Die Nachhilfestunde 51: das Geistermädchen

So kam das Wochenende. Es war Samstagmorgen und Mark und Peggy lagen noch verschlafen im Bett. Emelie tat es ihnen gleich, jedenfalls hörte man kein Weinen oder Schreien aus dem angrenzenden Zimmer. Sie gönnte ihren Eltern heute offensichtlich das Ausschlafen.
>>Was machen wir heute schönes?<< fragte Peggy gähnend und streckte sich, um ein wenig wacher zu werden. >>Schlag was vor. << entgegnete Mark und Peggy bemühte sich, ihre Gedanken in die richtige Richtung zu bringen. >>Mir fällt aber nichts ein. << maulte sie nach einer Weile und Mark lachte. >>Dir fällt nichts ein? Mir fällt da aber etwas ein. << Er zog sie näher zu sich, strich ihr die zerzausten Haare aus dem Gesicht und begann sie zu küssen: ihren Mund, ihre Wangen, ihren Hals …  seine Hand streichelte ihren Bauch, weiter über ihre Beine, die Innenseite der Oberschenkel … sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut. >>Du riechst gut!<< raunte er leise und augenblicklich wurde Peggy knallheiß. Doch sie versuchte, sich nicht von seinen amourösen Angriffen ablenken zu lassen. >>Ich dachte da eher an etwas an der frischen Luft. Das Wetter scheint ja ganz gut zu werden. << Sie spähte aus dem Fenster, zaghafte Sonnenstrahlen waren zu erkennen, der Himmel war nur vereinzelt mit kleinen Wolken versehen. >>Man kann auch draußen Sex haben. << warf Mark ein, Peggy verdrehte grinsend die Augen und schüttelte den Kopf. >>Also echt! Musst du immer an Sex denken?<< - >>Wenn ich dich so ansehe, dann ja. << erwiderte Mark und ließ seinen Blick an ihr schweifen. Sie trug eine kurze schwarze Hotpants und ein verblichenes Top, dessen Träger ihr schon beinah von den Schultern geglitten waren. >>Ich bin
schockiert. << sagte Peggy, schaffte es jedoch nicht, ihrer Stimme einen wirklich ernsten Ton zu verleihen. Mark nickte. >>Gut so. << Er kam ihr wieder näher, bedeckte ihren Hals erneut mit sanften Küssen, biss vorsichtig und zärtlich in ihre Haut und Peggy beschloss, die Aktivitätenplanung auf später zu verschieben. Sie drehte seinen Kopf zu sich ,fand mit ihren Lippen seine und küsste ihn ungestüm, ehe sie sich ein Stück aufrichtete und ihr Oberteil mit einer schnellen Bewegung abstreifte. Mark hatte es geschafft: er hatte sie mit wenigen Berührungen verführt, sodass sie es kaum abwarten konnte, mit ihm zu schlafen. Doch Mark hatte offensichtlich anderes im Sinn. Er hielt sie auf, als sie schon an ihrer Hotpants zerrte. >>Stopp!
Langsam! << murmelte er, legte sich wieder ein Stück auf sie und schmunzelte über Peggys irritieren Blick. >>Aber … << - >>Ganz langsam!<< fügte er hinzu und unterband ihren Einwand mit einem langen, tiefen Kuss.

Und tatsächlich quälend langsam, strich er über ihren Bauch, über ihre Beine, spürte die Gänsehaut, die sich auf ihr ausbreitete … >>Wir machen es ganz langsam. << flüsterte Mark ihr ins Ohr und Peggy schluckte, als sie ahnte, worauf er hinaus wollte. Slow Motion …

Mit Emelie im Kinderwagen, spazierten Mark und Peggy wenig später durch den Park. Man konnte förmlich spüren, wie es immer wärmer wurde, die Sonne gab alles und strahlte von einem mittlerweile makellos blauen Himmel herab. Peggy hielt ihr Gesicht zur Sonne und schloss die Augen. Sie liebte solch ein Wetter einfach! Das ließ das Herz schneller schlagen, die Glücksgefühle ausbrechen, die Vorfreude auf den Sommer wachsen! Ihre Gedanken schweiften ab, zurück zu heute Morgen … der Sex mit Mark war himmlisch gewesen, geradezu göttlich! Es war tatsächlich alles wie in Zeitlupe abgelaufen. Sie hatten sich geliebt, immer weiter und weiter, endlos … und endlos langsam, endlos intensiv. Es war so wunderschön gewesen ...
>>Hörst du mir überhaupt zu?<< hörte sie da Marks Stimme in ihre erotischen Gedanken hineinbrechen und blinzelte ein paar Mal, um ins Hier und Jetzt zurückzukehren. Doch sie musste sich eingestehen, dass sie kein Wort von dem mitbekommen hatte, was Mark eben anscheinend erzählt hatte.
>>Sorry, was hast du gesagt?<< - >>Nicht ganz bei der Sache, was?<< riet Mark und Peggy wurde rot. >>Ich hab nur eben an heute Morgen gedacht. << gestand sie und Mark blieb neben ihr stehen, zog sie in seine Arme und sah ihr lächelnd ins Gesicht. >>An heute Morgen also. Was war denn heute Morgen?<< - >>Ach
nichts … << - >>Nichts?<< - >>Nichts. << lächelte Peggy zurück, wohl wissend, dass sie beide nur allzu gut wussten, was geschehen war. Mark schüttelte den Kopf und küsste sie hingebungsvoll. Peggy spürte, wie heiß ihr wurde. Die Sonne von oben, Marks Lippen auf
ihren … seine Hände, die über ihren Rücken strichen. >>Aber dieses Nichts sollten wir
wiederholen. << sagte sie. >>Möchtest du das?<< fragte Mark, Peggy nickte eifrig und erwiderte seinen Kuss. Sie liebte diesen Mann einfach über alles!
Mark schob sie sanft von sich und setzte die Sonnenbrille auf, die er vorhin in weiser Voraussicht mitgenommen hatte. >>Mist, ich hab meine
vergessen. << maulte Peggy als sie ihren Weg fortsetzten und musste sich Marks schadenfrohes, jedoch sicherlich liebevoll gemeintes Grinsen gefallen lassen. >>Mr. Supercool. << verhöhnte sie ihn, doch er hielt sein selbstzufriedenen Ausdruck und Peggy musste lachen. Ja, auch dafür liebte sie ihn, für seine kleinen Neckereien. Und sie musste auch zugeben, dass er tatsächlich * supercool * aussah, durch die Sonnenbrille noch mehr, als sonst. Sie betrachtete ihn eine Weile und Mark bemerkte ihren aufmerksamen Blick. >>Was ist?<< - >>Du siehst so gut aus!<< antwortete sie schmachtend und glaubte, ein Zwinkern hinter den schwarz getönten Brillengläsern erkennen zu können.

>>Schau mal, wer da kommt. << bemerkte Mark und deutete einige Meter weiter nach vorne. Peggy folgte seinem Blick und erkannte Timo und Annika, die anscheinend auch diesen wundervollen Frühlingstag genießen wollten. Hand in Hand gingen sie den Weg entlang und schienen sie gerade entdeckt zu haben, denn Annika hob zaghaft die Hand. Peggy erinnerte sich an das merkwürdige, zurückhaltende Verhalten ihrer Freundin zurück. Doch hier und jetzt war wohl kaum der richtige Zeitpunkt, das Thema zur Sprache zu bringen. Dann standen sie sich schließlich gegenüber. >>Hi, ihr beiden! Schön, dass wir euch treffen! << Peggy zog erst Annika, dann Timo in eine kurze Umarmung und lächelte erfreut. >>Genießt ihr auch das Wetter?<< - >>Das kann man ja nur genießen!<< bestätigte Timo und nickte Mark zu, der ihm die Hand entgegen streckte. >>Du musst Timo sein. << - >>Richtig. Und dann bist du bestimmt Mark?!<< - >>Volltreffer. << lächelte Mark. >>Ich hab schon viel von dir gehört. << - >>Ach, tatsächlich?<< Timo sah erfreut und gleichzeitig überrascht zu Annika herüber, die neben ihm stand und bislang kein Wort gesagt hatte und auch jetzt nur ein vages Lächeln von sich gab. Peggy bemerkte ihren Blick, der immer haarscharf an ihnen vorbeizuglitten schien … was war bloß los mit ihr?
>>Mark und ich wollten gleich eine Kleinigkeit essen gehen. << erklärte Peggy. >>Wollt ihr mitkommen?<< - >>Ja!<< - >>Nein!<< rief Annika da, beinahe zeitgleich mit Timo, der seine Freundin irritiert anschaute. >>Wieso nicht? Wir wären doch später so oder so in die Stadt gegangen. Und zu viert macht es doch sicher mehr Spaß. Außerdem könnte ich euch dann endlich mal besser kennenlernen. << Timo blickte zwischen Peggy und Mark hin und her, Mark nickte. >>Klar, von mir aus gerne. <<
Annika schluckte und führte den inneren Kampf mit sich weiter, den sie seit dem Tag kämpfte, an dem sie sich vorgenommen hatte, den Kontakt zu den beiden zu reduzieren. Es fiel ihr schwerer, als gedacht, schließlich war Peggy ihre beste Freundin, seit Kindertagen. Und was Mark anging, so brauchte sie sich nichts vorzumachen. Sie wusste auch so, dass sie diese Einladung unter normalen Umständen natürlich liebend gerne angenommen hätte. Unter normalen Umständen, doch momentan war das eben nicht so einfach.
>>Ich hab keinen Hunger, danke. << sagte sie, um eine feste Stimme bemüht. Das war noch nicht einmal gelogen, ihr Magen rebellierte bei dem Gedanken an einen Mittagsbrunch.
>>Dann eben etwas trinken? << schlug Mark vor und Annika schaffte es endlich, den Blick zu heben und ihn anzusehen. Doch sie bereute es sofort, denn ihr Herz zog sich bei seinem Anblick zusammen, so gut aussehend fand sie ihn auch heute wieder einmal. Er trug ein eng anliegendes weißes T-Shirt, das seine Muskeln an den richtigen Stellen zur Geltung brachte, schwarze Bermudas und leichte Segelschuhe. Seine schwarzen Haare waren ein Stück länger, als Annika es in Erinnerung hatte, doch das stand ihm ausgezeichnet, wie sie fand. Und die Sonnenbrille, die er noch immer trug, verdeckte zwar seine tiefen Augen, doch machte sie ihn noch einmal um einiges lässiger, attraktiver, cooler. Seine ganze Gestalt, versetzte Annika in tiefe Begeisterung, die sie mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte. Eine leichte Frühlingsbriese umwehte die Gruppe, Annika bildete sich ein, sogar Marks Parfum wahrnehmen zu können, und erneut wurde sie von wildem Herzklopfen erfasst.
Rasch wandte sie den Blick von ihm und schüttelte den Kopf. >>Keine Lust. << ->>Was ist denn los mit dir?<< fragte Timo besorgt und sah das Glitzern in ihren Augen. >>Entschuldigt uns kurz. << bat er an Peggy und Mark gewandt, diese nickten und sahen sich kurz fragend an, während Timo seine Freundin ein Stück zur Seite nahm und auf sie ein redete. Peggy beobachtete die beiden. Sie verstand nicht, was sie miteinander sprachen und  genauso wenig verstand sie Annikas erneut merkwürdiges Verhalten. >>Was hat sie denn?<< fragte Mark leise, doch Peggy hob die Schultern. >>Keine Ahnung. Sie ist schon seit längerem so komisch. << Mark warf einen Blick zu Annika hinüber. Auch er hatte keine Erklärung dafür, weshalb sie so abweisend war. Bislang hatte sie doch immer gerne etwas mit ihm und Peggy unternommen und auch Emelie in ihr Herz geschlossen. Sollte das so plötzlich anders geworden sein? Oder schwärmte sie etwa immernoch für ihn und war deswegen so scheu? Nein, das war unmöglich! Sie war kein kleines Schulmädchen mehr, sie war doch eine erwachsene junge Frau…

>>Also wenn euer Angebot noch steht, kommen wir gerne mit. << Timo war bald zu ihnen zurück gekehrt, den Arm um Annika gelegt und sah Mark und Peggy zufrieden an. >>Sicher?<< fragte Peggy an Annika gewandt, denn sie sah noch immer nicht recht begeistert aus. >>Ja. Timo zu liebe. << antwortete sie und lächelte matt. Peggy lächelte ebenso matt zurück. Sie wurde einfach nicht mehr schlau aus ihrer Freundin.
>>Ist das eure Kleine?<< fragte Timo und deutete auf den Kinderwagen. Peggy nickte. >>Emelie, ja. << - >>Darf ich mal sehen?<< bat Timo und beugte sich ein Stück vor, um einen Blick auf das schlafende Bündel werfen zu können. >>Oh,ist die süß! << schwärmte er. >>Und so friedlich. << - >>Na, der Eindruck täuscht. << sagte Mark und Peggy musste lachen.

Wenig später saßen sie im Außenbereich des kleinen Wirthauses in der Stadt, das Peggy für seine bayrische Küche geradezu vernarrte! Nicht nur die Gerichte, auch die Einrichtung und der Biergarten, waren so bayrisch und urig zustande gebracht worden, dass man meinen konnte, man befände sich am Starnberger See oder mitten in München im Hofbräuhaus.
Schon bald hatten alle etwas auf der Speisekarte gefunden, was ihnen zusagte. Alle, bis auf Annika, die tatsächlich nur eine Cola bestellte und jedes Mal ablehnte, wenn Timo ihr etwas von seinem Gericht anbot. Irgendwann gab er es auf und unterhielt sich stattdessen angeregt mit Peggy und Mark, der zwischendurch immer mal wieder einen Blick in den Kinderwagen warf, der neben dem Tisch stand. Emelie war mittlerweile erwacht, verhielt sich jedoch mustergültig und brabbelte nur ein wenig vor sich hin.
>>Hast du dir jetzt mal Gedanken bezüglich des Theaters gemacht?<< fragte Timo irgendwann und Peggy zögerte. Sie hatte gehofft, dass er das Thema nicht ansprechen würde, denn sie war nach wie vor sehr unentschlossen. >>Naja, geht so. << druckste sie herum. >>Ich bin da immernoch nicht ganz überzeugt von, aber zum Casting werde ich wohl hingehen. Glaube ich. << - >>Ist doch super! Du wirst die da alle in die Tasche stecken! << - >>Oh nein, das hab ich gar nicht vor. << wehrte Peggy ab. >>Ich will nur mal sehen, was daraus werden könnte. Wann genau ist das denn?<< - >>Ich erkundige mich Montag und melde mich dann, okay?<< - >>Danke dir. << ->>Das wäre doch bestimmt voll dein Ding. << warf Annika ein. >>Du stehst doch gerne vor Leuten. << Peggy atmete erleichtert auf, als sie merkte, dass ihre Freundin sich offenbar in das Gespräch einbringen wollte. Sie hatte schon befürchtet, Annika würde den ganzen Tag keinen Ton von sich geben.
>>Mal sehen. Vielleicht suchen sie ja auch einen ganz anderen Typ, als mich und wollen mich gar nicht. << - >>Kann ich mir nicht vorstellen. << sagte Mark und strich ihr flüchtig über die Haare. Peggy lächelte ihn an und spürte, wie ihr Herz angesichts dieser süßen Geste von ihm aufging.
>>Ich gehe kurz um die Ecke, eine rauchen. << sagte Timo und blickte in die Runde. >>Sonst noch jemand?<< Peggy schüttelte den Kopf und konnte schon Marks Blick auf ihrer Wange fühlen. Sie wusste, dass er sofort mitgehen würde, wenn sie jetzt nicht hier säße, denn dass Mark ab und zu zum Glimmstengel griff, war ihr ein Dorn im Auge. Und weil er das wusste, verzichtete er. Meistens jedenfalls.  Aber heute war er anscheinend nicht abgeneigt, jetzt, wo noch ein weiterer Raucher am Tisch saß.
>>Na geh schon. << lenkte sie schließlich ein verdrehte die Augen. Sie mochte das wirklich nicht, vorallem nicht diesen ekligen Geruch nach Rauch. Aber verbieten konnte sie es ihm natürlich auch nicht und allein dass er auf ein Okay von ihr wartete, rechnete sie ihm sehr hoch an. Mark gab ihr einen Kuss auf die Wange, dann folgte er Timo zwischen die Tische hindurch und verschwand.
Peggy beugte sich vor und blickte Annika an, die, scheinbar ein wenig nervös, an ihrer Cola nippte. Vielleicht war jetzt eine gute Gelegenheit, mal mit ihr zu sprechen. >>Möchtest du mir nicht sagen, was du hast?<< begann sie vorsichtig, als könnte jedes Wort das falsche sein. Annika schaute sie an. >>Was meinst du?<< - >>Hey, wie lange kennen wir uns jetzt schon? Ich sehe doch, dass dich etwas beschäftigt. << - >>Beschäftigt nicht jeden von uns irgendetwas?<< wich Annika aus und hoffte, Peggy möge nicht noch weiter nachbohren. Sonst könnte sie wohlmöglich doch noch einknicken und gestehen, was Marks Anwesenheit nach wie vor mit ihr anstellte. Und sie war sicher, dass Peggy das ganz und gar nicht gefallen würde.
>>Ja. Nur habe ich bei dir das Gefühl, dass es irgendetwas mit mir zu tun hat. << erklärte Peggy. >>Du bist so … anders, als sonst. Wir reden kaum noch miteinander, von einem Treffen mal ganz zu
schweigen. << - >>Wieso? Wir sind doch hier, oder nicht?<< - >>Das war purer Zufall, das weißt du. << erwiderte Peggy.  >>Früher haben wir uns so oft verabredet, haben gequatscht, sind ins Kino gegangen, oder shoppen … hab ich was falsch gemacht, dass das du dich jetzt plötzlich so rar machst?<< Annika hörte den besorgten Tonfall in ihrer Stimme und bekam ein schlechtes Gefühl. Es lag doch nicht an Peggy! Es lag doch um Gottes Willen nicht daran, dass ihr die Freundschaft zu ihr nichts mehr bedeutete! Es lag doch einfach nur an ihrem nie enden wollenden Gefühlswirrwarr, was Mark anging! Wenn sie das doch nur so einfach aussprechen könnte!

>>Nein, du hast nichts falsch gemacht. << antwortete sie, doch das war Peggy nicht genug. >>Aber?<< - >>Nichts Aber. << Peggy biss die Zähne zusammen, sie spürte Ungeduld in sich aufsteigen, bemühte sich jedoch, ruhig zu bleiben. Mit Druck würde sie gar nichts erreichen. >>Du weißt, dass du mit mir über alles sprechen kannst. << versuchte sie es weiter. >>Wir sind Freundinnen! Die besten, die es überhaupt gibt. << Sie lächelte und bemerkte wohlwollend, wie sich auch Annikas Lippen leicht nach oben verzogen. >>Wenn dich etwas bedrückt, dann sag es mir und vielleicht kann ich dir helfen. << Doch da machte sie auch schon wieder dicht, senkte den Blick und schüttelte den Kopf. >>Kannst du nicht. <<- >>Wieso nicht?<< - >>Peggy, bitte. Lass es!<< - >>Nein, ich lasse nicht locker, bis du mit mir gesprochen hast. << - >>Versteh doch, darüber kann ich nicht mit dir sprechen. << erwiderte Annika, beinahe verzweifelt. Sie war auch verzweifelt! Wie sehr sie sich wünschte, sich jemandem mitteilen zu können! Bislang war es immer Peggy gewesen, die ein offenes Ohr für sie hatte, aber in diesem Fall … ja, in diesem Fall ging es einfach nicht. Sie hatte es doch schon erlebt, sie hatte doch schon einmal offenbart, dass sie für Mark mehr empfand, als Freundschaft und das hatte nicht nur für Streit zwischen ihr und Peggy, sondern auch in deren Beziehung gesorgt.  Damals hatte sie sich geschworen, es niemals wieder so weit kommen zu lassen. Und das hatte auch gut funktioniert, als sie Timo kennengelernt hatte, in den sie tatsächlich ehrlich verliebt war. Aber die Gefühle für Mark, wollten einfach nicht versiegen, doch das musste sie für sich behalten. Sie musste einfach!
>>Was soll das heißen, du kannst nicht mit mir darüber sprechen?<< harkte Peggy nach. >>Wenn ich es täte, wären wir keine Freundinnen mehr. Und das will ich nicht riskieren. << antwortete Annika und sah, wie Peggy blass wurde. >>Was redest du da für einen Unsinn?<< schüttelte sie den Kopf, aber Annika lächelte traurig. >>Glaub mir, das ist kein Unsinn. <<
Peggy starrte sie fassungslos an. Sie wären keine Freundinnen mehr? Das konnte sie unmöglich ernst meinen…
In diesem Moment kehrten Timo und Mark an den Tisch zurück, sodass Peggy keine Gelegenheit mehr hatte, den Dingen weiter auf den Grund zu gehen. >>Na, habt ihr uns vermisst?<< fragte Timo und küsste Annika flüchtig auf den Mund. >>Ja. Schmerzlich. << erwiderte diese und lächelte ihn an. >>Mark ist echt ein super Typ! Wir haben uns gut unterhalten. << fuhr Timo fort, und Annika schloss kurz die Augen. Dass er ihren wunden Punkt getroffen hatte, ahnte er natürlich nicht.
>>Oh, dankeschön. Kann ich nur zurückgeben. << sagte Mark erfreut. >>Hast einen guten Fang gemacht, Annika. << Annika nickte. >>Ich weiß. << Er hat meinen Namen gesagt, dachte sie und spürte ihren Herzschlag einmal mehr im Hals. Er hat meinen Namen gesagt …

Irgendwann verabschiedeten sie sich schließlich von Mark und Peggy und Annika dankte dem Himmel dafür! Nach dem Essen waren sie noch eine Weile in der Stadt unterwegs gewesen und Timo hatte immer wieder betont, wie nett er die beiden doch fände und was für eine perfekte kleine Familie sie doch abgäben! Und als Mark dann noch sein Handy hervorgeholt und Fotos von und mit allen geschossen hatte, hatte Annika die Grenze des Erträglichen erreicht! Sie hatten schließlich schon einmal Fotos mit seinem Handy gemacht, damals, beim Feiern in der Disco. Und Peggy war vor Eifersucht fast explodiert! Heute war sie zwar umso gelassener, aber trotzdem: Annika konnte nicht einfach so neben Mark in die Kamera grinsen und so tun, als wäre nichts. Denn seine Nähe war grausam. Grausam schön!
Deswegen war sie erleichtert, als sie schließlich den Heimweg antraten und auch, als sich herausstellte, dass Timo heute Abend nicht bei ihr sein würde. Er musste für einen Kollegen einspringen und bei der Abendvorstellung am Theater für die Technik sorgen. >>Ist nicht schlimm, dann sehen wir uns morgen
wieder. << hatte sie gesagt. Ihr war es tatsächlich nicht unrecht, heute Abend alleine zu sein, denn sie war von allem so aufgewühlt, dass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.

Jetzt war sie Zuhause. Stille umgab sie und ließ sie ein wenig ruhiger werden. Sie setzte sich auf die Couch in ihrem kleinen Wohnzimmer und zog die Knie an. Was für ein Tag! Ihr Handy piepte, Timo schrieb ihr, dass die Vorstellung nun beginnen würde und er sich erst danach wieder bei ihr melden könnte. Annika lächelte, er war wirklich süß. Er wollte nicht, dass sie sich möglicherweise Sorgen machte… ein weiteres Piepen, diesesmal eine Nachricht von Peggy. Bilddateien, die Fotos des heutigen Nachmittages. Annika zögerte, sie sich genauer anzusehen, tat es dann aber doch. Mark und Peggy, Peggy und sie selber, Mark und Timo, Timo und Peggy, sie selber und Timo … sie selber und Mark! Annika schaute das Foto an und das Foto schaute unbarmherzig zu ihr zurück, Mark schaute zu ihr zurück, sein strahlendes Lachen schaute zurück, seine weißen Zähne, die schwarzen Augen … >>Du bist nicht halb so attraktiv, wie du glaubst. << flüsterte Annika, ein sinnloser Versuch, sich selber einzureden, dass sie das alles doch eh nur überdramatisierte.  >>Verstehst du? Ich finde dich überhaupt nicht attraktiv. Du bist nicht mein Typ! Du bist nicht mein Typ! << Doch sein Lachen verlor seine Wirkung nicht, sein Augen wurden und wurden nicht glanzloser, wie oft sie sich es auch einredete. >>Wieso kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?<< murmelte sie. Und wieso konnte sie ihn nicht in Ruhe lassen!
Sie stand auf, ging in die Küche und holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank, nahm sich ein Glas und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Eigentlich mochte sie keinen Alkohol, jedenfalls trank sie selten und alleine erst recht nicht. Aber heute sah die Sache anders aus. Sie öffnete die Flasche, goss einen großen Schluck Sekt in das Glas und nahm es an sich. Dann blickte sie erneut auf das Bild herab, das noch immer auf ihrem Handydisplay zu sehen war. >>Prost! Auf eine für immer völlig idiotische Schwärmerei. <<

Es war schon nach Mitternacht, trotzdem war Mark noch nicht zu Bett gegangen. Er saß in seinem Büro vor dem Laptop und surfte ein wenig im Internet. Ab und zu tippte er auf seinem Handy. Er schrieb mit Peggy, die vorhin zu einer spontanen Feier einer Kommilitonin gefahren war. Zunächst hatte sie keine große Lust gehabt, sich dann aber doch entschlossen, wenigstens kurz vorbei zu schauen und wider erwarten, war die Stimmung anscheinend gar nicht so übel. 
* Könnte doch etwas später werden *
schrieb sie gerade und Mark musste lächeln. Er konnte ihre schuldbewusste Stimme förmlich heraushören.
* kein Problem. Amüsier dich … aber nicht zu sehr * Hoffentlich waren nicht allzu viele attraktive Typen anwesend …

* keine Sorge. Es sind keine Jungs hier ;) * antwortete sie. Mark schüttelte den Kopf. Er wurde in seiner Vermutung immer wieder bestätigt: kein Zweifel, sie konnte Gedanken lesen.
Ein wenig beruhigt, widmete er sich nun wieder der Internetseite, die er eben aufgerufen hatte: es ging um Hochzeiten, natürlich. Er hielt kurz inne: war er eigentlich verrückt, gar krank, dass er sich so viel mit diesem Thema beschäftigte? Taten das andere heiratswillige auch? Wen könnte er da fragen? In seinem Freundeskreis waren nur wenige verheiratet … waren sie der Sache auch mit so viel Enthusiasmus begegnet? Er nahm sich vor, das beizeiten herauszufinden. Er selbst jedenfalls konnte gar nicht genug davon kriegen, sich über Heiratsanträge, Locations und dergleichen schon jetzt zu informieren. Dabei hatte er Peggy noch gar nicht gefragt, er hatte noch nicht einmal den richtigen Ring gefunden. Aber wenn das alles einmal erledigt war, wie schön würde es dann werden, gemeinsam mit Peggy jedes Detail zu planen…
In diese Gedanken hinein, klingelte es an der Haustür. Mark sah auf die Uhr, es war kurz vor eins. So viel später wie Peggy gesagt hatte, war es also doch nicht geworden. Mark klappte den Laptop zu und stand auf. Peggy hatte wahrscheinlich wieder einmal ihren Schlüssel vergessen, wie so oft. Er lächelte, eine kleine Schusseligkeit ihrerseits, die sie bis heute noch nicht abgelegt hatte.
Er öffnete die Tür und wich instinktiv einen Schritt zurück. Vor ihm stand Annika, eine Gestalt, wie ein Geist. Blass, mit zerzausten Haaren und glasigem Blick, in der Hand eine Flasche Bier. Ein Geistermädchen. >>Ich muss mit dir reden. << lallte sie und Mark konnte ihre Alkoholfahne deutlich riechen. Sie sah schrecklich aus. Hatte sie sich betrunken? Und was noch viel wichtiger war: was um alles in der Welt machte sie  hier?