie hatten sie beide immer viel zu viel zutun gehabt, um sich einmal wirklich bewusst in die Gefühlswelt ihrer Tochter hineinversetzen zu können. Nun war es zu spät…fast.
>>Ich weiß, ich kann die Fehler von früher nicht rückgängig machen. << flüsterte er. >>Aber ich hab dich lieb, Prinzessin!<< Peggy lächelte unter Tränen. Prinzessin! Wie lange hatte sie das nicht mehr von ihrem Vater gehört. Und es tat gut und vertrieb die düsteren Gedanken an früher.  Sie wischte sich die Tränenspuren von den Wangen und atmete tief durch.
>>Bleibst du noch ein bisschen?<< bat Frank. >>Vielleicht können wir gemeinsam Mittag essen. << - >>Darf ich Mark auch einladen?<< fragte Peggy und spürte, wie ihr Vater sich verschloss. Anscheinend trug er ihm die Geschichte von neulich noch immer nach. >>Er konnte nichts für die ganze Sache, okay? Das war allein meine Schuld. <<- >>Und ich würde auch nach wie vor gerne wissen, was da eigentlich genau gelaufen ist. << stellte Frank die Bedingungen klar und Peggy lenkte seufzend ein. >>Erkläre ich dir dann beim Essen, einverstanden?<< Frank schwieg einen Moment, doch dann lächelte er verhalten und nickte.