Die Nachhilfestunde 75: Platzhirsche


Am nächsten Morgen lag Peggy auf der Untersuchungsliege ihrer Gynäkologin und wartete mit klopfendem Herzen darauf, dass der Monitor neben ihr ein Bild freigab, auch wenn sie sicher wieder einmal nicht mehr erkennen würde als einen undurchsichtigen Wust aus schwarz, grau und weiß. Sie hatte bereits einen Schnelltest gemacht, doch das Ergebnis war ihr nicht genau genug gewesen und um ganz sicher zu gehen, hatte sie den ersten Termin genommen, den ihr die Sprechstundenhilfe angeboten hatte. Der Kopf des Ultraschallgerätes schmierte den klebrigen Glibber über ihren Bauch, während die Ärztin ruhig und konzentriert auf den Bildschirm schaute. Peggy wippte nervös mit den Füßen. Warum dauerte denn das so lange? Sie wollte endlich Gewissheit haben …
>>Also, wie auch der Test es gezeigt hat, Peggy … << Dr. Seidel drehte den schwenkbaren Monitor in ihre Richtung. Schwarz, grau, weiß … mehr erkannte Peggy auch heute tatsächlich nicht darin.
>>Du bist nicht schwanger. << - >>Oh mein Gott! Danke! << rief Peggy und stieß erleichtert die Luft aus, die sie unbemerkt bis eben angehalten hatte.  >>Danke! Das wäre so eine Katastrophe gewesen!<< Dr. Seidel lachte, speicherte das Bild ab und reichte Peggy dann ein Tuch um sich zu säubern. >>Eine interessante Reaktion. << - >>Sie wissen schon wie ich das meine! Eine zweite Emelie wäre zum jetzigen Zeitpunkt völlig undenkbar. Wir wissen manchmal jetzt schon nicht, wo uns der Kopf steht!<<
Peggy richtete ihre Kleidung und nahm noch einmal vor dem riesigen weißen Schreibtisch am anderen Ende des Untersuchungszimmers Platz. Dr. Seidel sah sie aufmerksam an. >>Habt ihr schon mal über andere Verhütungsmethoden nachgedacht?<< - >>Nein, ich komme mit der Pille ja super zurecht. Und eigentlich vergesse ich sie auch nie! Das wird mir so schnell nicht nochmal passieren. << - >>Gut. Dann belassen wir es erstmal dabei. Aber einen Tipp habe ich noch für dich: stell dir einen Timer auf deinem Handy ein! Bei deinem ganzen Stress ist das sicherlich hilfreich. <<
Die Nachricht erreichte Mark mitten in einer Konferenz. Er hatte voller Anspannung gewartet und wurde nun endlich erlöst. Seine kleine Familie erwartete also keinen Zuwachs! Augenblicklich fiel alles von ihm ab und er sank förmlich in sich zusammen. Nadja, aber auch ein paar andere Kollegen bemerkten seine Reaktion und sahen ihn ein wenig verwundert an. Doch das war ihm egal. Er fühlte sich unendlich erleichtert! Klar, theoretisch konnte er sich eine ganze Fußballmannschaft mit Peggy vorstellen, aber sie hatten sich doch gerade erst verlobt, Emelie war noch so klein, er war endlich wieder in seinen Job zurückgekehrt. Eine Schwangerschaft hätte einfach alles durcheinander gebracht.
Wie von einer Zentnerlast befreit, machte er sich wenig später auf zur nächsten Unterrichtsstunde. Die 10. Klasse, die er gleich vor sich haben würde, war alles andere als das, was man als Lehrer gerne hatte: laut, unfolgsam, furchtbar pubertär. Doch Mark nahm sich immer wieder fest vor, nicht aufzugeben und es somit besser zu machen als die Kollegen, die sich fast schon weigerten, diesen wilden Haufen zu unterrichten.
>>Das trifft sich ja gut. Zu Ihnen wollte ich!<< wurde er von einem Mann aufgehalten, kurz bevor er den Klassenraum erreicht hatte. Mark erkannte ihn wieder. Es war der Vater eines Jungen dieser Klasse, einer von den ganz besonders herausfordernden! Julian Westermann schien sich stets für etwas besseres zu halten. Cooler, klüger, reicher, und er stellte diese Attitüde mit allen Mitteln zur Schau. Allerdings war sein aufgesetztes Getue nur Fassade, da war Mark sich fast sicher. Mühsam rang er sich ein Lächeln ab. Er wusste, dass er professionell sein musste, auch wenn er sein Gegenüber nicht gerade sympathisch fand.
>>Was kann ich für Sie tun?<< - >>Julians letzte Note in der Mathematikarbeit ist ja wohl ein schlechter Witz!<< Herr Westermann steckte seine dunkel getönte Sonnenbrille in seine Hemdtasche und bedachte Mark mit einem bitterbösen Blick. >>Mein Sohn schreibt keine fünfen, niemals!<< - >>Tut mir leid, aber in dem Fall war die Note absolut gerechtfertigt. << entgegnete Mark sachlich. >>Im Übrigen kommt Julian allgemein immer weniger mit, was den Stoff angeht. Vielleicht hätten Sie doch besser den letzten Beratungstermin wahrgenommen, da hätte man diese Dinge nämlich wunderbar besprechen können. <- >>Beratungstermin!<< Julians Vater stieß abschätzig die Luft aus und schüttelte den Kopf. >>Ich habe keine Zeit für den Quatsch. Ich leite eine große Firma, die Julian eines Tages übernehmen soll. Aber wenn Sie ihm solche Zensuren zuschieben wird das schwierig. <<
Mühsam um Beherrschung ringend bewahrte Mark sich seine Souveränität. Ihm war klar, dass er hier nicht weiterkam. Offenbar hatte der Mann keine Ahnung, wie es in Wahrheit um seinen Sohn bestellt war.  >>Lassen Sie uns das bitte ein anderes Mal besprechen, ja? Ich glaube hier und jetzt ist nicht der richtige Ort dafür. << - >>Sie hören von mir!<< rief Herr Westermann verärgert und trat den Rückzug an. Kopfschüttelnd sah Mark ihm nach, wie er mit schnellen Schritten Richtung Ausgang marschierte. Was für ein Kotzbrocken!

 

>>Welches Kleid soll ich anziehen? Dieses?<< Peggy hielt sich ein leichtes rotes Sommerkleid vor den Körper und stellte sich vor den Spiegel. In der anderen Hand hielt sie ein etwas enger geschnittenes blaues Kleid und konnte sich nicht entscheiden. >>Oder lieber das hier?<< - >>Musst du dich überhaupt so aufbrezeln? Das ist doch kein
Staatsempfang. << sagte Mark, der ihr auf dem Bett hockend zusah. In wenigen Stunden würden er und Peggy zu Annikas Abschlussfeier aufbrechen, die in der letzten Woche endlich ihre Ausbildungsprüfungen bestanden hatte und sich nun tiermedizinische Fachangestellte nennen durfte. Heute würde sie ihr Zeugnis bekommen und da durften ihre besten Freunde natürlich nicht fehlen. So richtig viel Lust hatte Mark allerdings nicht darauf. Er würde lieber einen entspannten Abend Zuhause verbringen, aber Peggy war schon damit beschäftigt, sich fertig zu machen. Seit einer gefühlten Ewigkeit posierte sie vor dem Spiegel und kramte ein Kleid nach dem anderen aus dem Schrank.
>>Aber der Abschluss meiner besten Freundin. << erwiderte sie und schmiss das blaue Kleid zurück aufs Bett. >>Komm schon, du weißt wie wichtig es für sie ist, dass wir da sind. << - >>Dass du dabei bist, ja. Wieso muss ich mit?<< Peggy sah ihn mit einem unmissverständlichen Blick an. >>Muss ich dir wirklich nochmal erklären, wie gerne sie dich mag?<< Nein, das musste sie nicht. Mark war absolut klar, dass Annika noch immer ein Auge auf ihn geworfen hatte, wieso auch immer! Einerseits schmeichelte es ihm, andererseits war es ein wenig lästig und ließ die Treffen immer ein bisschen krampfig werden. Er erhob sich vom Bett und legte Peggy von hinten die Arme um die Taille. >>Nimm das rote Kleid. Das sieht fabelhaft aus! << raunte er und küsste sanft ihren Hals. Peggy bekam eine Gänsehaut und schloss die Augen, doch ehe sie sich fallen lassen konnte hatte Mark sich schon wieder von ihr gelöst und begann nun seinerseits damit, sich etwas passendes zum Anziehen zu suchen. Ein wenig frustriert sah Peggy zu ihm hinüber. Seit dieser Sache mit der vergessenen Pille vor ein paar Wochen schien er irgendwie ein wenig zurückhaltender geworden zu sein. Sie musste sich unbedingt etwas einfallen lassen, damit das wieder anders werden würde!
Die Feier fand auf dem Gelände der Berufsschule statt. Stolz wie Oskar hatten die Absolventen in der großen Halle ihre Urkunden entgegen genommen und Peggy fand, dass Annikas Strahlen alle anderen um Längen schlug! >>Endlich hat sie es geschafft. << murmelte Timo, der neben Peggy saß und schon unzählige Fotos geknipst hatte. >>Sie hat sich so verrückt gemacht wegen diesen Prüfungen. << - >>Du kannst stolz auf sie sein. << lächelte Peggy und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen vorne. Ihre Freundin sah wirklich toll aus. Auch sie trug an diesem besonderen Tag natürlich ein langes Kleid, hatte ihre Haare hochgesteckt und wirkte endlich mal richtig entspannt und glücklich.
>>Herzlichen Glückwunsch, du siehst so toll aus!<< Peggy drückte Annika fest an sich, als nach der Zeugnisvergabe Sekt und andere Getränke zum Anstoßen verteilt wurden. >>Danke. << erwiderte diese und atmete tief durch. Sie war unendlich erleichtert, dass sie nun ihren Abschluss in der Tasche hatte! Und sie freute sich, dass Peggy hier war, dass Timo hier war … suchend blickte sie sich um. << - >>Wo ist Mark?<< - >>Mit Emelie irgendwo unterwegs. Ich glaube, der war das hier ein bisschen zu öde. << kicherte Peggy, Annika schluckte und zwang sich, einfach weiterzulächeln. Irgendwann würde sie ihm schon noch über den Weg laufen. >>Ist deine Mutter gar nicht hier?<< wollte Peggy wissen, Annika deutete zum anderen Ende der Halle. >>Da vorne. Unterhält sich gerade mit ihrem Chef. Der ist der Vater einer Mitschülerin von mir… bisschen kompliziert. << klärte Annika auf und winkte ab. >>Ich geh schnell mal rüber zu ihr, ja? Ich würde sie gerne begrüßen, wir haben uns so lange nicht mehr
gesehen. << sagte Peggy und war schon verschwunden. >>Ja, und ich muss dich jetzt entführen, meine Eltern wollen dir nämlich auch noch gratulieren. << fügte Timo hinzu und schon hatte er die verdutzte Annika an der Hand genommen und zog sie mit sich.

Unterdessen war Mark mit Emelie ein wenig umherspaziert, hatte ihr dieses und jenes gezeigt und war heilfroh, dass sie heute ausnahmsweise mal friedlich war! Er hatte sich vor dem Gebäude in der Sonne auf einer kleinen Mauer niedergelassen und sah seiner Tochter zu, wie sie das angelegte Blumenbeet und die Pflanzen bestaunte. Die Zeugnisübergabe war ihr schnell zu langweilig geworden und so hatte Mark sie auf seine Arme gehoben und war möglichst leise mit ihr hinausgegangen. Auch für ihn eine willkommene Gelegenheit, den endlosen Reden und Ansprachen zu entgehen. Gleich wären diese Förmlichkeiten beendet und dann würde er zurückkehren und Annika gebührend gratulieren. Bei der Vorstellung, wie Annika wohlmöglich den ganzen Tag auf seine Glückwünsche hinfieberte musste er grinsen. Ob sie ihn wohl jemals in Ruhe lassen würde? >>Komm Schatz, wir gehen wieder rein. << rief er Emelie zu, bevor sie sich komplett mit Erde vollgematscht hatte. Natürlich kam ein Protest, doch Mark blieb gelassen. >>Wir gucken, wo Mama ist. Und es gibt bestimmt was leckeres zu Naschen für dich. << Dieses unschlagbare Argument ließ sie Blumen und Erde sofort vergessen und Emelie tapste lachend auf ihn zu.
In der Eingangshalle herrschte mittlerweile so ein Gewimmel, dass Mark Schwierigkeiten hatte, irgendjemanden entdecken zu können. Überall standen Eltern, Schüler, Angehörige und Freunde in Grüppchen verteilt und alle redeten durcheinander. Die Atmosphäre glich ein bisschen der einer Abiparty. Mark reckte den Hals und sah sich um, Emelie fest im Griff. Wenn sie sich jetzt losreißen und abhauen würde, würde er ganz schön Mühe haben, sie wieder einzufangen. In Mitten all der Menschen erkannte er Peggy schließlich. Sie stand einige Meter von ihm entfernt und war angeregt in ein Gespräch mit einem Mann vertieft, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte. Doch sie schienen sich gut zu unterhalten und Peggy einige Komplimente zu bekommen. Mark biss sich auf die Zähne. Wie er es hasste, wenn Peggy so angebaggert wurde! Aber so wie sie aussah, war das wahrlich kein Wunder! Ihre Haare waren in den letzten Monaten noch länger geworden und reichten fast bis zur Taille. Die hohen Schuhe taten ihr übriges … und er hatte ihr dieses umwerfende rote Etuikleid auch noch empfohlen! Zeit, es ihr wieder auszuziehen. Mark schluckte und sah sich um. Hatte irgendwer seine Gedanken gehört?
Da erkannte Peggy ihn und verabschiedete sich von ihrem Gesprächspartner. Der Mann hielt ihre Hand eine Spur zu lange fest, das sah Mark genau. Entspann dich mal, redete er sich ein, während Peggy auf ihn zulief. Sie liebt dich und sie will dich heiraten! Ganz egal, wer wie lange ihre Hand zerquetscht!
>>Da bist du ja endlich. Ich hab dich schon gesucht. << Peggy küsste ihn flüchtig auf den Mund und warf einen irritierten Blick auf Emelie. >>Was habt ihr denn gemacht? Im Schlamm gebadet? << - >>Wo ist Annika? Ich muss ihr noch gratulieren. << ging Mark nicht weiter auf ihre Frage ein, doch Peggy schüttelte den Kopf. >>Später, ich will dir erst jemanden vorstellen. << - >>Den Typen, mit dem du da eben so intensiv geplaudert hast?<< Peggy hörte die Missbilligung in seiner Stimme und grinste ihn schelmisch an. >>Ein sehr sympathischer und charmanter Mann, das muss ich schon sagen. Hat Manieren! << - >>Schön, sonst noch was?<< - >>Eifersüchtig?<< - >>Ein bisschen. << - >>Komm, sei nicht albern. << Peggy schmiegte sich ein wenig an ihn und sah ihn beschwörend an. >>Der Kerl hat eine Eventagentur, die unter anderem auch Hochzeiten organisiert. Annikas Mutter arbeitet für ihn und so sind wir ins Gespräch gekommen. << Sofort fühlte Mark sich entspannter. Daher Peggys eifrige Unterhaltung mit diesem Mann. Na gut, das konnte er ihr verzeihen. >>Klingt gut. << - >>Ja, und er meinte, dass er uns vielleicht helfen könnte beim Planen und so. << - >>Keine zwei Stunden hier und schon was ausgehandelt. << nickte Mark bewundernd, Peggy lachte. >>Komm, ich stell ihn dir
vor. << Amüsiert folgte Mark ihr durch die Menschenmengen. Sie war wirklich nicht zu bremsen, was die Hochzeitsplanung anging. Aber wenn er ehrlich war, konnte es ihm auch nicht schnell genug gehen! Schließlich waren sie am anderen Ende des Raumes angelangt, der Mann stand mit dem Rücken zu ihnen, als Peggy ihn ansprach. >>Da bin ich wieder. Und das ist mein Verlobter, Mark Winter. << Verlobter! Mark ließ den Klang dieses Wortes durch seinen Körper fließen und wurde Zehn Meter größer vor Stolz. Aus dem Mund dieses umwerfenden Geschöpfs hörte sich das einfach wundervoll an!
>>Herr Winter, ich freue mich sehr!<< antwortete der Mann, drehte sich um und Mark fiel das Lächeln buchstäblich aus dem Gesicht, als er direkt in das süffisante Grinsen von Herrn Westermann schaute!

 

Er brauchte einige Sekunden, um seine Sprache wiederzufinden.
>>Herr Westermann … wie nett. << schüttelte er ihm die Hand, noch immer seinem beinah schadenfrohen Lächeln ausgesetzt. Peggy sah irritiert zwischen den beiden hin und her. >>Kennt ihr euch?<< - >>Ja, er ist der Lehrer meins Sohnes, wissen Sie? Und wir hatten neulich schon ein sehr angeregtes
Gespräch. << Mark erwiderte seinen Blick und ihm fiel keine Erwiderung ein. Er spürte nur, dass seine Abneigung gegen diesen Typ mit jeder Minute größer wurde.
>>Und Sie wollen also heiraten, habe ich das recht verstanden?<< harkte er nach, Peggy nickte eifrig. >>Genau. Und wir könnten gut Hilfe bei den Vorbereitungen gebrauchen. << - >>Sieh an. << Herr Westermann bedachte Mark erneut mit einem kühlen Blick. >>Das hätte ich gar nicht gedacht.<< - >>Was?<< - >>Na, dass Sie so eine liebenswerte und charmante Freundin haben. Ich hätte Sie eher als der Singletyp eingeschätzt. << Beim Klang seines Lachens drehte Mark sich der Magen um. So ein unverschämter Kerl! Und die Art, wie er Peggy mit seinen dunkelgrauen Augen auszog, gefiel ihm ebenfalls ganz und gar nicht. Peggy hingegen schien das überhaupt nicht zu bemerken, sondern stieg auch noch in sein amüsiertes Lachen mit ein. Schließlich zog Herr Westermann eine kleine Karte aus seinem grauen Sakko hervor und reichte sie Peggy. >>Hier stehen alle Kontaktdaten drauf. Rufen Sie mich an, wenn ich etwas für Sie tun
kann. << - >>Machen wir, vielen Dank!<< - >>Auf Wiedersehen, es hat mich sehr
gefreut! << Erneut grabschte er nach Peggys Hand und Mark blieb fast die Luft weg, als er mit ansehen musste, wie er einen Handkuss andeutete. Er war sicher, dass das Absicht war um ihn zu provozieren. Nur weil sein Sohn keine Traumzensuren bekam, woran er als Vater sicher nicht ganz unschuldig war! Mark kochte und hatte alle Mühe, sich zusammenzureißen. Seine Verabschiedung fiel deutlich zurückhaltender aus.
>>Besser kann’s doch gar nicht laufen. << freute sich Peggy, nachdem Westermann endlich das Weite gesucht hatte und hielt triumphierend die Visitenkarte hoch.
>>Mama! Kuchen! << durchbrach Emelie lauthals die Situation und deutete mit wilden Gesten in Richtung des Kuchenbuffets, das soeben aufgebaut worden war. Peggy nahm sie Mark liebevoll ab und herzte ihre Wangen. >>Natürlich, Kuchen. << Mark atmete tief durch. Er beschloss, sie fürs erste nicht in ihrer Freude zu trüben. Früher oder später würde sie jedoch erfahren müssen, was der saubere Herr Westermann für ein Typ war!
Gegen Abend hatten sich die Feierlichkeiten irgendwann aufgelöst. Zu Marks Erleichterung waren sie Herrn Westermann nicht noch einmal begegnet. Er hatte erfahren, dass seine Tochter zusammen mit Annika in die gleiche Berufsschulklasse gegangen war und heute ebenfalls ihren Abschluss feierte, doch auch sie hatten sie nicht mehr kennengelernt. Stattdessen hatte Annika natürlich noch Marks Glückwünsche und einen riesigen Blumenstrauß geschenkt bekommen, wofür sie sich errötend bedankt hatte. Und als Mark ihr dann noch ein Kompliment für ihr Kleid aussprach, war sie endgültig geflasht gewesen.
Kichernd erinnerte sich Peggy an die Szene, als sie neben Mark zum Parkplatz ging, plötzlich aber schmerzhaft das Gesicht verzog, humpelte und schließlich stehen blieb. Dann löste sie die Riemen ihrer Sandalen, schlüpfte aus den Schuhen und nahm sie in die Hand. Erleichtert atmete sie auf, als der Schmerz nachließ. Diese hohen Dinger hätte sie keine Minute länger ausgehalten. Mark hatte die bereits schlummernde Emelie sorgsam in den Kindersitz buchsiert und deutete nun auf ihr Kleid. >>Ziehst du den Rest auch noch aus?<< - >>Haha, sehr witzig. Wieso sollte ich? Du willst mich doch nicht mehr. << schlug Peggy ihm entgegen, eine Spur derber, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte.
Mark stutzte. >>Was meinst du damit?<< - >>Ich hab das Gefühl, seit dieser Pillen-Geschichte hast du keine Lust mehr auf … mich. << Denn immer, wenn in den letzten Wochen eine Spur Erotik aufgeflammt war hatte Mark sich sofort distanziert oder war der Situation ganz einfach entflohen. So war jedenfalls Peggys Eindruck und zunächst hatte sie das auch nicht weiter für wichtig erachtet, doch inzwischen würde sie schon interessieren, ob und was da hinter steckte. Und Mark wusste, dass sie es bemerkt hatte und dass er absichtlich ein bisschen sein Spiel mit ihr trieb, das ihr einen kleinen Denkzettel verpassen sollte. Darüber wie lange er das noch aushalten würde, war er sich allerdings nicht mehr sicher. Nun stand sie hier vor ihm, in diesem exquisiten Kleid und mit den mittlerweile nicht mehr ganz so perfekt gestylten Haaren. Ihre nackten Füße mit den lackierten Zehnägeln berührten den aufgeheizten Asphaltboden und ihre Augen sahen ihn lauernd an. Mark blickte sich um, es waren keine Leute mehr da. Ein paar Nachzügler kamen noch aus dem Gebäude und stiegen in ihre Autos, viele Damen genauso hinkend wie Peggy eben. Ansonsten war der Parkplatz menschenleer. Llangsam trat er auf sie zu, immer weiter, sodass sie instinktiv ein paar Schritte zurück wich, bis sie irgendwann die Hauswand im Rücken spürte. Sie schluckte, als Mark seine Hände links und rechts neben ihrem Kopf abstützte und ihr so alle Rückzugswege abschnitt. Ihr wurde warm, und sie wusste nicht, ob das die Abendsonne war, oder Marks glühender Blick, der sie zu durchbohren drohte.
>>Hast du deswegen mit diesem Lackaffen geflirtet?<< fragte er gefährlich leise und Peggy wusste sofort, wen er meinte. Ja, sie hatte ihn ein bisschen ärgern wollen, die Komplimente von Westermann absichtlich nicht abgeblockt, den Handkuss wohlweißlich zugelassen. Aber sie hätte nicht gedacht, dass Mark so schnell dahinterkommen würde. >>Hab ich gar nicht. << - >>Hast du doch!<< wehrte Mark ihren kläglichen Versuch ab und musste unweigerlich daran zurück denken, wie Herr Westermann ihre Hand genommen und mit seinen Augen in ihren Ausschnitt gefallen war. Bei der Erinnerung kamen Wut und Galle gleichermaßen in ihm hoch!
>>Also hatte ich recht: du hast mich auf Abstand gehalten. << wich Peggy aus, Mark hob die Schultern und sein neckisches Zwinkern war ihr Antwort genug. >>Toll. Dann sind wir ja jetzt quitt. << fügte sie hinzu. >>Sind wir das?<< - >>Ja!<< erwiderte sie beinahe flehend. Mark war ihr so nah gekommen, dass sie seine Lippen fast schon auf ihren spüren konnte und doch zog er sich immer wieder ein Stück zurück. Das machte er doch absichtlich!
>>Was willst du?<< raunte er mit einer Stimme, die Peggys Knie butterweich werden ließen. Diese Situation war so heiß, ihr war so heiß, Mark war so verdammt heiß! >>Küss mich. << flüsterte Peggy so hingebungsvoll wie möglich. Mark nahm ihr Gesicht in seine Hände, sah das Zittern ihrer Wimpern und hörte, wie ihre Schuhe auf dem Boden aufschlugen, als sie sie achtlos fallen ließ. Sanft strich sein Daumen über ihre Unterlippe. Oh, diese Frau! Und wie er sie küssen würde…
Ein schrilles Kreischen ließ die beiden aufschrecken. Emelie war erwacht und hatte sich sicher erschrocken, dass sie sich plötzlich allein im Auto wiederfand. Mit aller Macht die er aufbringen konnte, gab Mark Peggy wieder frei und spielte den Gelassenen. >>Wir müssen nach Hause. Komm! << Grinsend öffnete er den Wagen, während Peggy ihre Beine unter Kontrolle zu bringen versuchte und zitternd ihre Sandalen aufhob.