Die Nachhilfestunde 80: Streithähne

Ein paar Wochen später war es
dann so weit. Semesterferien, endlich! Peggy konnte ihr Glück kaum fassen, als sie nach der letzten Vorlesung ihre Sachen zusammenpackte und zusammen mit hundert anderen Studenten aus dem Hörsaal ins Freie trat! Sie freute sich sehr auf die kommende Zeit, in der sie endlich einmal ein bisschen abschalten und zu mindest von der Uni zur Ruhe kommen wollte. Gleich nachher würde sie ihre Tasche und alle Unterlagen in die hinterste Ecke der Wohnung verbannen und erst wieder hervorholen, wenn es sich nicht mehr vermeiden ließe. Passend zu dieser Stimmung schien die Sonne heute von einem herrlich blauen Himmel herab. Peggy blieb einen Moment stehen und atmete tief durch. Wunderbar! Sie beschloss, nicht direkt nach Hause zu fahren, sondern noch eine Runde durch den Park zu drehen und das schöne Wetter zu genießen. Mark war eh noch in der Schule, also konnte sie sich Zeit lassen.
Wenig später saß sie auch schon auf der großen Wiese, ihre Jacke unter sich ausgebreitet und ihr Notizbuch auf den Knien. An einem kleinen Stand hatte sie sich noch einen Coffe to go gekauft und kaute nun gedankenverloren auf ihrem Stift herum. Sie wollte aufschreiben, welche Dinge für die Hochzeit in welcher Priorität zu erledigen waren, doch das hatte sie sich einfacherer vorgestellt. Es erschien ihr alles gleich wichtig. Auf ein ungefähres Datum hatten Mark und sie sich schon einigen können, als nächstes würden sie vielleicht die passende Location suchen. Oder doch erst die Kleiderfrage? Immerhin hatten Brautkleider manchmal unendliche Lieferzeiten, das wusste sie von ihrer Cousine. Die hatte damals fast ein Jahr lang warten müssen, bis ihr Kleid verfügbar und passend für sie geändert worden war. Peggy seufzte und nahm einen Schluck Kaffee. Ein professioneller Weddingplaner wüsste besser, was zu tun wäre. Sie dachte kurz an Herrn Westermann zurück. Ob sie ihn doch mal anrufen würde? Seine Visitenkarte steckte nach wie vor in ihrer Handtasche … da fiel ein Schatten auf ihre Notizen und sie sah auf. Annika stand fröhlich grinsend vor ihr. Peggy freute sich sehr, sie zu sehen und begrüßte sie herzlich.
>>Ich schreibe gerade eine To-Do-List wegen der Hochzeit. << erklärte sie, nachdem ihre Freundin ebenfalls auf die provisorische Decke gehockt hatte. Annika beugte sich ein wenig vor und begutachtete Peggys Aufzeichnungen. >>Findest du nicht, dein Kleid sollte ganz oben auf der Liste stehen?<< - >>Nein … ja, vielleicht.. ach ich weiß es auch nicht. Ich glaube Mark und ich gehen erstmal auf Locationsuche. Und dann alles andere. << Sie klappte das Notizbuch zu und sah Annika an, die noch immer fröhlich dreinblickte. Ihr schien das schöne Wetter genauso gut zu bekommen.
>>Du scheinst ja bestens gelaunt zu
sein. << stellte sie fest, Annika nickte eifrig. >>Bin ich auch! << Sie holte tief Luft, ließ den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen. Die Sonne wärmte ihr Gesicht und sie genoss das wohlige Gefühl. >>Ich kann dich jetzt viel besser verstehen. << murmelte sie und Peggy stutzte. Sie hatte keine Ahnung, was sie damit sagen wollte, doch Annika klärte sie auf. >>Wenn man so richtig, total und absolut verknallt ist, weißt du?<< Sie sah ihre Freundin an, auf den Lippen noch immer ein Lächeln. >>Das ist so ein krasses Gefühl!<< Peggy erwiderte ihr Lächeln und drückte ihre Hand. Es war wunderbar, ihre beste Freundin so glücklich zu sehen und zu hören, dass es ihr gut ging! Immerhin war das oft anders gewesen. Und jetzt, da sie selber so happy war und ihre Hochzeit plante, sollte es am besten allen anderen Menschen genauso ergehen!
>>Es freut mich, dass es mit dir und Timo so gut läuft! Du wirkst wirklich wie ausgewechselt. << In dem Moment verschloss sich Annikas Gesicht ein wenig und sie wandte den Blick ab. Dann schüttelte sie den Kopf.

>>Das mit Timo … ich werde das beenden. << - >>Aber … du hast doch eben noch erzählt, wie verknallt du
bist. << Peggy war verwirrt. Sie wurde gerade überhaupt nicht schlau aus Annikas Worten. >>Ja, das stimmt auch. << lächelte Annika wieder selig und Peggy wurde ein wenig schlecht. Wenn ihre Freundin so schwärmte, konnte das nur eines bedeuten. Etwas, das sich anscheinen immer wieder bahn brach und sie niemals loslassen würde. Ein wenig entnervt rollte Peggy mit den Augen.
>>Meinst du wirklich, dass deine endlose Schwärmerei für Mark es wert ist, deine Beziehung zu Timo aufzugeben? Sorry, aber das ist wirklich dumm! << - >>Um Mark geht es gar nicht. << schüttelte Annika abermals den Kopf und wurde ernst. >>Ich glaube, er wird mir immer etwas bedeuten. Und wahrscheinlich wird er nie einfach nur ein Freund sein. << - >>Und worum geht es dann?<< fragte Peggy und wurde ein wenig ungeduldig. Was bezweckte Annika mit dieser Geheimniskrämerei?  Sie verlagerte ihr Gewicht auf die Knie und sah Peggy aufgeregt an. Ihre Wangen hatten sich ein wenig rot gefärbt und ihre Augen funkelten. >>Ich hab ne Affäre. << flüsterte sie, als könnten tausend Menschen mithören, dabei war weit und breit niemand zu sehen. Peggy erwiderte ihren Blick und konnte zunächst gar nicht reagieren. Sie musste sich verhört haben. >>Bitte was?<< - >>Ja! Heimlich! Und es ist das Beste, was mir jemals passiert
ist. << Annika griff Peggys Hände und drückte sie aufgeregt. >>Jetzt weiß ich, wie du dich damals gefühlt haben musst, als das mit Mark losging. Es ist so spannend und verrückt und es macht mich lebendig!<<
Mit offenem Mund hatte Peggy den enthusiastischen Ausführungen gelauscht, nun blinzelte sie ein paar Mal, um sich zu sortieren. Anscheinend hatte Annika die Schattenseiten einer solchen Affäre noch nicht zu spüren bekommen. Dass man sich ständig verstecken musste, nie sicher sein, nie dann beieinander sein konnte, wenn man es wollte. An all das erinnerte sie sich noch allzu gut. Es war nicht immer alles so bunt und aufregend gewesen, sondern oft auch einfach nur schwer auszuhalten!
Sie atmete tief durch. >>Okay. Wow. Das hätte ich dir nicht zugetraut. << - >>Ich mir auch nicht. Aber es ist toll!<< - >>Wie heißt denn der glückliche?<< fragte Peggy ein wenig unsicher, denn ob sie das wirklich alles so genau erfahren wollte, wusste sie gar nicht. Andererseits interessierte es sie schon, wer Annika da so in Ektase versetzte. Sie schluckte und biss sich auf die Lippe. Offenbar war es gar nicht so einfach, den Namen zu nennen, was Peggy erneut in Alarmbereitschaft versetzte. Plötzlich wusste sie, dass da irgendwas nicht stimmte. Irgendetwas war passiert, nur was?

>>Sascha. << brach es da aus ihrer Freundin heraus und sie strahlte, als hätte sie gerade den Millionenjackpot im Lotto geknackt! Peggy brauchte einen Moment, um diese Information zu verarbeiten. Sie kannte nur einen Sascha, aber den konnte sie ja unmöglich meinen!
>Sascha … unser Sascha?<< fragte sie dennoch und als Annika nickte, tat sich der Boden unter ihr auf. Das konnte nicht wahr sein! Sie riss die Augen auf und starrte Annika ungläubig an. >>Du redest wirklich von Sascha? Marks bestem Freund?<< - >>Ich weiß, es ist total verrückt, aber es ist einfach passiert. Und wir werden zusammenbleiben! << Annika schlug sich die Hände vor den Mund und in ihren Augen lag noch immer dieses freudige Glitzern. Peggy konnte nichts sagen, sie war wie vor den Kopf gestoßen. Das konnte doch nicht wahr sein! >>Du bist so still. << bemerkte Annika, nachdem Peggy weiterhin einfach nur dasaß und schwieg. >>Ich bin geschockt. << verbesserte sie und der ernste Tonfall ihrer Stimme ließ Annika ein wenig kleiner werden. >>Warum?<< - >>Weil es absolut hirnrissig ist, sich mit Sascha einzulassen! Er ist gar nicht der Typ für eine feste Bindung. << - >>Aha. Das weißt du so genau, ja?<< entgegnete Annika und spürte, wie sie wütend wurde. Wieso vermieste Peggy ihr dieses Glück, kaum dass sie es ausgesprochen hatte? >>Ich kenne ihn etwas länger als du. << sagte Peggy. >>Wieso schmeißt du dein Glück mit Timo einfach weg?<< - >>Weil es kein Glück mehr war! << Annika sprang auf. Sie hatte sich eine andere Reaktion erhofft, doch es war nicht zu übersehen, dass Peggy alles andere als erfreut über diese Nachricht war.
>>Ich war schon lange nicht mehr glücklich. Sascha hat mir geholfen, damit fertig zu werden. Und weißt du was?<< Sie schnappte sich ihre Tasche und schlüpfte wieder in die Schuhe, die sie eben ausgezogen hatte. >>Es ist mir scheiß egal, was du davon hältst!<< - >>Er wird dir das Herz brechen, früher oder
später. << rief Peggy und stand ebenfalls auf, um auf Augenhöhe zu bleiben. Sie musste Annika begreiflich machen, dass sie sich da in etwas verrannt hatte. Etwas, das ihr am Ende nur weh tun würde! >>Bitte beende das Ganze wieder! Denk wenigstens darüber nach. << Annika sah Peggy mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung an. Das war nun wirklich das Letzte, was sie tun würde! Jetzt, wo sie endlich wieder glücklich war und endlich spürte, dass sie am Leben war! >>Vielleicht sollte ich eher über unsere Freundschaft nachdenken. << erwiderte sie ruhig, bedachte Peggy mit einem letzten bösen Blick und stürmte dann auch schon auf und davon. Peggy blieb fassungslos zurück, ließ sich entkräftet auf den Boden sinken und starrte vor sich hin. War das gerade wirklich passiert, oder träumte sie einen furchtbar schlechten Alptraum?


Die Lust auf Hochzeitsplanung war ihr nach diesem Gespräch gehörig vergangen. Sie packte ihre Sachen zusammen, stand auf und lief los. Einfach drauf los, ohne zu wissen wohin. Sie musste sich bewegen, ihre Gedanken ordnen, verarbeiten, was sie da gerade erfahren hatte. Sascha und Annika, das war so dermaßen absurd! Sie kannte seinen Lebensstil und Hang zur Promiskuität. Und genauso gut kannte sie Annikas unverbesserliche Romantik und ihren festen Glauben an eine funktionierende Partnerschaft. Das waren zwei Gegensätze, die sich einfach nicht miteinander vereinbaren ließen. Je länger sie lief, umso wütender wurde sie. Auf Annika, noch mehr jedoch auf Sascha und dass er das alles einfach so hatte geschehen lassen! Dass Annika sich verknallte, war nichts neues und dass sie schnell in schwärmerische Liebe verfiel ebenso wenig. Aber Sascha hätte es besser wissen und dafür sorgen müssen, dass es gar nicht erst so weit kam! Stattdessen nutzte er diese Gelegenheit schamlos aus. Peggy quetschte den Pappkaffeebecher zusammen und warf ihn mit Schwung in den nächsten Abfalleimer. Sie wusste gar nicht wohin mit ihren Gefühlen. Ja, sie war sauer! Und wie! Und jetzt wollte sie nach Hause und Sascha schnellstmöglich zur Rede stellen!
Energisch schloss sie wenig später die Wohnungstür auf und schmiss sie mit einem Ruck wieder zu. So laut, dass Emelie, die im Flur auf dem Boden hockte und gerade eine Zeitung zerfledderte erschrocken aufweinte. Sofort tat es Peggy leid, aber sie hatte nicht gewusst, dass sie vom Kindergarten schon wieder da war. >>Oh Maus, entschuldige. Ich hab dich nicht gesehen. << Sanft streichelte sie ihrer Tochter über den Kopf, die sich zum Glück bald schon beruhigt hatte und wieder ihrer Beschäftigung nach ging. Auf dem Flur lagen schon überall Papierschnipsel verstreut, doch das war Peggy gerade mehr als gleichgültig. Vom Balkon aus vernahm sie Stimmen und ging ihnen nach.  Da saßen Mark und Sascha gemütlich beim Bier und schienen sich mehr als gut zu unterhalten. Augenblicklich überkam Peggy erneute Wut! Mark bemerkte sie zuerst und sah ihr erfreut entgegen. >>Hi Baby! Uni schon aus? Ich hatte auch ein wenig früher Schluss und Emelie schon mal abgeholt. Ich hoffe, das war okay. << Peggy sah ihn nur flüchtig an und nickte, dann fixierten sich ihre Augen wieder auf Sascha, der sie ebenso locker begrüßt hatte und ihr nun zuprostete. Anscheinend war er glänzender Laune. Wie immer, wenn er eine Neue am Start hatte!
>>Bist du eigentlich total bescheuert?<< platzte es aus Peggy heraus, Sascha schluckte langsam sein Getränk hinunter und sah sie fragend an. >>Du hast wohl überhaupt keinen Anstand im Leib, oder?<< fuhr Peggy in ihrer Rage fort. >>Macht dir das Spaß? Beziehungen zu zerstören?<< Mark stand auf. >>Hey! Ganz langsam! << - >>Du hast was mit Annika!?<< schleuderte Peggy Sascha entgegen und schüttelte Marks Hand ab, die er ihr gerade beruhigend auf den Arm gelegt hatte. Sascha war ebenfalls aufgestanden und sah Peggy nun kampflustig an. >>Tickst du nicht mehr richtig? Sie ist meine Freundin!<< - >>Und alt genug um selber zu entscheiden, was sie tut oder lässt. << erwiderte er. Es war nicht zu überhören, dass es auch in ihm brodelte und er Peggy in Emotionalität momentan wohl um nichts nachstand. >>Sie ist mit Timo
zusammen. << sagte Peggy mühsam beherrscht. >>Sie hatte endlich jemanden fest an ihrer Seite und dann kommst du und machst das alles kaputt. << - >>Das hat dieser Timo schon ganz alleine geschafft. << Saschas spöttisches Grinsen brachte Peggy nur noch mehr auf die Palme! >>Ich war für sie da. Sie ist eine verdammt tolle Frau! Und du hast dich da überhaupt nicht einzumischen!<<
Peggy wurde heiß und kalt. Hände, Beine, Arme, alles zitterte wie unter Strom! Ihr flogen so viele Dinge durch den Kopf, die sie Sascha liebend gerne vorgehalten hätte, doch sie war schlichtweg sprachlos! Hilfesuchend sah sie zu Mark, der ein wenig abseits stand und die Situation mit angesehen hatte. Eigenartigerweise hatte er über dieses ganze Drama noch kein Wort verloren.

>>Was sagst du denn dazu?<< sprach Peggy ihn an. >>Findest du das richtig, dass dein bester Freund meine beste Freundin abschleppt? Die übrigens einige Jahre zu jung für dich ist. << fügte sie noch mit bitterer Mine an Sascha gewandt hinzu. Doch dieser lachte nur mitleidig. >>Und du bist nicht zu jung für Mark?<< Peggy schluckte ihre Wut hinunter und antwortete nicht. Es war klar, dass Sascha dieses Totschlagargument benutzte, um sich zu verteidigen. Erneut blickte sie Mark an, doch der sah nur zwischen den beiden hin und her und war ein wenig blass geworden. In diesem Moment fiel es Peggy wie Schuppen von den Augen! Na klar, wieso war sie da nicht eher draufgekommen?
>>Du wusstest es schon!<< wisperte sie und Marks betretenes Schweigen war ihr Antwort genug. Sie trat näher an ihn heran.

>>Du wusstest es also und hast mir nichts gesagt?<< - >>Ich hab’s versprochen. << erwiderte er ruhig. >>Und es auch für besser gehalten, wenn du es erstmal nicht erfährst. Du reagierst gerade völlig über!<<
Mit ausdrucksloser Mine starrte Peggy ihn an, sah zurück zu Sascha, der sie noch immer feindselig betrachtete und anscheinend felsenfester Überzeugung war, im Recht zu sein. Und Mark war auch noch auf seiner Seite! Sie stand alleine da und alle hatten sie belogen!
Den Blick fest auf Sascha geheftet nestelte sie an ihrem Handgelenk herum, bis sie das kleine geflochtene Lederband abgelöst bekommen hatte, das er ihr vor Urzeiten mal auf einem Jahrmarkt geschenkt hatte. Mit theatralischer Geste ließ sie es direkt vor ihm auf den Boden fallen, machte dann auf dem Absatz kehrt und verschwand. Mark sah ihr mit ungutem Gefühl nach. Ihre Reaktion war wesentlich schlimmer ausgefallen, als er angenommen hatte!

Natascha hatte gerade ihre letzte Email des heutigen Abends versandt und klappte nun erleichtert den Laptop zu. Das war’s! Ab heute hatte sie Urlaub. Zwei Wochen lang! Zwei Wochen ohne Termine, ohne hotelinterne Besprechungen oder sonstigen Stress. Jetzt könnte sie endlich mal abschalten und ihren anstrengenden Geschäftsführerposten hinter sich lassen. Und dann würde sie mit ihrem Mann auch schon bald im Flieger Richtung Karibik sitzen, denn ausnahmsweise hatten sie mal zeitgleich Urlaub bekommen! Natascha lächelte, als sie darüber nachdachte. Es würde herrlich werden. Nach langen Jahren endlich mal wieder Zeit zu zweit am Strand und dem türkisblauen Wasser des Meeres.
Die Türklingel ließ sie ins Hier und Jetzt zurückkehren. Sie ging zur Haustür und freute sich sehr, als unvermittelt Peggy vor ihr stand. Sie hielt Emelie im Arm und eine kleine Tasche und sah ein wenig mitgenommen aus, wie Natascha feststellte, nachdem sie sie hereingebeten hatte. >>Ist alles in Ordnung bei dir?<< fragte sie besorgt, doch Peggy lächelte unbekümmert. >>Klar, wieso nicht?<< - >>Weil du ziemlich blass bist. Wo ist denn Mark?<< - >>Ach, der hat noch so viel Schulkram zu erledigen, dass ich dachte, ich komme mal einen Abend zu euch!<< Natascha stutzte und sah ihre Tochter ein wenig irritiert an. Natürlich freute sie sich immer über spontanen Besuch, aber das war nun doch ein wenig seltsam. Normalerweise brachten Peggy keine zehn Pferde von Mark weg, egal wieviel er vielleicht zu tun hatte. Aber sie wusste, dass es besser war erstmal nicht weiter nachzubohren. Wenn Peggy etwas auf dem Herzen hatte musste sie selber entscheiden, ob und wann sie darüber reden wollte. Natascha nahm sie liebevoll in den Arm. >>Na gut. Aber auf Papa musst du verzichten, der ist mal wieder nicht aus der Klinik zu bekommen. <<
Peggy spürte ein wenig Erleichterung. Es war ihr ganz und gar nicht unrecht, dass er nicht da war. Er hätte sie garantiert in die Mangel genommen und wenn er erfahren würde was los war, würde er kein gutes Haar mehr an Mark lassen, da war sie sich sicher.   
Peggy stellte den Kinderwagen im Flur ab und betrat das Esszimmer. Sie holte tief Luft. Es tat immer irgendwie gut hier zu sein, gerade jetzt, wo sie so aufgewühlt war. Emelie befreite sich sofort aus ihrem Arm und begann durch den Raum zu tapsen. >>Setz dich doch. << sagte Natascha und wollte Peggy schon zum Sofa schieben, doch diese blieb stehen. >>Kann ich in mein Zimmer gehen?<< fragte sie, ihre Mutter lächelte. >>Klar, du weißt ja, wo es ist. << Es war eindeutig, dass Peggy erstmal Zeit für sich wollte. Wenn sie doch nur wüsste, was geschehen war! Denn dass irgendetwas vorgefallen sein musste lag auf der Hand! Peggy ging die ersten Stufen ins obere Stockwerk hinauf, als Natascha sie noch einmal ansprach. >>Ich dränge dich nicht, aber wenn du reden willst, bin ich da. << - >>Danke. << murmelte Peggy, den Kloß fest in ihrem Hals spürend. Sie wollte nicht reden, nicht jetzt. Sie wollte erstmal mit sich selber klarkommen.
Es war beinah wie eine Zeitreise, als Peggy die Tür hinter sich geschlossen hatte und sich umsah. Ihre Sachen hatte sie mittlerweile alle bei Mark untergebracht, doch die Möbel und das Bett sahen nach wie vor wie früher aus. Ihre Eltern nutzten den Raum inzwischen als Gästezimmer, die Couch war neu und auch einen Fernseher hatte es früher hier drin nicht gegeben. Ansonsten war das Zimmer jedoch unverändert und Peggy lächelte wehmütig. Es war berührend hier zu stehen! In diesem Zimmer hatte sie ihre Kindheit und Jugend verlebt, gelacht, geweint, mit ihren Eltern gestritten. Sie hatte Hausaufgaben gemacht und Liebesbriefe geschrieben, die sie nie abgeschickt hatte und oft stundenlang auf dem Bett gelegen und an Mark gedacht! Sie spürte einen Stich im Herzen. Mark! Er hatte sie hier besucht, wenn ihre Eltern mal wieder endlos lange gearbeitet hatten. Es war wunderschön und gleichzeitig oft der schlimmste Liebeskummer gewesen, wenn er nie lange hatte bleiben können und sich jedesmal wieder aus dem Haus hatte schleichen müssen. Diese ganze Sache damals war das Schönste und das Schlimmste, was sie bis dato erlebt hatte! Peggy spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Nach dem Streit vorhin hatte sie kurzerhand ein paar Dinge zusammengepackt, sich Emelie geschnappt und war einfach abgehauen. Und nun stand sie hier und kam sich ziemlich verloren vor. Nicht einmal Annika konnte sie sich anvertrauen, denn mit der lag sie ebenfalls im Clinch. Die ganze Situation war mehr als verfahren! Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und schrieb Mark eine Nachricht, damit er wusste, wo sie die Nacht verbringen würde und sich keine Sorgen machte. Sie wusste ja noch zu gut wie schrecklich es war, wenn man keine Ahnung hatte, wie es dem anderen ging…

>>Sie hat Emelie mitgenommen?<< Annika machte große Augen und wurde nervös. Sie hatte Sascha besuchen wollen, ihn jedoch bei Mark angetroffen und die schlechte Stimmung sofort erkannt. Nun war sie über den Disput aufgeklärt worden und bekam ein schlechtes Gewissen. War sie etwa mit schuld an allem?
>>Ja. Und sie bleibt heute Nacht bei ihren Eltern. << ergänzte Mark, der gerade ihre Nachricht gelesen hatte. Sie war einfach weggelaufen, aber noch schlimmer war, dass sie die Kleine nicht bei ihm gelassen hatte. Anscheinend war sie wirklich sauer, auch auf ihn! Sascha schüttelte verärgert den Kopf. >>Sie übertreibt maßlos! Im Grunde geht sie die ganze Sache auch überhaupt nichts an! << ->>Ja, sehe ich genauso. << stimmte Annika ihm zu und tauschte einen tiefen Blick mit ihm, den Mark irritiert mit ansah. Es war wirklich mehr als ungewohnt, die beiden so zu sehen. Müde fuhr er sich mit der Hand durch das Gesicht. Am liebsten wollte er über diese unglückselige Geschichte gar nicht mehr nachdenken. >>Ich glaube, wir gehen mal nach oben. << hatte Sascha Marks Erschöpfung erkannt und erhob sich. >>Kommst du klar?<< - >>Ja geht nur. << erwiderte Mark abwesend und auch Annika stand zögernd auf. >>Sie wird wiederkommen. << sagte sie aufmunternd, ehe sie Sascha durch die Tür folgte.
Dann war Mark allein und ließ sich auf das Sofa fallen. Dass Peggy so ausrasten würde, hätte er nicht vermutet. Und dass es so weit kommen würde und sie sich ausquartierte ebenso wenig. Sie fehlte ihm schon jetzt, dabei war sie gerade erst ein paar Stunden weg. Aber nun wo auch Emelie nicht da war, zog eine ungewohnte Stille durch die Wohnung. Für einen Moment überlegte er sie anzurufen, verwarf diesen Gedanken jedoch wieder. Wenn es etwas zu klären gab, würde das über das Handy nicht gut funktionieren. Mark ahnte schon jetzt, dass es eine endlose Nacht werden würde. Er hasste es, ohne Peggy einzuschlafen! Das Bett war viel zu groß ohne sie! Nur leider musste er morgen wieder früh raus, also sollte er wenigstens versuchen zur Ruhe zu kommen. Nur wie? Ein erneuter unschlüssiger Blick aufs Handy brachte ihm keine Eingebung. Stattdessen blickten ihn Peggys blaue Augen aus einem makellosen Gesicht an. >> Du bist so eine Zicke!<< flüsterte er und strich mit dem Finger über das Display.
So kam es, dass er am darauffolgenden Morgen reichlich unausgeschlafen vor seiner Klasse stand. Sein Glück war, dass er in den ersten Stunden lediglich Klausuraufsicht hatte und die Zeit größtenteils schweigend verbringen konnte. Die Schüler saßen entweder dicht über ihre Aufgabenblätter gebeugt und schreibend, oder aber in resignierter Verzweiflung im Stuhl zurück gelehnt da und grübelten vor sich hin. Und Mark leerte bereits die zweite Tasse Kaffee und konnte an nichts anderes denken als an Peggy und diesen Streit, der ihm inzwischen reichlich idiotisch vorkam. Sie waren doch alle erwachsen. Sollte da kein vernünftiges Gespräch möglich sein?
Der Schultag zog sich endlos! Erst um 15 Uhr konnte Mark sich endlich auf den Weg zu Peggy machen, die ihm heute Vormittag mitgeteilt hatte, nach wie vor bei ihren Eltern zu sein. Bei dem Gedanken daran, gleich ihrem Vater entgegentreten zu müssen, wurde ihm ziemlich flau im Magen. Er wusste schließlich nicht, was und wieviel Peggy erzählt hatte. Dafür wusste er umso besser, wie ungemütlich Frank werden konnte und den gerade erst geschlossenen Frieden wollte er ungern aufs Spiel setzen. So klingelte Mark nervös an der Tür und betete, dass alles möglichst unproblematisch über die Bühne gehen würde.
Es war Peggy, die ihm öffnete und ausdruckslos ansah. Mark war überrascht, sie sofort anzutreffen, aber es war umso besser. >>Kann ich reinkommen?<< bat er und Peggy machte einen Schritt zur Seite. Er musterte sie rasch, sie sah furchtbar aus! Doch das behielt er für sich. >>Deine Eltern gar nicht da?<< - >>Papa ist arbeiten und Mama mit Emelie
spazieren. << erklärte Peggy, Mark war enttäuscht. Er hatte gehofft, seine Tochter sofort wieder in die Arme schließen zu können. Andererseits bedeutete das, dass er die Situation erstmal ohne unbequeme Elternfragen klären konnte. Peggy schlurfte ins Esszimmer und setzte sich. Offenbar hatte sie gerade erst das Mittagessen beendet, das Geschirr stand noch auf dem Tisch. Lasagne, ihr Leibgericht und Zeichen dafür, dass Natascha sie mal wieder verwöhnt hatte. >>Wie geht’s dir?<< fragte er vorsichtig, Peggy hob den Kopf und sah ihn trotzig an. >>Super! Meine beste Freundin hat ne Affäre mit deinem besten Freund, du hast mich wochenlang angelogen, alle sind sauer auf mich … könnte gar nicht besser laufen!<< - >>Ich hab dich nicht angelogen. << wehrte Mark ab. >>Ich hab dir nur nicht alles
gesagt. << - >>Ist für mich dasselbe. << erwiderte Peggy und stocherte in ihrem Pudding herum. Viel Appetit schien sie nicht zu haben.
>>Ich fand’s scheiße dass du einfach abgehauen bist. << sagte Mark ernst. >>Du kannst nicht immer weglaufen, wenn es schwierig wird, und Emelie hättest du bei mir lassen können. <<
Eine Weile schaute er sie an und sah, dass ihre Fassade langsam bröckelte. In ihren Augen lag dieses eindeutige traurige Glitzern. >>Kommst du mit nach Hause?<< fragte er, sie sah abermals hoch. >>Ist das neue Traumpaar auch da? Dann besser nicht!<< erntete er eine missmutige Antwort und wurde ungeduldig. >>Meine Güte, jetzt krieg dich mal wieder ein! Ich bin auch nicht grade begeistert, aber die beiden sind erwachsen! Du machst viel zu viel Drama aus der ganzen Sache!<< - >>Schrei mich nicht so an!<< erwiderte Peggy, seine energische Stimme hatte sie erschrocken. Anscheinend hatte er sich inzwischen komplett auf Saschas Seite geschlagen. Mark atmete tief durch, er musste sich beruhigen. Er war tatsächlich lauter geworden, als beabsichtigt. Aber ihre Sturheit machte ihn einfach wahnsinnig. Vielleicht musste er auf einem anderen Wege versuchen, zu ihr durchzudringen. Vorsichtig nahm er ihre Hand, es war die mit dem Ring an ihrem Finger. Irgendwie beruhigte es ihn, dass sie ihn nicht abgenommen hatte. Sein Daumen glitt langsam über den Diamantstein und die zärtliche Geste zeigte Wirkung. Peggy ergriff seine Finger und drückte sie. Ein unausgesprochenes Zeichen dafür, dass auch sie ihn vermisst hatte!
>>Du bist ganz kalt. << bemerkte Mark ein wenig besorgt, als er ihre klamme Haut spürte. Peggy schaute ihn an, in ihr tobte ein einziges Gefühlschaos. Eigentlich wusste sie, dass sie sich kindisch verhielt, andererseits war sie nach wie vor so unglaublich traurig und wütend. Auf alle!
>>Ich hab dir noch nicht verziehen. << murmelte sie, Mark strich weiter über ihre Hand. >>Ich weiß. << sagte er. >>Aber ich bin trotzdem da! Also, kommst du jetzt mit?<<

Sie gingen nicht direkt nach Hause. Nachdem Mark Peggy endlich dazu gebracht hatte, ihn zu begleiten waren sie ins Café in der Innenstadt gefahren. Peggy hatte ihrer Mutter eine Nachricht hinterlassen, dass Mark sie abgeholt hatte. *bitte bring Emelie heute Abend zu uns!* hatte sie noch geschrieben und saß nun neben Mark an einem der Tische im Außenbereich, in dem heute erstaunlich wenig los war. Unschlüssig inspizierte sie die Karte. Sie wollte eigentlich weder essen noch trinken, die ganze Sache war ihr sehr auf den Magen geschlagen und die Lasagne von vorhin tat ihr übriges.
Da sah sie plötzlich Sascha auf den Tisch zusteuern, der nicht weniger überrascht wirkte, als er sie erkannte. >>Was macht der denn hier?<< fragte sie Mark entnervt, doch sie konnte sich die Antwort schon denken. Mark wollte zwischen den beiden vermitteln und hatte wahrscheinlich jeden unabhängig voneinander hier her bestellt. >>Ich freu mich auch dich zu sehen. << sagte Sascha betont freundlich und nahm Platz. Peggy verschränkte die Arme und würdigte ihn keines Blickes. Doch dann lächelte sie süß und sah ihn an.
>>Hast du deine Affäre gar nicht mit dabei?<< - >>Mischst du dich wieder in Sachen ein, die dich nichts angehen?<< erwiderte Sascha in genau gleichem Tonfall, Peggy erdolchte ihn fast mit ihrem Blick. >>Meine Freundin geht mich sehr wohl was an!<< - >>Tja, jetzt ist sie auch meine Freundin. << - >>Wie lange denn? Bist du die nächste Schlampe an der Bar aufreißt?<< - >>Leute!<< schritt Mark scharf ein und unterbrach Peggys aufbrausenden Tonfall. Das driftete wieder in eine ganz ungute Richtung, die er unbedingt vermeiden wollte. >>Könnt ihr bitte wie zwei Erwachsene mit einander reden und euch nicht ankeifen, wie die Kleinkinder?<< - >>An mir soll’s nicht liegen. << spielte Sascha den unbeteiligten.  >>Peggy ist diejenige mit dem Problem. << - >>Du wirst auch noch ein Problem bekommen. Und zwar mit mir, wenn du deine Finger nicht von Annika lässt. << - >>Was spielst du dich eigentlich so auf? Bist du ihre Mutter, oder was?<< spottete Sascha und Mark vergrub das Gesicht in seinen Händen. Das konnte alles nicht wahr sein! Kurz entschlossen stand er auf. Er war nicht gewillt, sich das noch länger anzutun.
>>Ihr klärt das jetzt! Und zwar unter vier Augen. Und wenn ihr später nach Hause kommt ist das Thema erledigt, klar?<< Er schnappte sich die Autoschlüssel und noch bevor Peggy oder Sascha etwas erwidern konnten war er auch schon verschwunden. Da saßen sie nun, starrten ihm nach und dann sich an und wussten nicht, wie es weitergehen sollte.

 

Mit einem erschöpften Seufzen schlug Mark die Autotür zu, lehnte sich im Sitz zurück und schloss die Augen. Er hatte sich das Aufeinandertreffen der beiden deutlich einfacher vorgestellt, gerade nachdem Peggy vorhin so kleinlaut gewirkt hatte. Aber anscheinend war ihre Wut noch immer nicht verraucht. Er konnte nur hoffen, dass sie sich jetzt tatsächlich aussprechen und nicht noch das Café zerlegen würden ... ein Klopfen an der Fensterscheibe ließ ihn aufschrecken. Annika stand draußen und winkte ihm zu. Er beugte sich zur Beifahrertür und öffnete. >>Geht’s dir gut?<< fragte sie ein wenig besorgt, Mark deutete auf den Sitzplatz und Annika kletterte ins Auto. Knapp fasste er die Geschehnisse der letzten Stunden zusammen und sie schluckte. Das klang wirklich nicht besonders aussichtsreich. Doch sie hatte viel über alles nachgedacht und mittlerweile einen anderen Blickwinkel bekommen.
>>Du musst Peggy verstehen. << murmelte sie und Mark sah sie zweifelnd an. Das fiel ihm momentan ziemlich schwer. >>Sie fühlt sich einfach im Stich gelassen. Alle wussten Bescheid, nur sie nicht! Du hast es ihr verheimlicht, Sascha auch und ich habs auch lange für mich behalten. << - >>Kein Grund, so an die Decke zu gehen. << beharrte Mark.
>>Sie ist so unfassbar stur und verbohrt. << - >>Deswegen liebst du sie doch, oder?<< Ihre unerwartet sanfte Frage brachte Mark aus dem Konzept. Aber sie hatte recht. Nur leider musste eben dieses sture Mädchen dieses Mal über ihren Schatten springen und zumindest etwas Einsicht zeigen. Er wechselte das Thema.
>>Hast du es Timo schon gesagt?<< fragte er und sah zu Annika hinüber. Diese senkte die Augen und schüttelte den Kopf. >>Mach ich aber bald. << - >>Trennungen sind immer scheiße. << - >>Aber es fühlt sich richtig an, es zu tun. << Mark lächelte sie aufmunternd an. Es war auch für ihn nicht leicht, sie und Sascha zusammen zu wissen. Es war ungewohnt und auch er war sich nicht sicher, wie lange Saschas Treue und Keuschheit gegenüber anderen weiblichen Wesen anhalten würde, aber das war eine Sache zwischen den beiden und weder er noch Peggy hatten das Recht, etwas dagegen zu unternehmen.
>>Magst du mich denn noch?<< fragte er scherzhaft, Annika lachte. Was für eine Frage! Sie schaute ihm in die Augen und fühlte in sich hinein. Ihr Herzrasen war ungebrochen, ihr Magen kribbelte und sie hätte sich verlieren können in diesem dunklen Blick. Und doch spürte sie, dass es anders war als früher. Ihre Gefühle für Sascha waren ehrlich und aufrichtig und so gewachsen, dass Mark zwar noch immer da war, aber nicht mehr ganz so stark im Vordergrund stand. >>Ja, ich mag dich immernoch! Und das wird auch so bleiben! Aber du heiratest Peggy und das ist auch gut so. Ihr seid das absolute
Traumpaar. << - >>Hoffentlich. << erwiderte Mark und Annika hörte seine Sorgen heraus. Die beiden mussten sich schnellstmöglich wieder zusammenraufen und ihre Zeit lieber mit der Hochzeitsplanung verbringen, als wegen ihr und Sascha ewig im Streit zu liegen!
>>Ich muss jetzt los. << sagte Annika und machte Anstalten, das Auto zu verlassen, doch Mark hielt sie auf. >>Heute fahre ich dich. Keine Widerrede! << fügte er an, als sie schon protestieren wollte. >>Es hat verdammt gut getan, mit dir zu quatschen. <<
Wenig später hatte er sie abgesetzt und Annika bedankte sich. >>Halt mich auf dem Laufenden, was die beiden Streithähne betrifft. << hatte sie ihm noch zugerufen und dann die Autotür zugeschlagen. Mark sah ihr nach, sie wirkte ganz anders als sonst. Die Liaison mit Sascha schien ihr tatsächlich gut zu tun, wenigstens momentan. Alles andere würde sich zeigen.
Wieder Zuhause angekommen sah er Natascha, die gerade auf die Eingangstür zusteuerte und Emelie an der Hand führte. Schnell stellte er das Auto ab und lief auf sie zu. Er freute sich unbändig, seine Tochter wiederzusehen. >>Ah, da komme ich ja gerade passend. << lächelte Natascha und begrüßte Mark ein wenig förmlich. >>Ist Peggy nicht bei dir?<< - >>Die ist noch in der Stadt. << erklärte Mark ohne weitere Details verlauten zu lassen. Natascha sah ihn lange an. Sie hatte genau den gleichen durchdringenden Blick wie Peggy, wenn sie etwas herausfinden wollte. >>Was ist los bei euch?<< - >>Nichts. Jedenfalls nichts
ernstes. << Mark hoffte, dass er überzeugend genug geklungen hatte. Doch so leicht gab Natascha nicht auf. >>Aus Peggy hab ich nichts herausbekommen. Sie hat fast gar nicht gesprochen. Muss ich mir Sorgen machen?<< Mark holte tief Luft und sah Natascha unschlüssig an. >>Es ist wirklich nichts Schlimmes. Im Gegenteil. Eigentlich ist es total bescheuert. Aber ich fürchte, ich bin nicht ganz unschuldig daran. << Er musste an Annikas Worte zurückdenken, dass Peggy sich wohlmöglich einfach von allen verraten gefühlt und obendrein noch Angst hatte, ihrer Freundin könne das Herz gebrochen werden. Und zum ersten Mal stand er nicht fest auf ihrer Seite, sondern bestenfalls zwischen den Stühlen.
>>Gib ihr ein bisschen Zeit. << riet Natascha. >>Peggy ist manchmal ganz schön
halsstarrig. << - >>Ja, das ist sie in der Tat. << Mark grinste. Die Beschreibung war ihm noch nicht eingefallen, traf es allerdings recht gut. Natascha drückte ihm Emelies Wickeltasche in die Hand und verabschiedete sich von ihrer Enkelin mit einem kleinen Kuss. Dann schaute sie abermals zu Mark und lächelte. >>Ihr schafft das schon! Ein guter Test für die Ehe. << Und damit wandte sie sich zum Gehen.
Mark hatte Glück. Emelie war von den Aktivitäten des heutigen Tages so erschöpft, dass sie sich schon beinah freiwillig in ihr Bett legte. Nicht mal die Gute Nacht Geschichte schaffte sie bis zum Ende anzuhören. Mark betrachtete sie, wie sie so entspannt da lag, den blonden Haarschopf auf dem Kissen und die Augen fest geschlossen. In solchen Momenten ging ihm immer das Herz auf! Emelie würde eines Tages ein genauso schönes junges Mädchen werden, wie ihre Mutter! Er löschte das Licht und verließ leise den Raum. Es war früher Abend, draußen war es noch hell. Die Tage wurden allmählich wieder länger. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die dunkle Jahreszeit endgültig vorbei war!
Da trat Peggy durch die Haustür und wirkte erfreut, als sie ihn sah. Erfreut und gleichzeitig ziemlich müde, wie Mark bemerkte. Vielleicht hatte auch sie in der letzten Nacht nur wenig Schlaf gefunden. Sie kickte ihre Sneakers von den Füßen und fuhr sich seufzend durch die Haare. Dann stützte sie die Hände in die Hüften und schaute Mark abwartend an, als würde sie die Inquisition schon erwarten.
>>Keine Kratzer, keine blauen Augen … << trat Mark näher an sie heran und musterte sie. >>Anscheinend habt ihr euch nicht die Köpfe eingeschlagen. << - >>Wir waren kurz davor. << erwiderte Peggy ironisch und holte abermals tief Luft. Dieser Nachmittag hatte sie wahrlich Kraft gekostet. >>Ist zwischen euch jetzt alles geklärt?<< fragte Mark mit einer Spur Hoffnung in der Stimme. Er betete, dass sein Vermittlungsversuch nicht völlig fehlgeschlagen war. >>Wie man‘s nimmt. << sagte Peggy. >>Wir haben entschieden, dass wir uns in der nächsten Zeit erstmal aus dem Weg gehen. << - >>Hältst du das für eine gute Lösung?<< - >>Fürs erste, ja. << Peggy nickte, doch Mark war sich nicht sicher, ob er damit zufrieden war. Nach wirklicher Versöhnung klang das jedenfalls nicht, aber vielleicht war das wenigstens schon mal ein Etappenziel. Er trat noch einen Schritt näher an sie heran, nahm ihre Hand und küsste sanft ihre Finger. >>Und was ist mit uns beiden?<< Peggy schaute ihn ratlos an, während sie das Gefühl seiner Lippen auf ihrer Haut genoss. Seine Augen bohrten sich mal wieder tief in ihr pochendes Herz. Wie machte er das nur? Seufzend gab sie sich einen Ruck.
>>Es war dumm von mir abzuhauen. << gestand sie. >>Ich war einfach so verletzt und wütend, weißt du? War wohl ziemlich kindisch. << - >>Es war nie meine Absicht, dich anzulügen, oder dir weh zu tun. << antwortete Mark aufrichtig. >>Aber ich musste Sascha versprechen, dir nichts von ihm und Annika zu erzählen. Vermutlich hat er schon geahnt, wie du reagierst. << Peggy presste die Lippen aufeinander, während letzte bittere Wut in ihrer Kehle aufstieg. Doch inzwischen hatte sie erkannt, dass sie sich noch wochenlang aufregen und Sascha noch hundert Mal anschreien könnte: es würde nichts an der Tatsache ändern, dass er und Annika sich aufeinander eingelassen hatten.
>>Denk nicht mehr so viel darüber nach, es ändert sowieso nichts. << bestätigte Mark ihre Gedanken, sie nickte zaghaft. Wenn das so einfach zu verstehen wäre! Aber sie musste jetzt irgendwie damit klarkommen. Und sie konnte es sich entweder noch schwerer machen und dagegen ankämpfen, oder aber wenigstens versuchen, es zu akzeptieren. Und das war wahrscheinlich der gesündere Weg. Mark sah genau, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete und hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Nasenspitze. Sofort musste Peggy lächeln. Sie liebte diese kleinen Gesten so sehr und sie halfen ihr tatsächlich, ein wenig klarer zu werden. Ihre Lippen fanden zu seinen, der Versöhnungskuss heilte die kleinen Risse in ihrem Herzen in Sekundenschnelle! Mark zog sie an sich heran, ihr Gesicht fest in den Händen haltend. Wie er sie vermisst hatte! Ihren Mund, ihre Zunge, ihren Duft, ihren Geschmack, einfach alles! Er wollte sie zurück! Sofort!

Doch Peggy wandte sich ab, als Marks Finger über ihren Hals bis zu ihren Brüsten gestrichen waren. Sie sah ihn entschuldigend an und schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich müde und aufgewühlt und ihr stand jetzt so gar nicht der Sinn nach Sex. Atemlos erwiderte Mark ihren Blick. >>Ernsthaft?<< - >>Sei nicht böse, aber ich hab wirklich keine Lust jetzt. << antwortete sie, schob sich unter ihm hindurch und ließ ihn stehen. Mark legte den Kopf in den Nacken und atmete tief aus. Damit hatte er nicht gerechnet. Na gut, dann würde er sie heute eben in Ruhe lassen … müssen!