Die Nachhilfestunde 86: Fehltritt

>>Hast du schon eine Rückmeldung von Peggy bekommen?<< fragte Natascha, nachdem sie das Frühstücksgeschirr abgeräumt und sich wieder zu ihrem Mann auf die sonnige Terrasse gesetzt hatte. Es war einer der wenigen Morgende, an denen sie die Gelegenheit hatten, gemeinsam in den Tag zu starten und in aller Ruhe das Frühstück genießen zu können.
>>Ich meine wegen der Wohnung. << - >>Nein, sie hat sich noch nicht wieder gemeldet. << antwortete Frank mit leichtem Unmut. Seitdem er seinen Plan offenbart hatte, waren nunmehr zwei Wochen vergangen, aber Peggy hatte nach wie vor ihre Zusage nicht mitgeteilt, ebenso wenig wie eine endgültige Absage. Also war alles nach wie vor beim Alten. Natascha seufzte. >>Nun, sie und Mark werden sich das sicher gründlich überlegen wollen!<< ->>Bei so einem Angebot bräuchte ich nicht lange zu überlegen. << brummte Frank und nahm einen Schluck Kaffee. >>So eine Wohnung, in der Lage und sofort verfügbar ist ein Glücksfall!<< - >>Und gleichzeitig ein wenig übergriffig von dir. << fügte Natascha hinzu. Sie war im ersten Moment nicht sehr begeistert davon gewesen, dass ihr Mann dieses Penthouse erworben und als Geschenk geplant hatte. Und sie konnte es verstehen, dass Peggy nicht sofort freudestrahlend Ja gesagt hatte.
>>Wie auch immer, << lenkte Frank ein >>es zwingt sie ja niemand. Sollten sie absagen finde ich sicher sofort jemanden, der dort mit Kusshand einzieht. <<
Wenige Stunden später schlenderte Natascha gut gelaunt durch die Stadt. Sie hatte ihren freien Tag bislang herrlich verbracht, sich im Kosmetiksalon einen neuen Haarschnitt, sowie eine Gesichtsbehandlung gegönnt, im Café sündhaft leckere Torte gegessen und dachte gerade darüber nach, sich zum krönenden Abschluss dieses Vormittages noch irgendetwas schönes zum Anziehen zu kaufen, als sie Peggy erkannte, die beinah schon zaghaft aus einem großen grauen Gebäude geschlichen kam und sich umsah. Es wirkte fast so, als könne sie Angst haben gesehen zu werden. Merkwürdig, dachte Natascha und ging auf ihre Tochter zu, die sie schon bald erkannt hatte und auch jetzt ein wenig erschrocken wirkte.
>>Hast du eine Bank überfallen, oder warum guckst du so ertappt?<< scherzte Natascha, nachdem sie sich begrüßt hatten. Peggy schluckte. >>Nee, aber wenn Mark erfährt, dass ich hier war, dann gibt’s Stress. << Sie deutete mit dem Kopf auf das glänzend polierte Eingangsschild an der Hauswand. Natascha trat einen Schritt zur Seite und las, wurde jedoch kein bisschen schlauer. >>Was sollte er dagegen haben, dass du bei einer Eventagentur warst? Sicher ging es um eure Hochzeit, oder? << Peggy nickte und fasste kurz die Ereignisse der letzten Stunden zusammen: sie war gerade unterwegs zur Uni gewesen, als sie plötzlich dieses Schild entdeckt hatte, das den Weg zur Westermann-Agentur aufgewiesen hatte. Und irgendwie konnte sie nicht anders. >>Ich hab ja nichts fest ausgemacht, ich wollte nur erfahren, was die so zu bieten haben. << erklärte sie sich, Natascha sah noch immer ein wenig irritiert aus. >>Wo ist dann das Problem?<< - >>Mark und ich haben den Inhaber schon kennengelernt. Zugegebenermaßen ein bisschen schleimig, typischer Manager eben. Und wir hatten vereinbart, ihn vorerst nicht zu kontaktieren, aber … << Sie hob die Schultern. Irgendwie hatte sie einfach das Gefühl, dass sie mit ihrer Planung ewig hinterherhinken würden und das professionelle Unterstützung vielleicht doch nicht das Schlechteste wäre. Und leider war die Westermann-Agentur geradezu prädestiniert für ihre Anliegen. Natascha zwinkerte ihr aufmunternd zu. >>Ach, mach dir keine Gedanken. Ich bin sicher, Mark versteht das! Sich Infos und Rat einzuholen ist nie verkehrt. << - >>Hast du eine neue Frisur?<< wechselte Peggy das unbequeme Thema und sah ihre Mutter bewundernd an, die ein wenig stolz nickte und sich einmal im Kreis drehte. Peggy fuhr mit den Fingern durch ihre Haare und betrachtete die Spitzen, die teilweise ganz schön brüchig und trocken aussahen. Sie sollte auch mal wieder dringend zum Frisör gehen! Aber nicht jetzt. Jetzt musste sie sich beeilen, um noch rechtzeitig in der Uni anzukommen. Rasch verabschiedete sie sich von ihrer Mutter und setzte ihren Weg fort.
Sie hatte Glück und traf ohne Probleme pünktlich zur ersten Vorlesung ein, die ausnahmsweise mal nicht in einem der Hörsäle, sondern in einem etwas kleineren Präsentationsraum stattfand und die Studierenden über das angekündigte und bald bevorstehende Praktikum informierte. Mit monotoner und recht gelangweilter Stimme erklärte der Dozent alle näheren Umstände, so als hätte er diesen Vortrag schon hunderte Male gehalten, und das war vielleicht auch so.
Christine, die neben Peggy in einer der hinteren Stuhlreihen saß, war ganz kribbelig vor Spannung. >>Ist das aufregend. << wisperte sie. >>Bald sind wir wirklich ganz nah dran an der Praxis. Ich weiß schon, wo ich hingehe. Du auch?<< Peggy verdrehte möglichst unauffällig die Augen. Natürlich wusste Christine schon ihren Einsatzort! Sie war nun mal immer einen Schritt voraus, was solche Dinge anging. Ohne eine Antwort abzuwarten, schob Christine ihr eine Visitenkarte über den Tisch.
>>Hier, ich hab da schon mal angefragt. Ist die beste Praxis der ganzen Stadt!<< Peggy schielte auf die Tischplatte und presste die Lippen zusammen, als sie den Namen auf der Karte las. Dr. Felicitas Graf. Wo auch sonst? >>Klasse. << flüsterte sie zurück und behielt ihre Bekanntschaft mit der Dame wohlweißlich für sich.
>>Im Prinzip können Sie überall dort hingehen, wo Psychologie eine Rolle
spielt. << schloss der Dozent vorne seinen Bericht ab. >>Wichtig ist nur, dass Sie Ihren Forschungsauftrag im Blick behalten, die Grundlage für Ihre spätere Hausarbeit als Prüfungsleistung. << - >>Eine Hausarbeit. Wie toll!<< freute sich Christine abermals und Peggy war sich sicher, dass sie bereits heute Abend damit beginnen würde, auf ihrem Laptop die nötigen Formatierungen einzustellen. Manchmal war diese übereifrige Art wirklich ein wenig anstrengend. Sie hingegen hatte noch nicht einmal eine Vorstellung davon, wo sie ihr Praktikum überhaupt beginnen wollen würde. Noch einmal erhob der Dozent seine Stimme. >>Es muss übrigens nicht unbedingt die klassische Praxis sein. Denkbar wären auch andere Einrichtungen, wie Schulen, Krankenhäuser et cetera. Das liegt in Ihrem Ermessen. Denken Sie aber daran, dass es sich um zwei Monate handelt, die Sie dort verbringen. Es sollte also ein Setting sein, in dem Sie sich auch wohlfühlen. <<
Peggy spürte ihr Herz schneller schlagen. Plötzlich kam ihr eine ziemlich verrückte Idee!

Mark schmiss seine Aktentasche auf den Beifahrersitz und zog mit einem erleichterten Seufzer die Autotür zu. Endlich Feierabend! Er schloss für einen Moment die Augen und ließ den Tag revue passieren. Ganz schön anstrengend so eine Teenagerklasse! Irgendwie anders als früher. Er konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern, vor seiner Auszeit oft so erschöpft aus der Schule zu kommen. Entweder war das Unterrichten anspruchsvoller, oder er älter geworden. Er runzelte die Stirn. Die erste Variante war ihm definitiv lieber! Mark startete den Motor und fuhr vom Schulgelände. Peggy hatte heute länger Uni, das wusste er. Somit würde es jetzt seine Aufgabe sein, Emelie dazu zu bewegen, aus dem Kindergarten mit ihm nach hause zu kommen. Besser, er stellte sich schon jetzt auf ein widerspenstiges, überdrehtes kleines Geschöpf ein, das überhaupt nicht einsah, wieso der spannende Tag mit ihren Freundinnen jetzt schon zuende sein sollte.
In der Tat war es kein leichtes Unterfangen, doch Mark blieb so gut es eben ging geduldig und ließ sich breitschlagen, Emelie noch 10 Minuten mehr auf dem Spielplatz zu gönnen. Sie kreischte vor Freude und rannte sogleich los in Richtung Sandkasten, in dem schon einige andere Mädchen hockten und wohl die größte Sandburg der Welt planten. Mark sah ihnen von weitem zu, Emelie war definitiv die hübscheste von allen! Das lag auch nicht zuletzt daran, dass Peggy einfach ein Händchen dafür hatte, sie einzukleiden und dabei trotzdem auf Funktionalität und Kindergartentauglichkeit zu achten. Er zückte sein Handy und schoss unauffällig ein paar Fotos, ohne dass die anderen wartenden Mütter es mitbekamen, denn die waren teilweise ganz schön empfindlich, was Bilder von ihren Kindern anging.
*Emelie wir den halben Sandkasten mit nach hause schleppen*
tippte er an Peggy.
*macht nix, wird sie eben wieder in die Wanne gesteckt*
lautete ihre Antwort und ein zweiter Satz kam direkt hinterher
*muss dir später was erzählen!*
Mark dachte kurz darüber nach, was so wichtig sein könnte, ließ es dann jedoch gut sein. Er würde es noch früh genug erfahren.
Bald kam Emelie dann sogar freiwillig angetapert und ließ sich ohne Gegenwehr ins Auto setzen. So ein Tag konnte irgendwann eben doch ganz schön lang werden!
Deswegen kam der Vorschlag zu baden auch nicht gut an, als sie wenig später wieder Zuhause waren. Emelie wollte lieber sofort etwas essen und dann ihre momentane Lieblingskinderserie im Fernsehen schauen, die sie fast jeden Abend vor den Bildschirm zog. Mark versuchte einen Kompromiss.
>>Dann isst du erst was. Aber danach wird gebadet. Deine Serie nehme ich dir auf, okay? << - >>Okay!<< strahlte Emelie ihn an und erneut ging ihm das Herz auf. Wie süß konnte sie eigentlich noch werden? Sie lief in ihr Zimmer, wohlwissend, dass ihr Abendbrot nicht lange auf sich warten lassen würde, und Mark betrat mit einem amüsierten Kopfschütteln das Wohnzimmer. Irgendwo hier hatte Peggy kürzlich ihr neues Kochbuch liegenlassen, in dem tolle Rezepte für Kinder veröffentlicht waren. Nur wo? Mark sah sich um und seufzte. Dass sie manchmal aber auch so unordentlich sein musste! Erst jetzt bemerkte er das Blinken des Anrufbeantworters und drückte die Wiedergabetaste, während er weiter auf der Suche nach dem Buch war und nur mit halbem Ohr zuhörte. Doch die Stimme, die ihm nach der Bandansage aus dem Lautsprecher entgegenschallte, ließ ihn zusammenzucken und sofort jede Suche unterbrechen.

 

Kribblig vor Freude schloss Peggy die Wohnungstür auf und beeilte sich, ihre Sachen abzulegen. Die Uni war endlich vorbei und sie war auf dem schnellsten Wege nach Hause gegangen, denn sie wollte Mark endlich ihre Idee mitteilen, die sie schon den ganzen Tag umgetrieben hatte. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und sah sich um. Er musste schon da sein, denn seine Tasche stand dort und auch aus Emelies Zimmer drangen bereits wohlbekannte Töne. Im Wohnzimmer wurde sie fündig. Er stand neben dem Telefon und machte ein eigentümliches Gesicht, als sie hereinkam.
>>Da bist du ja! Oh man, ich hab mich so auf dich gefreut! Ich muss dir unbedingt was erzählen. << kam sie freudig auf ihn zu und streckte sich ihm zu einem Kuss entgegen, den er jedoch nur halbherzig zuließ. >>Ich kann mir schon denken, worum es geht. << murmelte er leise und Peggy stutzte. Sie konnte sich keinen Reim auf seine kühle Reaktion machen.
>>Was ist denn los?<< fragte sie vorsichtig. Mark schwieg, sah sie nur mit tiefem Blick an, dann trat er einen Schritt vor und drückte erneut den Knopf des Anrufbeantworters.   
>>Hallo Peggy, schade, dass ich Sie nicht erreiche. Ich habe Ihnen mal ein paar Vorschläge gemailt, die wir gerne zusammen durchgehen können. Das hatten wir ja heute Vormittag so besprochen. Ich würde mich wirklich freuen, Sie wiederzusehen und Ihnen bei Ihrer Planung helfen zu können. Melden Sie sich einfach bei mir. Alles Gute! <<
Das lang gezogene Piepen beendete Herrn Westermanns schmeichelnde Stimme. Peggy wurde heiß und sie wagte kaum, Mark anzusehen. Mist, das hatte sie ja völlig vergessen!
>>Ist es wirklich so, wie ich denke?<< fragte Mark. >>Du warst in dieser Agentur?<< Mit klopfendem Herzen hob Peggy nun doch den Blick und nickte zaghaft. >>Alleine?<< bohrte Mark nach, sie nickte erneut, versuchte dann jedoch Schadensbegrenzung. >>Aber ich hab mit Herrn Westermann gar nicht lange gesprochen! Er wollte mir nur einige Informationen mailen, damit wir uns das mal ansehen können. Mehr nicht. << - >>Mehr nicht?<< Marks Stimme wurde lauter. Offenbar hatte all das für Peggy keinerlei Bedeutung. >>Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir den Typ aus dem Spiel lassen. Und vorallem, dass du da nicht alleine aufkreuzt!<< - >>Ja, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es gar nicht so schlecht ist, sich mal schlau zu machen. << versuchte Peggy ihn weiter zu beruhigen. Er antwortete nicht und sie trat vorsichtig auf ihn zu, legte die Arme um seinen Hals und sah ihn mit großen Augen an. >>Komm schon, es ist doch nichts passiert. Der Kerl ist zwar ein Schleimi, aber harmlos. << - >>So harmlos, wie Timo am Anfang auch war. << erwiderte Mark ernst und Peggy wurde schlecht. Das war definitiv ein neuralgischer Punkt gewesen! Sie ließ von ihm ab und stand ihm nun stumm gegenüber. Er schien wirklich sauer zu sein.
>>Ich hab geahnt, dass du so
reagierst. << sagte sie leise, doch das ließ die Enttäuschung auf Marks Gesicht nur noch größer werden. >>Und es trotzdem gemacht?<< Peggy hob die Schultern, was sollte sie noch dazu sagen? Ja, es war nicht besonders klug von ihr gewesen, aber so ein Drama zu veranstalten war doch auch irgendwie unverhältnismäßig, oder? >>Vergiss nicht, ihm zurückzumailen. << sagte er noch, ehe er sie stehen ließ. Peggy hörte, wie die Tür ins Schloss fiel und dann Schritte nach oben. Sicher ging er jetzt zu Sascha, um sich auszukotzen. Sie atmete tief durch und legte den Kopf in den Nacken. Ihre Vorfreude nach Hause zu kommen, war wie weggeblasen!

Unterdessen war Mark tatsächlich geradewegs zu Sascha hinaufgestapft. Nun saß er bei ihm auf der Couch und Sascha wunderte sich über sein missmutiges Gesicht. >>Willst du drüber reden?<< fragte er vorsichtig, Mark atmete tief durch und schüttelte den Kopf. >>Nee, gerade nicht. Hast du n‘ Bier?<< - >>Klar. << Sascha lief in die Küche und kam mit zwei Bierflaschen und einem Öffner zurück. Er reichte Mark eine davon und eine Weile saßen sie schweigend da. Sascha war sich nicht sicher, ob er nachforschen wollte und sollte, was der Grund für Marks schlechte Laune war.
>>Wie läuft’s mit Annika?<< fragte er in diesem Moment und Sascha war einigermaßen überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet, aber es freute ihn, dass Mark sich erkundigte, auch wenn das vielleicht nur ein Versuch war, sich von irgendetwas abzulenken.
>>Sehr gut. << lächelte er. >>Ich fahre später noch zu ihr und wir verbringen den Abend zusammen. << - >>Dann ist sie also über die Sache mit Timo hinweg?<< - >>So richtig drüber hinweg wird sie glaube ich erst sein, wenn er seine Strafe bekommen hat. << sagte Sascha. >>Aber wir haben noch immer nichts von der Polizei gehört. << - >>Wir auch nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die beiden ihre Aussage noch einmal wiederholen müssen. << Mark hoffte zwar, dass das nicht nötig werden würde, denn Peggy schien sich gerade wieder gefangen zu haben, auszuschließen war es jedoch nicht und er ahnte bereits, dass sie das wieder ein wenig zurückwerfen würde. Er konnte nur hoffen, dass sie stark genug sein würde. Andererseits schien sie die Angst ja bereits weit hinter sich gelassen zu haben, wenn sie es sogar in Kauf nahm, von Herrn Westermann umgarnt und angeflirtet zu werden. Bei dem Gedanken daran, wie sie heute alleine in dieser Agentur gewesen war und wie Westermann sich bei ihrem Anblick vermutlich schon die Hände gerieben hatte wurde ihm speiübel und er verzog das Gesicht.
>>Peggy war bei dem Westermann. << brach es aus ihm heraus. >>Ohne Absprache und obwohl wir ausgemacht hatten, ihn nicht aufzusuchen. Und dann auch noch alleine. << Er schüttelte den Kopf, als könne er es immernoch nicht fassen. Sascha nickte bedächtig und versuchte das Problem nachzuvollziehen. >>Ist das denn so schlimm?<< fragte er vorsichtig. >>Sie ist erwachsen und weiß, was sie tut. << - >>Du kennst den Kerl nicht. Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm Peggy gefällt. Das letzte Mal ist er fast in ihren Ausschnitt gefallen!<< Sascha verbiss sich mühsam ein Lachen, denn anscheinend war Mark das Thema wirklich ernst. >>Sie hat es bestimmt nicht böse
gemeint. << vermutete er. >>Wahrscheinlich hat sie gar nicht groß darüber nachgedacht. << - >>Man, ich hab einfach Angst um sie! Grade nach der Sache neulich! Sie ist ein gefundenes Fressen für jedes notgeile Arschloch!<< Seine energische Stimme und die deutliche Wortwahl ließ Sascha ein wenig zusammenzucken. So erbost kannte er Mark gar nicht, aber es machte deutlich, wie sehr ihn das Thema beschäftigte. >>Vielleicht sagst du ihr das genau so. << riet er mit halbem Ernst. >>Dann dürfte sie verstehen, worum es dir geht. << - >>Ich glaube, heute hab ich gar keine Lust mehr, darüber zu diskutieren. << Mark trank sein restliches Bier in einem Zug leer und sah Sascha an. >>Hast du noch eins?<<

Ein Stockwerk tiefer saß Peggy mit Emelie in der Küche und achtete darauf, dass der Großteil von Emelies Abendbrei in ihrem Mund, und nicht auf der Tischplatte landete. Sie schaute ihrer Tochter liebevoll zu, gleichzeitig spürte sie, dass der kleine Disput mit Mark ihr deutlich schwerer auf der Seele lag, als ihr lieb war! Obwohl sie seinen Unmut nach wie vor nur halbwegs verstehen konnte. Hatte er wirklich so ein großes Problem damit, dass sie Herrn Westermann aufgesucht hatte? Oder steckte noch mehr dahinter? Sie musste das herausfinden, so schnell wie möglich. Aber hinterherlaufen würde sie ihm nicht, das stand fest. Sie vernahm Schritte, dann die Wohnungstür und richtete sich ein wenig auf, als Mark zu ihr kam und sich wortlos mit an den Küchentisch setzte. Peggy bemerkte seinen leicht abwesenden Blick und hatte keine Ahnung, wie sie auf ihn reagieren sollte. Auf jeden Fall hatte er seine schlechte Laune mit Sascha begossen, das roch sie!
>>Hast du dich abreagiert?<< wagte sie irgendwann den Vorstoß und Mark wandte sich ihr langsam zu. >>Abreagiert? Du meinst also, ich habe übertrieben?<< - >>Ein wenig, ja. << Peggy spürte ihr Herz schneller schlagen. Entweder riskierte sie hier gerade eine neue Eskalation, oder aber es half, um die Sache ein wenig abzudämpfen. Er schwieg, schaute sie nur an, ehe er sich erhob und neben sie trat. Unerwartet sanft strich seine Hand über ihre Haare.
>>Was gab’s denn nun so dringendes?<< fragte er leise, Peggy stutzte und sah zu ihm auf. Sie hatte keine Ahnung, was er meinte. >>Vorhin, als du sagtest, du müsstest etwas ganz Wichtiges
erzählen. << - >>Achso, das. << Peggy seufzte und winkte ab. Sie hatte nach all dem Drama keine Lust mehr, darüber zu reden. >>Egal. So unheimlich wichtig ist es nun auch wieder nicht. << - >>Dann lass es halt. << Peggy verdrehte die Augen, als sie seinen unfreundlichen Tonfall hörte. Sie wischte Emelie flüchtig den Mund sauber und hob sie aus dem Kinderstuhl. >>Komm, Mausi. Papa hat schlechte Laune. << murmelte sie und machte Anstalten, den Raum zu verlassen, doch Mark bekam sie am Arm zu fassen und hielt sie fest.
>>Du verstehst es echt nicht, oder?<< raunte er. >>Dass ich mir Sorgen mache? Dass ich Angst habe um dich? Und dass ich es hasse, wenn du dich nicht an Absprachen hältst. << - >>Doch, das verstehe ich. << erwiderte Peggy und hoffte, dass sie so selbstsicher klang, wie sie es beabsichtigte. >>Aber du kannst nicht 24 Stunden am Tag kontrollieren, was ich tue oder lasse. Gut, es war nicht ganz okay, dass ich da hingegangen bin, ohne dass du etwas davon wusstest, aber rückgängig machen kann ich es jetzt auch nicht. Entweder du bist jetzt bis ans Ende unserer Tage sauer und beleidigt, oder so großmütig und vergibst mir diesen eklatanten Fehltritt!<<
Beim Klang ihrer absichtlich theatralischen Stimme musste Mark nun doch ein wenig schmunzeln. Eigentlich wollte er ernst bleiben und sich nicht so einfach um den Finger wickeln lassen, aber ihre funkelnden Augen und leicht erhitzte Wangen verfehlten ihre Wirkung nicht.  Er trat ein wenig näher und sah sie tief an.
>>Du kannst ja versuchen, es wieder gut zu machen. << murmelte er, Peggy widerstand dem Impuls, erneut die Augen zu verdrehen und holte stattdessen tief Luft. >>Sex ist kein Allheilmittel. << erwiderte sie mühsam geduldig, Mark legte den Kopf zur Seite und noch immer umspielte ein Lächeln seine Lippen.
>>Wer redet denn von Sex?<< - >>Und was willst du dann?<< Peggy wusste nicht, was sie von diesem Spielchen halten sollte. Hatte er ihr nun verziehen, oder nicht? >>Du könntest mir mal die Wohnung zeigen. << antwortete Mark. >>Immerhin kenne ich sie bislang nur von Bildern und bin gespannt, wie sie in Echt aussieht. << - >>Jetzt noch?<< Peggy sah auf die Uhr, es war früher Abend und eigentlich hatte sie keine große Lust mehr, noch einmal loszufahren. Doch Mark nickte, er meinte es wohl ernst. >>Aber ich hab keinen Schlüssel. << - >>Den können wir ja bei deinen Eltern abholen. << ließ er ihr Argument nicht gelten. >>Emelie muss ins Bett, und ich auch. Können wir das nicht auf morgen verschieben?<< versuchte Peggy es erneut und es klappte.
Mark hatte anscheinend eingesehen, dass morgen völlig ausreichend sein würde. >>Na gut, überredet. << sagte er leise, Peggy grinste zufrieden. Spiel, Satz und Sieg!